Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung / Seite 96

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12.09.57

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es scheint, als wäre ich der einzige Kontra-Redner der gesamten heutigen Tagesordnung. Das ist einerseits im Prinzip kein schlechtes Zeichen, auf der anderen Seite aber doch, weil viele wichtige Themen, auf die Österreich wartet, etwa die Verwaltungsreform, die Gesundheitsreform, eine Steuersenkung zur Hebung der Kaufkraft oder ein Wirtschaftsförderungspaket, nicht auf der Tagesordnung stehen, weil diese Bundesregierung in dieser schwierigen und sensiblen Zeit leider wenig bis nichts arbeitet.

Wir beschäftigen uns zwar mit anderen wichtigen Dingen, aber mit nicht sehr vielen, wie aus der heutigen Tagesordnung ersichtlich ist.

Bei der vorliegenden Gesetzesmaterie haben wir uns sehr lange überlegt, ob wir zu­stimmen sollen oder nicht. Es gibt beim Unterbringungsgesetz und auch beim Heimauf­enthaltsgesetz sicherlich einige Punkte, denen man problemlos zustimmen könnte. An­dere halten wir aber doch für sehr sensibel, wie zum Beispiel, dass die verpflichtende Doppelbegutachtung beim zwangsweisen Aufenthalt von Patienten in einer psychiat­rischen Anstalt gestrichen werden soll und nur mehr ein Gutachten eines Arztes aus­reicht, um einen Patienten zwangsweise in einer Anstalt aufzubewahren. Das halten wir für falsch. Es gibt zwar ein Einsparungsargument, das betrifft die Länder, und man sagt auch, in der Praxis gibt es bei den kleineren Einrichtungen ohnehin keine zwei Psychiater mehr, die dauerhaft in dieser Anstalt aufhältig sind, aber das sind ja eben unbefriedigende Zustände.

Bei aller Notwendigkeit, Einsparungen vorzunehmen – und ich habe ja zu Beginn mei­ner Rede gesagt, im Verwaltungsbereich und auch im Gesundheitsbereich gäbe es eine ganze Menge von Punkten, wo man einsparen könnte, etwa indem man mehr in Prävention investiert –, sollte man dort, wo es um die persönliche Freiheit von Men­schen geht, sehr sensibel vorgehen. Da kann es nur darum gehen, möglichst alle Zwei­fel über die Notwendigkeit einer Zwangsanhaltung in einer Anstalt zu beseitigen. Des­halb stimmen wir gegen die Streichung der Doppelbegutachtung. (Beifall beim BZÖ.)

Zweiter Punkt: der sogenannte Drehtüreffekt. – Es ist durchaus vernünftig, dass man sagt, wenn Patienten an einem chronischen, wiederkehrenden psychischen Leiden er­krankt sind, muss man aufpassen, dass man sie nicht in sehr kurzen Abständen immer wieder entlässt und immer wieder einweist. Daher ist vorgesehen, dass man sie auf eine längere Dauer, auch wenn eigentlich keine akute Behandlung notwendig ist, in einer Anstalt anhalten kann. Nur, was uns fehlt, ist im Sinne der Interessen und Rechte der Bürger ein Verweis auf die Verhältnismäßigkeit der Dauer der Anhaltung im Ver­gleich zur Gefahr einer Wiedereinlieferung.

Wir haben das im Ausschuss diskutiert. Es soll auch eine Evaluierung geben. Man soll das beobachten. Das ist alles schön und gut, aber wir glauben, dass man da sehr sensibel vorgehen muss, und lehnen daher auch diese Gesetzesbestimmung ab.

Ein Punkt, den wir durchaus positiv beurteilen, ist, dass der Verein für Patientenanwalt­schaft ab jetzt die Interessen der Patienten vertreten kann.

Positiv ist auch, dass im Heimaufenthaltsgesetz jetzt Maßnahmen bezüglich Pflegeleis­tungen für die Patienten nicht nur von Ärzten, sondern auch von Pädagogischen Behin­dertenbetreuern und Psychologen erfolgen können, sofern das möglich ist. Das ist si­cherlich eine sinnvolle Maßnahme, die zur Effizienzsteigerung und zur Einsparung bei­trägt. Daher werden wir in zweiter Lesung eine getrennte Abstimmung verlangen. In dritter Lesung werden wir aber aufgrund unserer Bedenken bezüglich der Rechte der Staatsbürger diese Gesetzesvorlage ablehnen. (Beifall beim BZÖ.)

12.14

 


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