Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung / Seite 49

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Bibel berufe: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?“ – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Jarmer zu Wort. – Bitte.

 


10.15.47

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerinnen! Ho­hes Haus! Liebe Behindertenorganisationen! Liebe FernsehzuseherInnen! Bevor ich jetzt in dieses Thema einsteige, möchte ich wirklich meine tiefste Betroffenheit zum Ausdruck bringen. Ich bin wirklich schockiert, dass man aus Menschen, die betroffen sind, die vergewaltigt wurden, die missbraucht wurden, Parteipolitik macht! Ich bitte Sie, sehr geehrte KollegInnen, dass Sie auf die Betroffenen Rücksicht nehmen. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Ich würde zu Beginn gerne zwei Beispiele bringen, wie man in der Vergangenheit mit Menschen umgegangen ist. Das eine betrifft eine kirchliche Institution: Damals hat man Kinder zum Beispiel in einen Raum gesteckt und hat Duschen über die Kinder ergehen lassen, und von draußen kam das Kommando, ob heiß oder kalt, und die Kinder muss­ten schreien. Und dann wurde diese Person – es war ein Abt, um den es sich gehan­delt hat – versetzt. Und jetzt stellen Sie sich vor, wohin man diese Person versetzt hat: Man versetzte diese Person in ein Behindertenheim! – Was heißt das? Bei Menschen, die sich noch viel weniger wehren können, kommt dieser Abt zum Einsatz?! Das sind die Konsequenzen, die man daraus zieht?!

Ein anderes Beispiel: Ein Lehrer an einer öffentlichen Einrichtung hat mehrere Kinder jahrelang sexuell missbraucht. Es kam zu einer Verhandlung, und dieser Lehrer wurde freigesprochen! Die einzige Konsequenz, die man daraus gezogen hat, war, dass die­ser Lehrer nicht mehr an öffentlichen Institutionen unterrichten durfte. Aber er durfte all­gemein, an Privatinstitutionen, weiter unterrichten. – Das sind die Konsequenzen, die wir ziehen?!

Betroffene Personen wollen immer wieder erklären, dass sie missbraucht wurden, sie wollen das zum Ausdruck bringen, aber oftmals werden sie nicht ernst genommen. Das wird oft abgetan als Phantasterei. Menschen mit Behinderungen, vielleicht lügen sie so­gar!, so wird das gesehen. Ein Anwalt hat einmal allgemein bei einer Verhandlung fest­gehalten: Nein, das glauben wir nicht, denn Menschen mit Behinderungen, die lügen sowieso!

Man sieht wirklich: In Österreich sind von den behinderten Frauen zwei Drittel von se­xuellem Missbrauch betroffen und zirka 50 Prozent der behinderten Männer. Und das ist wirklich eine große Anzahl. An jeder vierten behinderten Frau wurde echter sexuel­ler Missbrauch vollzogen.

Ich möchte noch ein paar weitere Beispiele zeigen. Wenn ich Ihnen die Anzahl der Be­troffenen visualisiere: Sagen wir, das macht so viel aus. (Die Rednerin macht eine ent­sprechende Handbewegung.) Unter den Körperbehinderten, wenn Sie hersehen, ent­spricht das visuell gesehen so viel. Und verhaltensauffällige Kinder sind fünffach be­troffen, in diesem Ausmaß! (Jeweils die entsprechende Handbewegung machend.)

Das heißt: Wie sollen Menschen, die sich selbst sprachlich nicht ausdrücken können, das jemandem mitteilen? Liebe Kollegen, stellen Sie sich das einmal vor: Es wurde heute von einer Telefon-Hotline gesprochen. Denken Sie auch daran, dass es Men­schen gibt, die sich sprachlich nicht ausdrücken können, die nicht anrufen können? Da­mit sind gemeint: schwer hörende Menschen, sprachbehinderte Menschen, gehörlose


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