Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung / Seite 203

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


18.06.48

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich glau­be, wir kommen in Zeiten wie diesen und am Vorabend einer Debatte zum Finanzrah­mengesetz nicht umhin, bei allen Projekten, die Geld kosten, zumindest am Anfang auch einmal die Frage zu stellen: Was kostet das, und wer soll es bezahlen? (Abg. Öl­linger: Was nützt es?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorschlag von Öllinger und den Grünen, die Nettoersatzrate gesamthaft auf zumindest 60 Prozent zu erhöhen – Herr Kollege Riepl hat schon angeführt, dass das in vielen Fällen ohnehin der Fall ist –, würde einen Mehr­aufwand von rund 200 Millionen € pro Jahr bedeuten. 200 Millionen € pro Jahr für eine Arbeitslosenversicherung, die nicht etwa ausgeglichen gebart, sondern im Jahr 2010 geschätzt nicht weniger als 1,6 Milliarden € an Defizit schreiben wird! Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann da schon mit Fug und Recht sagen: Selbst wenn wir es wollen, könnte man hier zu dem Schluss kommen, dass wir es uns nicht leisten können.

Jetzt aber zu dem Punkt, ob wir es uns leisten wollen: Stichwort Inaktivitätsfalle, sagen die Arbeitsmarktexperten.

Herr Kollege Riepl! Gerade Gewerkschafter sind ja auch Menschen, die wissen, es braucht einen ausreichenden Unterschied zwischen einem Arbeitslosengeld, einer Min­destsicherung, die jemand bekommt, und einem Aktivbezug, den jemand anderer be­kommt oder auch er oder sie selbst, wenn er oder sie wieder in den Erwerbsprozess eintritt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da ist dieser Abstand natürlich schon wesentlich!

Es geht nicht darum, Herr Öllinger, das irrsinnig zu beschränken, wie Sie das formuliert haben, sondern das richtige Augenmaß ist notwendig. (Abg. Mag. Schatz: Können Sie von 500 oder 600 € leben?) Ja, Frau Schatz, auch Sie werden es noch einmal in der Praxis sehen: Das richtige Augenmaß ist hier notwendig, und die Balance gilt es zu halten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf Ihnen hier einmal anführen, dass das maximale Arbeitslosengeld in Österreich immerhin bei 1 341 € netto liegt. Da muss jemand zuerst schon ganz gut verdient ha­ben, das weiß ich, aber es ist durchaus möglich. Anders als in anderen Ländern, anders als zum Beispiel auch in Deutschland, kann ein Arbeitsloser bei uns bis zur Geringfü­gigkeitsgrenze zirka 350 € dazuverdienen. Allein aus diesem Titel heraus haben Sie schon einmal das Thema, dass wir politisch auch den Mut haben müssen, zu sagen: Eine gewisse Differenz braucht es zwischen Arbeitslosengeld oder auch Notstandshilfe und dem, was er oder sie aktiv im Erwerbsleben verdienen kann.

Herr Kollege Riepl hat es angesprochen: Wir leben in der Phase der Einbringung und der Einführung der Mindestsicherung. Vom Prinzip her stehe ich dahinter, ich war ge­meinsam mit Buchinger durchaus einer der politischen Betreiber dieses Themas, aber es geht darum, wie das in der Praxis gemacht wird, ob jetzt wirklich die Anreize und auch manchmal der Druck erhöht wird, Arbeitsfähige schneller als bisher in den Er­werbsprozess zu integrieren oder zu reintegrieren.

Da habe ich Ihnen ein Beispiel mitgebracht, das mir schon zu denken gibt. Nämlich: Auf­grund der derzeit geltenden Regeln ist es so, dass zwei Menschen, die von der Min­destsicherung leben müssen – also nicht nur einer –, jeweils 75 Prozent der 750 €, al­so insgesamt 1 500 € bekommen. Wenn diese Eltern auch zwei Kinder haben, kom­men noch zweimal 18 Prozent dazu. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf dieser


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite