Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 120

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angewendet werden, die die Freizügigkeit von Arbeitnehmern von, nach und zwischen diesen Mitgliedstaaten einschränken. Diese Einschränkungen betreffen nur die Frei­zü­gigkeit für die Zwecke der Arbeitsaufnahme und können je nach Mitgliedstaat variieren.

Zum Zeitpunkt des Beitritts lag das Lohnniveau dieser Staaten, darunter unsere direkten Nachbarn Ungarn, die Tschechische Republik, Slowakei und Polen, bei 15-20 Prozent bzw. bei 30-36 Prozent des österreichischen Lohnniveaus, wenn man das unterschiedliche Preisniveau in diesen Ländern und in Österreich mit berücksichtigt. Aus diesem Grunde wurde in den Beitrittsverträgen auch eine Übergangsfrist von 7 Jahren für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für die Bürger dieser Staaten vereinbart – in der Hoffnung, dass in dieser Zeit eine weitgehende Annäherung der Lohnniveaus eintreten würde.

Die Übergangsregelungen in den Beitrittsverträgen sehen vor, dass in den ersten beiden Jahren nach dem Beitritt der Zugang zu den Arbeitsmärkten der EU-Mit­gliedstaaten, die vor dem jeweiligen Beitritt bereits EU-Mitgliedstaaten waren, durch die nationalen Rechtsvorschriften und die jeweilige Politik dieser Mitgliedstaaten geregelt wird. Die nationalen Maßnahmen können für einen weiteren Zeitraum von drei Jahren beibehalten werden. Danach kann einem Mitgliedstaat, der nationale Maßnahmen anwendet, die Genehmigung erteilt werden, weiterhin diese nationalen Maßnahmen anzuwenden, jedoch nur dann, wenn sich sein nationaler Arbeitsmarkt mit schwer­wiegenden Problemen konfrontiert sieht.

Konkret heißt das: Im Beitrittsvertrag wurde festgelegt, dass jeder EU-Mitgliedstaat die Freizügigkeit für Arbeitnehmer zunächst für eine Frist von zwei Jahren aussetzen kann. Daher konnten die jeweiligen nationalen Zugangsbeschränkungen für die sogenannten EU-10 bis zum 30. April 2006 bzw. für die EU-2 (Bulgarien und Rumänien) bis zum 1.1.2009 uneingeschränkt aufrecht bleiben. Der Vertrag legte weiters fest, dass diese Frist dann von jedem Mitgliedsland um drei weitere Jahre verlängert werden könne - eine Option, die von Österreich ebenfalls in beiden Fällen genutzt wurde. Dazu war lediglich eine formelle Mitteilung an die Europäische Kommission notwendig.

Nach Ablauf dieser Periode kann laut Vertrag in allen Ländern, in denen ein ent­sprechendes Übergangsregime weiterhin besteht, die Übergangsfrist „im Falle schwer­wiegender Störungen des Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach entsprechender Mitteilung an die EU-Kommission“ um weitere zwei Jahre verlängert werden, sodass sich insgesamt eine Frist von bis zu sieben Jahren ergibt. Österreich hat die EU-Kommission im Mai 2009 offiziell unterrichtet, dass es seinen Arbeitsmarkt für weitere zwei Jahre schützen möchte (das bedeutet, dass die Fristen, außer gegenüber Rumänien und Bulgarien, die erst 2007 beigetreten sind, 2011 auslaufen).

Die geplante Liberalisierung des österreichischen Arbeitsmarktes ab Mai 2011 hätte nicht nur laut Information des AMS-Vorstandes schwerwiegende negative Folgen für den heimischen Arbeitsmarkt.

Das bis 2014 zu erwartende Wachstum – laut WIFO „mittelfristig“ (also für die nächsten fünf Jahre) nicht mehr als 1,3 Prozent pro Jahr – wird nicht ausreichend sein, um die Arbeitslosigkeit nach 2011 nachhaltig zu senken.

Darüber hinaus ist es dringend notwendig, zu überprüfen, ob überhaupt eine aus­reichende Annäherung des Lohnniveaus dieser Staaten an das österreichische Niveau erwartet werden kann. Eine Betrachtung der Entwicklung für den Zeitraum 2004 - 2008, für den die erforderlichen Daten vorliegen, zeigt (siehe Tabelle), dass der Anstieg des Lohnniveaus in den genannten Staaten sehr viel langsamer erfolgt, als beim Beitritt angenommen. Bis 2008 ist das Lohnniveau lediglich auf 22-28 Prozent des österreichischen gestiegen bzw. unter Berücksichtigung der verschiedenen Preisniveaus auf 37-43 Prozent. Bei linearer Extrapolation dieser Entwicklung ist für


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