Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll67. Sitzung / Seite 253

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len. Das passiert nicht. Warum? – Weil auch hier genug Verantwortung da ist, das Kon­trollorgan in seiner Kontrolle zu akzeptieren.

All diese Missbrauchsargumente greifen nicht. Es geht nicht um tagespolitische Zwän­ge, sondern bei Nationalratspräsident Graf geht es schon mehr um die Frage, wie er zu den Grundfesten dieser Republik steht.

Die ÖVP hat dann einige Vorschläge gemacht, wie man sich dem Problem annähern könnte. Der letzte Vorschlag – und korrigieren Sie mich, wenn ich ihn nicht korrekt wie­dergeben sollte – war, dass man das an der strafrechtlichen Verurteilung aufhängen sollte. Das heißt, jeder Nationalratspräsident, der zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wer­den würde, würde automatisch seine Funktion verlieren.

Ich erkenne schon, dass man sich bemüht und durchaus überlegt, welche Schritte man setzen kann, aber das ist – wie ich glaube – nicht tauglich, denn hier ist die Grenze zu weit gezogen. Es kann ja nicht sein, dass man sagt, ein Präsident, der alkoholisiert Auto fährt – nicht der Kollege Graf, damit es keine Missverständnisse gibt –, soll nicht zur Diskussion stehen und soll nicht abwählbar sein, nur weil das kein strafrechtliches De­likt ist, oder ein Präsident – wieder nicht der Kollege Graf, ein hypothetisches Beispiel –, der eine Mitarbeiterin belästigt – völlig inakzeptabel –, soll nicht abwählbar sein, oder ein Präsident, der keine Abgrenzung zu extremistischen Organisationen vornimmt – und da sind wir jetzt schon etwas näher bei Präsident Graf – soll nicht abwählbar sein. (Abg. Dr. Graf: Geschlechtsneutral formulieren!)

Oder formulieren wir es direkt am Präsidenten Graf: Ein Nationalratspräsident, der den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde übel beschimpft, soll nicht abwählbar sein?

Der Dritte Nationalratspräsident Graf, der seine Mitarbeiter aus der rechtsextremen Szene rekrutiert, die aus dem Büro des Dritten Nationalratspräsidenten dann bei Nazi-Versandhäusern bestellen, soll nicht abwählbar sein? – Das ist ja nicht erklärbar! Ein Dritter Nationalratspräsident, der einen internationalen Rechtsextremisten wie Herrn Marinovic ins Parlament einlädt – und zwar als Präsident ins Parlament einlädt –, soll nicht abwählbar sein? (Abg. Neubauer: ... der Herr Marinovic angestellt?)

Herr Marinovic ist überhaupt ein eigener Fall. Das Schmankerl möchte ich Ihnen nicht vorenthalten – die Thesen, die er dort vertreten hat, sind ja mehr als skurril –: Er hat im Parlament die drei Geißeln der Menschheit benannt, nämlich Sex, Shopping und Well­ness. Also ich hoffe, dass Ihr Parteiobmann Strache, wenn er auf seinen Disco-Touren ist, auch seine potenziellen Wähler darüber aufklärt, was laut FPÖ die potenziellen „Geißeln der Menschheit“ sind, nämlich Sex, Shopping und Wellness. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stefan: Das gehört ja „verboten“, so eine Meinung!)

Meine Damen und Herren, von einer staatstragenden Partei – und damit meine ich die ÖVP – erwarte ich mir, dass sie die Grenze nicht ausschließlich beim Strafgesetzbuch zieht, sondern schon erkennt, dass es auch politische Positionierungen gibt, die mit einer staatspolitischen Funktion unvereinbar sind. (Abg. Mag. Stefan: Eine Wellness-Partei! – Abg. Weinzinger: ... die Grenze ... linksextrem!)

Ich stelle mir immer die Frage: Warum tut sich die ÖVP so schwer? Da gibt es für mich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie verkennt, dass derartige Positionen inakzeptabel sind, oder – und das ist die zweite Variante – es ist der ÖVP vielleicht gar nicht un­recht, dass sich die FPÖ mit ihren Proponenten in dieser Funktion immer wieder dis­kreditiert. Zum einen schadet sie sich damit selbst, und zum anderen macht sich die FPÖ damit für die ÖVP immer wieder politisch erpressbar. Vielleicht ist das das eine oder an­dere Mal auch politisch einsetzbar.

Lange Rede, kurzer Sinn (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ): Das kann keine Frage der Parteitaktik sein. Will man einen Nationalratspräsidenten, der derartige Positionen äu-


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