Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll79. Sitzung / Seite 46

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, List, Scheibner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Durch­führung einer Volksbefragung über die Wehrpflicht

eingebracht in der 79. Sitzung des Nationalrates am 05.10.2010 im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage zum Thema: „Reformieren statt abkassieren – Wo bleiben Ver­waltungsreform und Bürokratieabbau, Herr Bundeskanzler?"

Die veränderte geostrategische Lage Europas und der Wandel der Aufgaben des Mili­tärs in Richtung friedensstiftender Maßnahmen waren in vielen westeuropäischen Län­dern bereits in den neunziger Jahren Auslöser für Reformen der Militärsysteme. In Ös­terreich ist die notwendige Strukturreform trotz der Bundesheerreformkommission bis­lang noch nicht erfolgt. Die Rahmenbedingungen des österreichischen Bundesheeres blieben daher im Wesentlichen bislang trotz der geänderten sicherheitspolitischen La­ge Österreichs unverändert, die Leistungen des Bundesheeres sind aber durch Bud­getkürzungen, eine deutliche Verkürzung des Grundwehrdienstes und steigende Antei­le von Untauglichen und Zivildienern bei bestem Willen nur noch schwer zu erbringen.

Wenn also heute von Verwaltungsreform und Bürokratieabbau die Rede ist so darf die­se Forderung auch vor dem Bereich der Landesverteidigung nicht Halt machen; dies umso mehr, als nicht nur namhafte Militärexperten aus Sicht der Notwendigkeiten der Landesverteidigung, sondern auch namhafte Institutionen wie der Staatsschuldenaus­schuss, der Rechnungshof, das Wirtschaftsforschungsinstitut und das Institut für Höhe­re Studien aus wirtschaftlicher und budgetärer Sicht Reformen fordern. So hat Gudrun Biffl vom WIFO schon 2001 die Implikationen eines Freiwilligenheeres für den österrei­chischen Arbeitsmarkt untersucht und festgestellt, dass die Abschaffung des Zwangs­dienstes eine bessere Nutzung der Ressource Arbeit zur Folge hätte, die Belastung nur der tauglichen männlichen Jugendlichen mit einer Naturalsteuer zugunsten bestimmter Bereiche entbehrlich ist, mittel- bis längerfristig (vor allem ab dem Zeitpunkt sinkender Jahrgangsgrößen der Jugendlichen etwa ab 2012) keine negativen Effekte auf die Ar­beitslosigkeit zu erwarten wären und die Produktivität der gesamten Wirtschaft steigen würde. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen durch eine Umstellung auf ein Freiwilligen­heer würde die Kosten jedenfalls deutlich übertreffen. Eine Umstellung wäre daher ge­rade in Zeiten einer Wirtschaftskrise erwägenswert.

Zahlreiche andere Europäische Staaten haben die Umstellung auf Freiwilligenheere (mit überwiegend ausgesetzter Wehrpflicht) bereits vollzogen. Dazu zählen Belgien (ab 1995), Niederlande und Polen (ab 1997), Frankreich (ab 1999), Spanien (ab 2001), Slowenien (ab 2003), Tschechien, Ungarn und Italien (ab 2005), Slowenien (ab 2006), Rumänien und Lettland (ab 2007) und Bulgarien (ab 2008). Zuletzt hat Schweden die allgemeine Wehrpflicht aufgrund der geänderten Sicherheitslage und aus Spargründen abgeschafft. Soeben hat sogar unser Nachbarland Deutschland beschlossen die allgemeine Wehr­pflicht zugunsten eines freiwilligen Berufsheeres auszusetzen. Auch die neutrale Schweiz beginnt ernsthaft über eine Abschaffung zu diskutieren. Österreich stellt eines der letz­ten EU-Länder dar, in denen die allgemeine Wehrpflicht für Männer noch in Kraft ist.

Laut dem jüngsten Artikel in der Kronenzeitung Ausgabe Nr. 18.116 vom 5. Oktober 2010 ist nunmehr auch Bürgermeister Häupl zur Erkenntnis gelangt, dass eine Volksbefra­gung über den Weiterbestand der Wehrpflicht sinnvoll wäre angesichts der geänderten Rahmenbedingungen für Österreich durch seine Lage inmitten der EU und des Schen­genraumes liegt und der Tatsache, dass es bereits in den meisten Ländern Europas Berufsheere gibt bzw. die Umstellung im Gang ist.

Ebenso ließ SPÖ-Klubobmann Cap im Morgenjournal vom 5. Oktober 2010 aufhor­chen, indem er die Idee zu einer Volksbefragung über die Wehrpflicht für klug hält, al­lein im Interesse vieler Jugendlicher, die keine Wehrpflicht absolvieren wollen. Cap führt


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