Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 295

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p.A. OGH-Präsidium

Justizpalast, Schmerlingplatz 10-11

1016 Wien

Tel.Nr.: +43(0) 6765081005

Herrn Dr. Josef CAP

Obmann des Klubs der sozialdemokratischen Abgeordneten zum Nationalrat

Herrn Karlheinz KOPF

Obmann des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei

Herrn Heinz-Christian STRACHE

Obmann des Freiheitlichen Parlamentsklubs

Frau Mag. Dr. Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK

Obfrau des Grünen Klubs im Parlament

Herrn Josef BUCHER

Obmann des Parlamentsklubs des BZÖ

durchwegs Parlament, Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien                                                                                                                                                          

                                                                                                                   Wien, am 29. September 2010

Sehr geehrte Frau Dr. Glawischnig,

sehr geehrte Herren Klubobmänner!

Betrifft: Art. 52 B-VG – Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltschaftlichen Ermitt­lungs­verfahren im Abgängigkeitsfall Natascha Kampusch

Das vorliegende Schreiben fällt mir nicht leicht, als ehemaligem Staatsanwalt und auch im Ruhestand mit der Justiz bleibend verbundenem Richter sogar extrem schwer, aber das Gewicht und die grundsätzliche Bedeutung der zum Entführungs- und Abgängig­keitsfall Natascha Kampusch im Bereich staatsanwaltschaftlicher Verantwortung praktizierten atypischen, sachlich nicht nachvollziehbaren Vorgangsweisen und die in diesem Zusammenhang leider gemachte Erfahrung, dass eine sachdienliche ressortinterne Abhilfe auch in oberster Ebene nicht zu erwirken war, machen es mir mit Blick auf Art. 52 B-VG zur Pflicht, die Führungsverantwortung der Klubs der im Parla­ment vertretenen Parteien entsprechend zu informieren. Dies umso mehr als man nach allem, was dazu bekannt wurde, nicht umhin kann, den tragischen Selbstmord von Polizeioberst Franz Kröll, des früheren Leiters des Landeskriminalamtes Steiermark und zuletzt führenden Ermittlers der mit dem „Fall Kampusch“ betrauten operativen Sonderkommission des Bundeskriminalamtes, als Verzweiflungstat zu verstehen, die nicht unwesentlich durch eine unverständlich beharrliche Resistenz der staatsanwalt­schaftlichen Ermittlungsleitung gegenüber sicherheitsbehördlichem Ermittlungsfort­schritt entscheidend mitausgelöst wurde.

Vorweg: Ginge es allein um ein Opfer, das im Alter von 10 Jahren – damals erwie­senermaßen gegen seinen Willen – entführt wurde und in der Folge unter Bedin­gungen zu einer jungen Frau heranwuchs, die mit normaler Kindheit nichts zu tun hat­ten, wären die strafrechtliche Seite des Falls mit dem Ableben des vom Opfer bezeich­neten angeblichen Alleintäters abgeschlossen und Opferinteressen an einem ehest­möglichen Abklingen belastender Kindheitserfahrungen uneingeschränkt zu respek­tieren. Was in der Folge angesprochen wird, ist das – auch wirksamen Opferschutz ein­schließende – öffentliche Interesse an sachkompetenter und pflichtgemäßer Wahr­nehmung staatsanwaltschaftlicher Verantwortung, das insbesondere im Bereich kapitaler Delinquenz akzentuiertes Gewicht hat und es vorliegend nicht zulässt, mit Stillschweigen darüber hinwegzugehen, was im Folgenden aufgezeigt wird.

 


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