Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 296

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Die fachlich plausibel nicht zu erklärenden Besonderheiten des staatsanwalt­schaft­lichen Ermittlungsverfahrens zum sog. Fall Kampusch liegen:

1.) in einer konsequenten und beharrlich fortgesetzten Vernachlässigung ent­schei­dender polizeilicher Ermittlungsergebnisse, insbesondere der Angaben der einzigen unbeteiligten Tatzeugin Ischtar Rahel Akcan, die nach dem Inhalt der polizeilichen Ermittlungsakten in der Zeit vom 3. März 1998 bis 31. August 2006 bei insgesamt sechs aktenkundigen Befragungen durch Beamte unterschiedlicher Sicher­heitsbehörden durchwegs mit Bestimmtheit bekräftigte, beim Zugriff auf das Tatopfer zwei männliche Täter (neben dem handanlegenden Gewalttäter – gleich­zeitig – auch einen am Fahrersitz wartenden und in der Folge das Fahrzeug lenkenden Komplizen) wahrgenommen zu haben. Obwohl die Angaben der Tatzeugin seit teilweise länger als acht Jahren aktenkundig waren, wurde das Anwesen des Wolfgang Priklopil in Straßhof auf der Basis allein der Opferangaben über nur einen (am 23. August 2006 aus dem Leben geschiedenen) Entführer justiziell umgehend zur teilweisen Räumung freigegeben und das Ermittlungsverfahren (zunächst bereits) nach wenigen Wochen finalisiert. Dass im Anwesen des Nachrichtentechnikers Wolfgang Priklopil in der Folge keine wie immer geartete elektronische telekommunikative Aus­rüstung, insbesondere auch kein einschlägiges Speichermaterial, gefunden wurde, musste daher nicht verwundern. Auf derselben Linie lag es, dass es von staats­anwaltschaftlicher Seite unter anderem auch nicht der Mühe wert befunden wurde, die (später als aussagerelevant verifizierten) Ergebnisse einer Rufdatenrückerfassung, die hinsichtlich sichergestellter Mobiltelefone angeordnet worden war, überhaupt nur zu sichten, geschweige denn auszuwerten.

2.) in der langfristigen Verzögerung beziehungsweise bis zuletzt gänzlichen Unter­lassung nachhaltigst indizierter wesentlicher Ermittlungsschritte, deren entscheidende Bedeutung von allem Anfang an auf der Hand lag und die am 30. April 2008 im Bundesministerium für Inneres bei einer Besprechung detailliert erörtert wur­den. An dieser ermittlungsstrategischen Besprechung, die über Initiative der Evaluie­rungskommission des Bundesministeriums für Inneres zustande kam, nahmen als führende Vertreter der Oberstaatsanwaltschaft Wien deren Leitender Oberstaats­anwalt Dr. Werner Pleischl und einer seiner Vertreter, für die Staatsanwaltschaft Wien deren Leitender Staatsanwalt Dr. Otto Schneider und der den konkreten Fall bearbeitende Staatsanwalt Mag. Hans-Peter Kronawetter, ferner die Mitglieder der Evaluierungskommission (mit Ausnahme des damals verhinderten Kommissions­vorsitzenden) und Beamte des Bundeskriminalamtes teil. Bei dieser Besprechung wurde den staatsanwaltschaftlichen Verantwortungsträgern die Videoaufzeichnung der unter Beiziehung der Tatzeugin durchgeführten Tatrekonstruktion präsentiert und jedem von ihnen ein (unter führender Mitwirkung von Oberst Franz Kröll erstelltes) Kompendium wesentlicher Aktenteile ausgefolgt. Nach dem einvernehmlichen Be­sprechungsergebnis sollte das Ermittlungsverfahren demnach mit der Bildung eines aus Vertretern der Staatsanwaltschaft Wien und des Bundeskriminalamtes zusam­mengesetzten Teams wieder aufgenommen, dieses Vorhaben jedoch vorerst staatsanwaltschaftlich der damaligen Justizministerin berichtet werden. Noch im Zuge dieser Sitzung wurde die staatsanwaltschaftliche Seite darüber informiert, dass (ua auch) Oberst Kröll für das ins Auge gefasste Ermittlungsteam von sonstigen Aufgaben freigestellt werde. Nach wochenlangem Zuwarten auf die angekündigten staats­anwaltschaftlichen Veranlassungen zu der in Aussicht genommenen Teambildung musste durch entsprechende Nachfragen (bei der Oberstaatsan­walt­schaft Wien und beim Bundesministerium für Justiz) in Erfahrung gebracht werden, dass die Staats­anwaltschaft Wien und die Oberstaatsanwaltschaft Wien entgegen dem einver­ständlichen Besprechungsergebnis vom 30. April 2008 (und ohne jedwede Infor­mation für die fallspezifisch bereits freigestellten Beamten des Bundeskriminalamtes)


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