Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll81. Sitzung / Seite 315

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zu stellen, deren inhaltlicher Ablauf für jeden, der die tatsächlichen Ermittlungs­ergebnisse kannte, unverständlich war. In den Folgemonaten äußerte Oberst Kröll immer wieder Selbstvorwürfe in der Richtung, das negative Endergebnis des Ermittlungsverfahrens zum „Fall Kampusch“ verschuldet zu haben, bis er sich letztlich am 25. Juni 2010 mit einer alten Dienstpistole das Leben nahm.

Schlussbemerkung

Wie eingangs erwähnt fällt es mir nicht leicht, dieses Schreiben an Sie, sehr geehrte Frau Dr. Glawischnig, und Sie, sehr geehrte Herren Klubobmänner der Parlaments­parteien, zu richten. Es widerstrebt mir massivst, als der Justiz nach wie vor engst verbundener ehemaliger Verantwortungsträger mit den vorstehenden Ausführungen dazu beizutragen, dass mein früheres berufliches Umfeld in ein negatives Licht gerückt wird. Dies umso mehr als es die Gesamtheit der in richterlicher und staats­anwaltschaftlicher Funktion regelmäßig und überwiegend ausgezeichnete Arbeit leistenden Kollegenschaft ist, die erfahrungsgemäß vorschnellen Vorurteilen und unge­recht­fertigten Generalisierungen ausgesetzt ist.

Was hier jedoch aus dominierendem öffentlichem Interesse aufgezeigt werden musste, ist die fachlich nicht nachvollziehbare Pflichtverweigerung führender staatsan­walt­schaftlicher Verantwortungsträger und das Scheitern des Versuchs, die nach Lage des Falles gebotene Abhilfe an insoweit oberster Verantwortungsebene zu erwirken. Defizite einer Justiz, in der es möglich ist, dass im Bereich der Kapital­delinquenz Beweisgrundlagen von (isoliert betrachtet wie auch kontextbedingt) schla­gender Qualität (aus welchen Gründen auch immer) solange mit methodischer Beharr­lichkeit unter den Tisch gekehrt werden, bis sich ein damit konfrontierter vorbildlich pflichtbewusster Beamter aus Resignation und Frustration gezwungen sieht, seine Ermittlungsbemühungen im Sinn übergeordneter Weichenstellungen zu finalisieren und sich in der Folge mit Selbstvorwürfen soweit unter Druck zu setzen, dass er keinen anderen Ausweg als den Freitod sieht, während es exponierten Verdachtsträgern mit jahrelanger tatenloser Duldung von staatsanwaltschaftlicher Seite ermöglicht wird, mögliche Beweisgrundlagen zu neutralisieren und vorgebrachte Exkulpierungs­varian­ten ohne jede Nachteilsfolgen nach Belieben und nach jeweils aktuellem Bedarf zu adaptieren, können nicht mit Stillschweigen übergangen werden.

Hinzuzufügen ist, dass jene justiziellen Erfahrungen, die der Vorsitzende der Evaluie­rungskommission, Präsident des Verfassungsgerichtshofes i.R. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Adamovich, bisher im Zusammenhang mit dem von der Mutter der Natascha Kampusch gegen ihn angestrengten Privatanklageverfahren machen musste, nicht geeignet sind, zu gesteigertem Vertrauen in die aktuelle justizielle Strafrechtspflege zu ermutigen. Dass er in erster Instanz (wenn auch noch nicht rechtskräftig) von einer Richterin, die die Tochter des in führender Mitverantwortung im Ermittlungsverfahren zum „Fall Kampusch“ tätig gewesenen (inzwischen in den dauernden Ruhestand übergetretenen) Leiters der Staatsanwaltschaft Wien ist und deshalb im unmittelbaren Umfeld gesetzlicher Ausgeschlossenheit (§ 43 Abs 1 Z 1 StPO) jedenfalls im Interesse der gebotenen objektiven Anscheinsvermeidung zur Erklärung ihrer Befangenheit ver­pflichtet gewesen wäre, am 24. Dezember 2009 (!) des Vergehens der üblen Nachrede schuldig erkannt wurde, kann zwar naturgemäß nicht in der Verantwortung der Bundesministerin für Justiz liegen, fügt sich aber nach Maßgabe der dieses Urteil und das vorangegangene erstinstanzliche Verfahren prägenden Modalitäten nahtlos in die Fassungslosigkeit, die eine fachkundige Nachbetrachtung des gesamten Ermittlungs­komplexes auslösen muss. Vor dem Hintergrund der oben nur angerissenen Ermitt­lungsergebnisse beurteilte die Erstrichterin in fugenloser Anknüpfung an das staats­anwaltschaftliche Fallengagement im Hauptverfahren (bei gleichzeitiger Abweisung von Beweisanträgen) die „Feststellungen zur Entführung und Gefangenschaft der


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