Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll88. Sitzung / Seite 14

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9.31.21

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Morgen jährt sich zum zweiten Mal der Jahrestag der Angelobung dieser Bundesregierung (Abg. Ing. Westenthaler: Ein schwarzer Tag!), und ich hätte eigentlich erwartet, dass diese Regierungsumbildung auch zum Anlass genommen wird, einen Vorausblick auf die Reformen zu geben, die noch vor dieser Bundesregierung liegen, diesem Hause eine gewisse Bilanz zu liefern, was bis jetzt erreicht wurde und was bis jetzt nicht erreicht wurde.

Stattdessen haben wir seit gestern etwas Bemerkenswertes beobachten können, und das war jetzt auch in den Ausführungen von Kollegem Cap offenkundig: Diese Regierung ist offensichtlich die personifizierte Reformverweigerung, nämlich unter­einander. Der Finanzminister sagt, er hätte ja ganz etwas anderes gewollt, er hätte viel mehr gewollt, aber in dieser Konstellation sei einfach nicht mehr möglich. Und der Kollege Cap geht heraus und sagt, er hätte auch ganz etwas anderes gewollt.

Ich glaube, da fragt man sich als Bürger schon, wenn man sich die ganze Latte der Problemfälle in diesem Land ansieht, von der Gesundheitsreform über die Schulreform, über die Pensionsreform, über die Pflegeproblematik, wo da wirklich Ihre Prioritäten sind. Liegen sie darin, sich gegenseitig zu behindern und zu blockieren, in ideo­logi­schen Streitigkeiten, in Streitigkeiten um Kompetenzen und um Macht? – Oder haben Sie irgendwann einmal daran gedacht, dass Sie eigentlich im Amt sind, um Lösungen und Reformen auf den Tisch zu legen, dass das Ihre Verpflichtung ist? (Beifall bei den Grünen.)

Angetreten sind Sie mit dem Satz: Genug gestritten!, soweit ich mich erinnern kann, aber ich glaube, diese Ansage hat sich mittlerweile mit gestern und heute erledigt.

Ich möchte trotzdem kurz die wichtigen Bereiche, die noch offen sind, noch einmal näher beleuchten. (Abg. Neubauer: Sie haben aber nur mehr 5 Minuten!) Ich habe leider nur 6 Minuten Zeit, das war ein sehr berechtigter Einwand. Deswegen kann ich nicht auf alles eingehen, aber auf die wesentlichen Dinge möchte ich mich konzen­trieren.

Das Budget ist ja nur ein letzter Baustein in dieser gegenseitigen Reformblockade. Das Budget ist das in Zahlen gegossene sich gegenseitige Blockieren, wenn man das so bezeichnen möchte, weil es so offenkundig wird, dass man bei gewissen Dingen nicht den Mut hatte, Fehler einzugestehen oder gemeinsam in eine Richtung zu gehen. Das beste Beispiel sind die sogenannten Abfederungen, die Sie dieses Wochenende noch vorgestellt haben.

Anstatt einzugestehen, dass es vollkommen falsch und niemandem zu erklären ist, dass man bei Mehrkindfamilien spart, dass man ihnen die Zuschläge kürzt, bleiben Sie einfach auf dieser Ihrer Position, weil Sie zu feige sind, einzugestehen, dass Sie etwas falsch gemacht haben.

Ähnlich ist es bei den Studierenden, wo der Bezug der Familienbeihilfe von 26 auf 24 herabgesetzt wird, durchlöchert jetzt mit ich weiß nicht wie viel Hundert Ausnahmen – ein bürokratisches Monster, das hier geschaffen wird, um nachzuprüfen, ob jemand zwischen 24 und 26 noch Bezieher/Bezieherin der Familienbeihilfe sein kann.

Das ist Ihre Unfähigkeit, mit Fehlern umzugehen, und ich finde es sehr schade, dass Sie jetzt bei dieser Budgetentscheidung einen Weg gegangen sind, den man nur als den Weg des geringsten Widerstandes bezeichnen kann, nämlich sich das Geld bei den Menschen zu holen, die am schwächsten sind, die sich am wenigsten zur Wehr setzen können.

 


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