Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll124. Sitzung / Seite 164

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men passiert? Was ist dort vorgefallen? Welche Opfer gibt es zu beklagen? Aber auch: Wo liegt die politische Verantwortung? Wo sind die politischen Verantwortungsträger? Und gibt es nicht auch eine politische Verantwortung dieses Parlaments, des Hohen Hauses, das seiner politischen Verantwortung hätte nachkommen müssen, aber das offensichtlich auch nicht getan hat? – Meine Damen und Herren, das muss heute hier auch thematisiert werden.

Es ist viel von richtiger Ausbildung gesprochen worden, auch im Antrag der Grünen, von der richtigen Pädagogik, von den fehlenden Ausbildungsplänen. Und in diesem Zusam­menhang muss man auch die Frage stellen, was mit der Ausbildung von Erziehern, von Menschen ist, die mit kleinen Kindern zu tun haben und dafür verantwortlich sind, kleine Kinder ins Leben zu begleiten?

Meine Damen und Herren! Es gibt schwere Vorwürfe, erschreckende, erschütternde Vorwürfe, die heute und in den letzten Tagen das Licht der Öffentlichkeit – Gott sei Dank – erblickt haben. Es gibt Opfer, die oft nach Jahrzehnten ihr Schweigen brechen und zu reden beginnen. Es sind, wie gesagt, schwere Vorwürfe, die da zutage treten. Es gibt Schilderungen von sexuellem Missbrauch, von Gewalt, von schwarzer Pädagogik, die angewendet wurde, von schwerer seelischer und körperlicher Folter bis hin zum Vorwurf der Sklaverei und Kinderprostitution. Das Kinderheim am Wilhel­minenberg ist das Symbolbild für diese Zustände. Und es gibt eine klare politische Verantwortung für diese Zustände, die heute hier auch thematisiert werden muss.

Meine Damen und Herren von der SPÖ, Sie müssen sich fragen, ob Sie Ihrer politischen Verantwortung nicht nur in der Stadt Wien, sondern auch auf Bundesebene in diesem Bereich nachgekommen sind oder ob Sie nicht zu Beitragstätern von Mördern an Kinderseelen geworden sind. (Beifall beim BZÖ. – Ruf bei der SPÖ: Geh, hör auf! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Grosz – in Richtung SPÖ –: Ihr habt das bei der Kirche jetzt monatelang gemacht, jeder Pfarrer war ein Schwer­verbrecher! Jetzt hört euch das auch einmal an!)

Ihre Aufregung zeigt nur, dass Sie da massiven Aufklärungsbedarf haben! Ich kann das auch begründen.

Eine Abgeordnete aus Ihren Reihen, die Abgeordnete Irmtraut Karlsson, hat bereits im Jahr 1974 einen Bericht vorgelegt mit dem Titel „Verwaltete Kinder“, in dem sie diese Missstände aufgedeckt hat. Ich will heute hier wissen und stelle auch einen entsprechenden Antrag: War dieser Bericht der Parlamentsfraktion der SPÖ bekannt? Hat sich das Parlament damit auch beschäftigt, oder hat auch der Parlamentsklub der SPÖ in den siebziger Jahren bewusst weggesehen?

Was steht in diesem Bericht der ehemaligen SPÖ-Abgeordneten Karlsson? – Sie schreibt darin, dass es totalitäre Institutionen der Stadt Wien gewesen sind, die es da gegeben hat, wo ein – Zitat – „derartiges Ausmaß von Zerstörung der Individuen und von Inhumanität vorhanden“ sei, dass man in 14 Fällen sogar nur mehr von „Kin­dergefängnissen“ sprechen könne. – Welch schreckliches, grausliches Wort und welch eine Schande, dass mit Steuergeld über die Stadt Wien Kindergefängnisse finanziert wurden, wo mittlerweile eine immer größere Opferzahl zu beklagen ist.

Wir als Parlament haben die Aufgabe und die Pflicht, uns dieser Kinder anzunehmen und hier auch parlamentarische Aufklärungsarbeit zu leisten, denn Frau Karlsson sagt weiter: „Es war alles bekannt. Es hat nur niemanden interessiert.“ (Zwischenruf beim BZÖ.) – Heute ist der Tag, an dem sich auch das Hohe Haus dafür zu interessieren beginnen muss. Diese Kinder, diese verletzten Kinderseelen haben ein Recht darauf, spät, aber doch Gerechtigkeit zu erfahren und auch eine entsprechende finanzielle Entschädigung zu bekommen.

 


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