Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 72

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heit bei der Mehrheit der Staaten ergeben haben. Das ist eine Art Minderheitenschutz innerhalb der Union.

Die Bürgerinitiative auf europäischer Ebene ist sicher eine gute Sache und wird für eine bessere Wahrnehmung von Bürgerrechten in der Union sorgen können. Aber, meine Damen und Herren, sie steht in einem geradezu schrillen Kontrast zur der­zeitigen Entwicklung der europäischen Demokratie, nämlich zur Aushöhlung der europäischen Demokratie, die jetzt schon seit mindestens drei Jahren anhält. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Ing. Hofer.)

Ich meine in erster Linie das, was man vornehm als die Zunahme der intergovern­mentalen Methode bezeichnet und was man weniger vornehm schlicht als deutsch-französisches Kartell bezeichnen muss. Auf diese Art kann Europa auf Dauer nicht regiert werden!

Herr Kollege Wittmann! Ich habe mit Erstaunen gehört, wie Sie sich – er ist jetzt gerade nicht im Saal – für die Bedeutung der kleineren Länder innerhalb der Union eingesetzt haben. – Ja, eh. Hier hätten Sie einen Ansatzpunkt! Genau das ist es ja, dass das deutsch-französische Kartell momentan die Entwicklung bestimmt: Spaziergänge am Meer von Merkel und Sarkozy, dann lesen wir in der „Financial Times“, was sie ausgemacht haben, und einige Zeit später erfahren wir es vielleicht auf offiziellem Wege – und das, wie mir vonseiten einzelner Ministerien durchaus glaubhaft versichert wurde, nach dem Motto: Bitte reg dich nicht so auf, dass du noch keine Informationen bekommen hast, wir haben die Informationen auch erst in der Sitzung des Rates als Tischvorlage erhalten! – So wird im „Merkozy“-System Europa regiert!

Aber das Schlimmste sind diese hybriden Konstruktionen, zuletzt im Fiskalpakt, vorher im EFSF, künftig im ESM, wo über völkerrechtliche Verträge etwas vereinbart wird, aber unter Nutzung – ich sage: unter missbräuchlicher Nutzung! – europäischer Institutionen (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ): Einbindung der Europäischen Kommission auf eine Art, die de facto auf eine Degradierung der Kommission hinausläuft, und vor allem immer unter völliger Ausschaltung des Euro­päischen Parlaments. Das ist momentan die Entwicklung der europäischen Demo­kratie: weg von den Grundregeln der Demokratie hin zur zunehmenden Macht der Regierungschefs! Und naturgemäß, muss man fast sagen, ist es nicht der öster­reichische Regierungschef (Beifall des Abg. Dr. Fichtenbauer), sondern das deutsch-französische Kartell, zu dem sich diese Entwicklung bewegt.

Ich glaube nicht, dass wir uns das länger bieten lassen sollten, sondern ich meine, wir österreichischen Abgeordneten sollten uns hier im österreichischen Parlament ein Beispiel nehmen – ich sage es nur ungern – am Selbstbewusstsein des Deutschen Bundestages. Ich sage es nur ungern, weil ich immer ungern das deutsche Vorbild zitiere. (Abg. Rädler: Warum?) Aber in diesem Fall tue ich es gern.

Der Deutsche Bundestag hat sich im Rahmen des EFSF Rechte vorbehalten, von denen das österreichische Parlament nur träumen kann, Herr Kollege. In Österreich ist der EFSF am Parlament de facto völlig vorbeigegangen. Hier geht es um Milliarden, wie die FPÖ nicht müde wird zu betonen; es stimmt ja auch ausnahmsweise. Das war eine Zahl im Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, die einmal erhöht worden ist.

Im Deutschen Bundestag ist das ein eigenes Gesetz – ein eigenes Gesetz, wo sich der Bundestag noch das Recht ausbedungen hat, im Einzelfall seine Genehmigung zu erteilen. Am letzten Montag, also vorgestern, war im Deutschen Bundestag die Abstim­mung über das zweite Griechenlandpaket aufgrund dieses Gesetzes. Interessan­terweise hat Kanzlerin Merkel innerhalb ihrer Regierungsfraktion keine Mehrheit bekommen, aber sie hatte die Mehrheit für das Paket mit den Stimmen von SPD und Grünen.

 


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