Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll144. Sitzung / Seite 126

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Das ist jedenfalls, unabhängig von aller Kritik an Schwarz-Blau, eine unzulässige Äußerung. Das steht außer Frage. Die entscheidende Frage ist aber: Braucht man dafür das Gesetz? Ist für diesen Fall das Gesetz gemacht: Ja oder nein? Das ist meine Frage.

Wenn ja, dann sage ich Ihnen Folgendes: Der Clou ist, gegen diesen Kommunal­politiker wird bereits ermittelt. Das heißt aber, wenn gegen diesen Kommunalpolitiker mit dieser Ansage bereits ermittelt wird, dann sehe ich nicht, wen Sie mit der erweiter­ten Gefahrenerforschung für Einzelpersonen da noch ins Visier nehmen wollen. Sie haben sämtliche rechtliche Handhabe, und die Erweiterung ist schlicht und einfach nicht argumentierbar, Frau Innenministerin.

Das Sicherheitspolizeigesetz leidet an einem massiven Rechtsschutzdefizit, und der Zwillingsbruder oder die Zwillingsschwester des Rechtschutzdefizits ist der Miss­brauch, die Missbrauchsgefahr.

Meine Damen und Herren, als ich im Innenausschuss auf die Missbrauchsgefahr hingewiesen habe, war folgende Reaktion. Da hat man gesagt: Nein, man soll nicht immer davon ausgehen, dass die Polizei die Gesetze falsch anwendet. – Das ist nicht der Zugang. Auch bei einem Strafgericht gibt es in erster Instanz eine Berufungs­möglichkeit. Keiner geht davon aus, dass ein Strafrichter das Gesetz grundsätzlich falsch anwendet. Das ist das Wesensmerkmal eines entwickelten Rechtsstaates, und dieses Wesensmerkmal fehlt beim Sicherheitspolizeigesetz. Der Rechtsschutz ist massiv unterentwickelt.

Ein Beispiel, wieder eine Verschärfung in diesem Gesetz: Die Handyortung wird ausgebaut, das heißt die Ermittlung der Standortdaten. Bisher war das möglich, wenn der Verdacht auf Suizid gegeben war. In Zukunft wird die Abfrage bereits dann möglich, wenn ein Verdacht auf Suizidrisiko gegeben ist, plus es dürfen auch noch die Standortdaten von Begleitpersonen ermittelt werden.

Und jetzt ist der springende Punkt folgender: Da wird immer argumentiert, das sind wichtige Punkte, damit man in diesem Fall weiß, wo sich die Personen aufhalten. Ich frage Sie aber: Warum ist im Gesetz keine Verständigungspflicht der Betroffenen vorge­sehen? Wenn die Personen geortet und gefunden wurden, warum informiert man sie nachher nicht, dass ihre Standortdaten abgerufen worden sind? Das ist ja der klassische Rechtsschutz, damit der Betroffene feststellen kann, ob das Gesetz missbraucht wird oder nicht. All das kennt das Gesetz nicht.

Und das ist kein Einzelfall. Bei sämtlichen Überwachungsmaßnahmen fehlen die Rechtsschutzmöglichkeiten und die Verständigungspflichten. Ich erinnere an den Tierschützerfall, wo auch verdeckte Ermittler eingesetzt wurden. Die Betroffenen sind nicht informiert worden. Die haben das nie erfahren, geschweige denn die Recht­mäßigkeit überprüfen können. Durch Zufall sind sie im Prozess draufgekommen, aber das ist nicht die Qualität eines entwickelten Rechtsstaates.

Und diese Defizite werden nicht behoben, sondern die werden mit dem Ausbau des Sicherheitspolizeigesetzes verschärft, weil es immer mehr Möglichkeiten gibt, aber der Rechtsschutz bei diesem Gesetz nicht erweitert wird.

Der wichtigste Punkt in diesem Gesetz, wenn die erweiterte Gefahrenerforschung aus­gebaut wird, ist die Frage: Wie wird rechtlich jene Situation betreut, in der der Betrof­fene nicht weiß, dass er überwacht wird?

Das ist bei uns wiederum völlig unterentwickelt. Da gibt es den Rechtsschutz­beauf­tragten, der schon einmal das Defizit hat, dass er institutionell am Innenministerium angebunden ist. Da braucht man in Wirklichkeit ein viel zeitgemäßeres Rechts­schutz­regime.

 


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