Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll207. Sitzung / Seite 119

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Herr Staatssekretär, man hat manchmal das Gefühl, es ist uns unangenehm, darüber zu reden. Warum ist es uns unangenehm? Wir können doch stolz darauf sein, dass wir unsere dunkle Vergangenheit aufgearbeitet haben, dass heute kein vernünftiger Mensch mehr behaupten würde, dass all die Dinge, die in der Zeit des Nationalso­zialismus auch auf österreichischem Boden und auch durch Österreicher verübt wur­den, durch irgendetwas zu rechtfertigen wären! Niemand wird das heute mehr behaup­ten können, und wenn das doch jemand tut, dann gibt es, wie schon gesagt, eine klare strafrechtliche Konsequenz. Wieso tun wir uns dann so schwer, das auf der anderen Seite auch einzumahnen?

Ich sage Ihnen, da tragen wir auch als Österreicher Verantwortung, denn der Umgang mit den Sudetendeutschen – das wird ja auch verschwiegen! – durch das offizielle Ös­terreich war 1945 in Wirklichkeit auch nicht sehr fein. Wenn Sie sich die alten Proto­kolle von Regierungssitzungen damals ansehen, wo es so weit gegangen ist, dass man überlegt hat, die sowjetische Besatzungstruppe aufzufordern, die sudetendeut­schen Flüchtlinge wieder zurückzuschicken, dann zeigt das, dass wir heute eine be­sondere Verantwortung tragen, uns für diese Menschenrechte einzusetzen.

Ich sage Ihnen auch ganz klar und deutlich: Als es damals darum gegangen ist, den EU-Beitritt von zehn zusätzlichen Ländern, unter anderem auch der Tschechischen Republik, zu unterstützen, war es eine Bedingung von uns und auch das Versprechen des damaligen Bundeskanzlers Schüssel, dass man dann, wenn diese Länder Mitglied der Europäischen Union sind, beim Europäischen Gerichtshof eine Klagslegitimierung hat, um diese Verfassungsbestände zu beseitigen.

Herr Staatssekretär, was ist in diesen zehn Jahren passiert? Sie haben sich ja zu Wort gemeldet. Das würden wir gerne hören. Es geht nur darum, dass es klar sein sollte. Egal, welcher politischen Richtung man angehört, Menschenrechte können doch nicht teilbar sein! Die Europäische Union gibt sich immer als Wertegemeinschaft, als Men­schenrechtsunion. Da kann man doch nicht akzeptieren, dass in der Verfassung von Mitgliedsländern dieser Menschenrechtsunion derartige Punkte enthalten sind und dass diese Dinge bei Wahlkämpfen in der öffentlichen Diskussion noch einmal bestä­tigt werden!

Das ist eine Rechtfertigung für die Ermordung von 300 000 Menschen, für die Vertrei­bung von 3 Millionen Menschen, von Unschuldigen, von Frauen und Kindern – und das heute noch, im 21. Jahrhundert! Meine Damen und Herren, nur darum geht es uns. Es ist gut, dass es jetzt dazu einen fast einvernehmlichen Antrag gibt. Das ist ein wichti­ges Signal. Wir sollten uns darin nicht verschweigen. Es geht nicht um Restitution, sondern es geht ganz einfach um späte Gerechtigkeit. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

14.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Lopatka zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.32.34

Staatssekretär im Bundesministerium für europäische und internationale Angele­genheiten Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe angesichts des Leids und des Unrechts durchaus Verständnis für die Emotionen. Allerdings – um das auch ganz direkt zu sagen – sind bei bilateralen Ver­handlungen Emotionen nicht die richtige Begleitung, sondern da muss es uns darum gehen, Fortschritte zu erzielen, und das ist ein hartes Ringen.

Die Frage ist schon mehrmals gestellt worden – und das ist auch richtig so –: Was ist passiert? Ich war erst vor zwei Wochen, konkret am 31. Mai, in Tschechien, um diese und andere Fragen mit meinem Gegenüber zu besprechen. Sie wissen es, wir haben diese Historikerkommission eingesetzt und sind jetzt in der Situation, eine Finanzierung


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