Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll218. Sitzung / Seite 72

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man abwarten, bis der Herr Neugebauer geredet hat, und sich nachher melden. Aber das lernt man vielleicht auch noch hier herinnen. Gut ist es auf jeden Fall, dass man Re­dezeiten nicht kaufen kann, und eine letzte Rede des Herrn Kollegen Neugebauer war ja angemessen.

Ich würde auch sagen, dass durchaus Respekt von unserer Seite für Sie da ist, vor al­lem in Ihrer Funktion als Nationalratspräsident. Das ist ja die Funktion, in der wir Sie besonders erlebt haben, vor allem auch deshalb, weil Sie eine sehr eloquente Art und Weise der Vorsitzungsführung ausgeübt haben, weil Sie sich eben nicht an manche Vorgaben gehalten haben, in denen genau drinnen steht, wann ein Ordnungsruf zu ge­ben ist, sondern dies in einer Form gemacht haben, die dem Hohen Haus sehr würdig war. Dafür gebührt Ihnen auch der Respekt der Grünen Fraktion. (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ.)

Die heutige Debatte betreffend wundert es mich ja, welche Mottenkisten in den letzten zwei, drei, vier Tagen wieder ausgepackt worden sind. Wir sehen auf einmal Wahlpla­kate, wo vom Zwangskindergarten ab dem ersten Tag die Rede ist. Damit wird eine Debatte geführt, die einen sehr realen Hintergrund hat, nämlich die Forderung nach ei­nem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr, denn wenn wir genau wissen, dass die Kinder, die zu diesem Zeitpunkt, zwischen vier und fünf Jahren, nicht im Kindergarten sind – ein sehr geringer Prozentsatz –, jene sind, die es am dringendsten bräuchten, dann sehen wir, dass das eine Form der Bildungsförderung wäre, ihnen eine Chance zu geben. Daraus eine Pflicht zu machen, wie Sie es argumentieren, halte ich für wirk­lich nicht legitim.

Der Unterschied zwischen einem Rechtsanspruch und einer Verpflichtung, im Übrigen bei ganztägigen Schulformen, könnte Ihnen auch bewusst werden. Es geht darum, dass jeder einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsschule hat. (Abg. Kopf: Frau Brandsteidl hat was anderes gesagt!) – Bin ich die Frau Brandsteidl? Warum plakatie­ren Sie Rot-Grün, wenn die Frau Brandsteidl irgendetwas redet, was niemand von den Grünen vertritt? (Abg. Kopf: Der Häupl auch!)

Das ist doch zutiefst unseriös. Das ist doch keine Form von seriöser Politik. Plakatieren Sie das, was reelle Sache ist, aber nicht irgendwelche Argumentationen! (Abg. Mag. Kog­ler: Plakatieren wir Ernst Strasser, wenn es so weitergeht! Karl-Heinz Grasser!)

Eine Ganztagsschule braucht es für jeden, der sie in Anspruch nehmen will. Das ist der Mindestaufwand. Und es ist nicht zumutbar, dass diejenigen, die eine Ganztagsschule brauchen, keine bekommen, weil irgendjemand darüber abstimmt, dass es das nicht geben soll.

Also Wahlfreiheit heißt: Es muss auch angeboten werden. Ich verstehe nicht, dass die ÖVP nach wie vor diese Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, verhin­dert. Es ist ja nicht die Forderung, dass jetzt überall in Österreich von einem Tag auf den anderen die Ganztagsschule flächendeckend eingeführt wird. Es ist die Forderung, dass es einen Rechtsanspruch gibt.

Und wenn der Herr Vizekanzler Spindelegger in Wahlkonfrontationen Bilder entwirft, dass man dann von acht Uhr in der Früh bis um sieben am Abend, glaube ich, in die Schule geht, wahrscheinlich in 50-Minuten-Einheiten, um halb elf das Mittagessen hi­neinschaufeln darf und sich sonst an Schulen nichts verändert, dann frage ich mich: In welcher Welt leben Sie? – Das Schuldbild, das modern vertreten wird, schaut anders aus. Und eine Ganztagsschule hätte doch genau die Chance, von diesen sinnlosen 50-Mi­nuten-Blöcken wegzukommen.

Jeder Bildungsforscher wird bestätigen, dass die siebte und achte Stunde in diesem Schulsystem weitgehend wertlos sind, weil in den Kopf einfach nichts mehr hineingeht, wenn man in 50-Minuten-Blöcken berieselt wird. Ich verstehe nicht, warum wir im


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