Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 83

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Eine ausdrückliche Ausnahme der österreichischen Bundesregierung, sich an die Ge­setze der Republik Österreich halten zu müssen, das würde ich Ihnen empfehlen, wenn Sie das so locker sehen, wenn es Ihnen so egal ist, wann ein Budget vorgelegt wird.

Ich möchte es jetzt noch einmal in aller Deutlichkeit ausführen, und ich möchte noch einmal in aller Deutlichkeit den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes und auch das Finanzministerium kritisieren für die Argumentation, die diese der Regierung zur Verfügung gestellt haben, die an alle Medien gegangen ist, mit der man sich versteckt und versucht, zu täuschen und zu tarnen und diesen Verfassungsbruch einfach weg­drückt. Ich möchte das noch einmal erklären. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Herr Vizekanzler Pröll, wie würden Sie das sehen: Auf Österreichs Autobahnen darf man maximal 130 Stundenkilometer fahren. In der Straßenverkehrsordnung sind selbstverständlich Konsequenzen vorgesehen für den Fall, dass man sich nicht an die­se Bestimmung hält, wenn man zum Beispiel 160 Stundenkilometer fährt. Trotzdem hat man natürlich die Möglichkeit, 160 auf der Autobahn zu fahren, aber man wird selbst­verständlich bestraft.

Die Tatsache, dass Sie keine Sanktionen zu befürchten haben, wenn Sie das Budget nicht vorlegen, entbindet Sie nicht von der Verpflichtung, ein solches vorzulegen – selbstverständlich nicht! –, genauso wenig, wie die Österreicherinnen und Österreicher nicht die Freiheit haben, die Straßenverkehrsordnung nicht einzuhalten. Würden Sie jetzt auch ein Verfassungsgutachten schreiben: Selbstverständlich, es kann jeder 160 Stun­denkilometer fahren, ist ja eh egal!?

Ich meine, Recht muss Recht bleiben. Wie oft haben Ihre Minister und Ministerinnen das in den letzten Wochen gesagt? Wie oft? (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

Es ist selten genug, dass sich alle Verfassungsrechtler einig sind, auch wenn man in die österreichische Geschichte blickt, aber diese Zehn-Wochen-Frist ist immer sehr ernst genommen worden. Es hat auch Regierungen gegeben, die zurückgetreten sind, weil diese Zehn-Wochen-Frist nicht eingehalten worden ist. Also, die Verfassung gilt für Sie nicht.

Herr Kollege Cap, Sie sagen, dass die Verfassung auch Alternativen, nämlich Notvor­schläge vorsieht, wenn die Regierung dieser Verpflichtung nicht nachkommt, denn dann muss selbstverständlich das Parlament einspringen. Das entbindet aber die Regierung noch lange nicht davon, diese Verpflichtung auch wahrzunehmen. Wie stellen Sie sich denn das vor? Gut, ein Budget ist wichtig, aber glauben Sie, dass ein Staat, eine Repu­blik ohne solche Notbestimmungen auskommen kann? Und Sie argumentieren mit die­sen Notbestimmungen in der Form, dass es deswegen wurscht ist, ob Sie es vorlegen oder nicht?! So einen Zynismus habe ich selten gehört!

Das ist eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Bestimmung. Punkt. Da gibt es über­haupt nichts zu diskutieren. Und dieser Zettel vom BKA gehört eigentlich in den Papier­korb, sage ich in aller Offenheit. (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

Die Verfassung zählt also für Sie nicht. Alle Bürgerinnen, alle Bürger sind an die Geset­ze gebunden, aber bei Ihnen ist es noch mehr: Sie sind auf die Verfassung vereidigt, nämlich Sie alle als Minister, wie im Übrigen auch wir als Abgeordnete. Auch Ihr Eid zählt nicht.

Dann gibt es noch die Unterschrift der Klubobleute. – Auch ihre Unterschrift zählt nicht. Was zählt denn noch gegenüber dem Parlament? Eid, Verfassung, Unterschrift? Vize­kanzler Pröll versucht es jetzt mit einem Versprechen – ein schlechter Versuch, ein äußerst schlechter Versuch. Von Ihnen sind wir einiges gewöhnt. Sie haben über Mo­nate geschworen: Read my lips, es wird zu keiner Steuererhöhung kommen, ich ver­spreche das. – Also, was ist jetzt in dieser Republik überhaupt noch etwas wert gegen­über dem Bürger und der Bürgerin? (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

 


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