Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung / Seite 60

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Präsident Karlheinz Kopf: Der von Herrn Abgeordnetem Alm eingebrachte Ent­schließungs­antrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Niko Alm, Kollegin und Kollegen

betreffend eine Überwachungsgesamtrechnung

eingebracht im Zuge der Debatte über den dringlichen Antrag der Abgeordneten Matthias Strolz, Waltraud Dietrich, Kollegin und Kollegen

betreffend "Stopp dem Überwachungsstaat: Gläserner Staat statt gläserne Bürgerinnen und Bürger“

Die Wirkung von anlassloser Massenüberwachung wird leider allzu oft unterschätzt, wie die Diskussion über die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdaten­speiche-rung und auch der Gesetzentwurf zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz zeigen. Dabei gibt es zahlreiche Studien, die schon länger "Chilling Effects", die "Schere im Kopf" und auch eine Deindividualisierungsthese belegen: Menschen, die sich überwacht fühlen – unabhängig davon, ob dies tatsächlich geschieht – versuchen, ihr Verhalten an das der Masse anzupassen. Massenüberwachung führt zur Selbstzensur und kann damit als psychologische Verletzung der Meinungsfreiheit gewertet werden. Diese Freiheit ist aber ein wichtiges Fundament unserer Gesellschaft. Sie ist für uns Bürgerinnen und Bürger elementar, denn um uns zu entfalten, brauchen wir Privatsphäre. Daher sind unsere Grundrechte und Freiheiten auch in unserer Verfassung und der Grundrechte­charta verbrieft.

Freiheit steht naturgemäß in einem konstanten Spannungsverhältnis zur Sicherheit. Auch diese ist wichtig, damit Bürgerinnen und Bürger ein erfülltes Leben führen können. Unsere Sicherheitsbehörden leisten dazu tagtäglich einen wichtigen Beitrag unter Nutzung eines sehr vielfältigen Bündels an Befugnissen zur Prävention, Ermitt­lung und Aufklärung von Verbrechen. Durch die fortschreitende technologische Entwick­lung werden sich überdies auch im Bereich der Überwachung immer mehr neue Möglichkeiten auftun. Aber: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch sinnvoll, zwingend notwendig oder mit unseren Grundrechten vereinbar. Sonst könnte man schon jetzt nahezu alle Aktivitäten der gesamten Bevölkerung umfassend und vollständig überwachen. Bei Maßnahmen, die die Freiheit der Menschen beschränken, sollte aber immer vorher geprüft werden, ob diese zur Problemlösung überhaupt notwendig und geeignet sind und auch, ob sie als Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen verhältnismäßig zu real existierenden Problemen stehen. Diese Abwägung hat in jedem Einzelfall und immer wieder auch nachträglich zu geschehen, um ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen und so insbesondere systematische Beschrän­kungen zu verhindern.

Wie weit wir in Österreich konkret sind, was Überwachung und die pauschale Ein­schränkung von Freiheitsrechten Menschen betrifft, weiß allerdings niemand so genau. Gesetze und Diskussionen über neue Ermittlungsmaßnahmen und Befugnisse finden statt, ohne dass vorher eine Gesamtübersicht des Ist-Zustandes erstellt wird, ge­schweige denn eine Evalulierung der bestehenden Maßnahmen und Befugnisse durchgeführt wird.

Diese "Überwachungsgesamtrechnung" ist aber elementar. Wo jede einzelne Maß­nahme für sich allein noch ausgewogen scheinen mag, kann eine Kombination aus mehreren schon zur Totalüberwachung und damit dazu führen, ein komplettes


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