Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll83. Sitzung / Seite 320

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anders. Jetzt wird genau dieser Weisungsrat Dauerzustand, und das Weisungsrecht bleibt beim Justizminister.

Das genau habe ich auch in einer anderen Rede gemeint, Herr Justizminister: Ihre Problemanalyse passt, und dann bleibt die Reform auf halbem Weg stecken. Sie haben heute gesagt, ich bin ein Freund der goldenen Mitte. Nur, Herr Minister, die goldene Mitte ist oft nur Mittelmaß und der Kompromiss nicht immer die beste Lösung. Genau das ist das Problem, denn wir haben jetzt die Situation, dass Sie das Problem sehr gut erkannt haben, aber jetzt mit einer Lösung kommen, die größtenteils am Problem nichts ändert.

Was ist das Problem am Weisungsrat, und warum löst er das Problem nicht? – Erstens: Der Weisungsrat ist zwar formal unabhängig, praktisch aber bereiten die Entscheidung des Weisungsrats die gleichen Beamten vor, die die Entscheidung des Ministers vorbereiten und die dem Minister unterstellt sind. Das heißt, eine strukturelle Unabhängigkeit jener Beamten, die die Entscheidung des Weisungsrats vorbereiten, von jenem Minister, den der Weisungsrat nach diesem Modell sozusagen kontrollieren soll, ist nicht gegeben.

Der zweite Punkt geht in die Richtung, dass man sagt, auch Einstellungen sind natürlich immer wieder Nährboden von Spekulationen, weil Einstellungen mindestens genauso emotional öffentlich diskutiert werden wie Weisungen. Jetzt ist das Problem, bei den Einstellungen muss der jeweilige Justizminister den Weisungsbeirat nicht beiziehen. Das ist nur eine Kann-Bestimmung. Er kann, muss ihn aber nicht beiziehen.

Jetzt kommt wieder das Problem auf den Weisungsrat zu. Er könnte natürlich, wenn er beigezogen ist, eine Entscheidung des Ministers auf Einstellung überprüfen, aber dazu müsste er, wie beispielsweise jetzt im Hypo-Verfahren, Millionen von Aktenseiten durcharbeiten. Insofern wird er wieder auf der gleichen Grundlage entscheiden wie der Minister – so, wie es vorbereitet war – und wird, wenig überraschend, zu einem ähnlichen Ergebnis kommen.

Dritter Punkt ist die Frage der Einflussnahme jenseits der formellen Weisungsketten. Wir wissen, dass es eine Vielzahl an Dienstbesprechungen gibt, wo die Spitzen der Justiz, Beamte et cetera, die dem Minister unterstellt sind, auf kleine Staats­anwäl­tInnen treffen und die gemeinsame Vorgangsweise besprochen und akkordiert wird. Ich sage gleich dazu – damit das nicht falsch verstanden wird –, das ist nicht gesetz­widrig und ist grundsätzlich erlaubt, legitim und macht in manchen Situationen auch Sinn. Aber in der Praxis ist es natürlich so, dass in solchen Situationen Druck ent­stehen kann. Und wenn ein Minister irgendwann einmal – nicht Sie, ich unterstelle Ihnen gar nichts – Einfluss auf die StaatsanwältInnen nehmen will, dann wird er das über diese Dienstbesprechungen machen, genau dort wird er den Druck ansetzen. Da braucht er weder Weisungen noch einen Weisungsbeirat, weil er über diese Dienst­besprechungen immer noch alle Möglichkeiten hat – und die hängen mit den formellen Weisungsketten zusammen, weil Sie ja weiter an der Spitze stehen –, Einfluss auf die StaatsanwältInnen zu nehmen.

Wenn wir uns jetzt anschauen: Ist die Anscheinsproblematik, das war ein Punkt, gelöst? – Nein, ist sie nicht, denn der Justizminister entscheidet weiter. Und wenn es eine strittige Einstellung oder eine Weisung gibt, dann wird weiter diskutiert werden. Ist der formelle Einfluss unterbunden? – Nein, ist er nicht, weil es weiter Dienstbe­sprechungen gibt. Ist der informelle Einfluss unterbunden? – Nein, weil der Minister nach wie vor die Spitze ist, und man richtet sich manchmal – nicht jeder – auch nach dem, was die Spitze will.

Alles in allem, würde ich sagen – wenn man freundlich ist –: eine Halbreform. Es ist schade, dass Sie sich nicht an das erinnern, was Sie als Strafrechtsprofessor und jung


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