10.31

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ): Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser heutige Tag ist tatsächlich ein Feiertag. Es ist ein Feiertag der parlamentarischen Demokratie, es geht um die Angelobung der Abgeordneten für eine neue Legislaturperiode.

Dieser heutige Tag steht, wie die Präsidentin gesagt hat, tatsächlich unter einem be­sonderen Stern, weil sich heute zum 79. Mal die Novemberpogrome jähren, welche die Nazis zynisch Reichskristallnacht genannt haben. Dies war der erste Schritt zur Mas­senvernichtung. Es gab Plünderungen und Ausschreitungen, und es gab 30 Tote. Die Ausschreitungen in Wien und in Innsbruck wurden, wie erzählt wird, mit besonderer Brutalität begangen. Daher denke ich, dass es uns gerade an diesem heutigen Tag zu Recht ein Anliegen ist, uns hier zu erinnern und zu gedenken, denn die Art und Weise, wie wir mit unserer Geschichte umgehen, bestimmt und definiert, in welcher Art von Zukunft wir leben wollen. Ich denke, es besteht ein Konsens, den wir alle miteinander vertreten sollten, dass die Zuspitzung zulasten anderer Menschen, dass die Ausgren­zung, dass die Suche nach Sündenböcken, dass Rassismus und die Mobilisierung nied­riger Instinkte in der Politik keinen Platz haben dürfen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und Liste Pilz.)

Wir starten heute in eine neue Legislaturperiode, aber es ist dies definitiv keine neue Ära des Parlamentarismus in Österreich. Regierungswechsel gehören nun einmal zur Normalität der Demokratie, und die Wähler erwarten zu Recht von uns allen, egal ob Regierung oder Opposition, dass wir zum Wohle unseres Landes zusammenarbeiten. Hier in diesem Haus schlägt das Herz der Demokratie, es ist ein Platz der Auseinan­dersetzung, der Konfrontation und ein Ort der leidenschaftlichen Diskussionen. Somit handelt es sich hier um das Gegenteil einer Sound-Bite-Politik, die sich ausschließlich auf Inszenierung stützt.

Für uns – und die Rollenverteilungen scheinen sich ja zunehmend abzuzeichnen – wird klar sein, dass wir hier in der Opposition die Regierungsarbeit zur Diskussion stellen, die Vorschläge und die politischen Konzepte hinterfragen, durch bessere Vorschläge ergänzen und auch ganz bewusst einen Gegenpol gegen die oberflächliche Inszenie­rung darstellen werden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wie notwendig und wie wichtig das ist, haben die vergangenen Tage im höchsten Maße gezeigt. Wir alle ha­ben die Regierungsverhandlungen verfolgt, und insbesondere war es auch interessant, die Stellungnahmen nach den Gesprächen zu beobachten: Ich war da und dort über­rascht sozusagen über die Innigkeit und die Intimität der Berichte über die Arbeitser­gebnisse, die zwischenzeitig vorliegen. Fast ist man versucht gewesen, zu sagen: Freunde, kauft euch eine Wohnung! (Abg. Kickl: Das ist unter Ihrem Niveau!) Sie wer­den das aber mit Sicherheit im Sinne eines konsensuellen Stils weiterbetreiben kön­nen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Sie suchen noch Ihren Stil!)

Für die FPÖ wird das eine interessante Geschichte werden. Ich bin davon überzeugt, Sie haben sich jetzt entschieden, sich mit der türkisen Braut ins Bett zu legen. Sie wis­sen aus der historischen Erfahrung: Manchmal muss man aufpassen, dass man nicht mit der schwarzen Witwe aufwacht. Sie werden das aber schon irgendwie machen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es steht aber fest, dass die Ausgangsvoraussetzungen in dieser Legislaturperiode so gut sind wie schon lange nicht mehr. Wir haben ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Pro­zent, wir sind damit deutlich besser als Deutschland. Wir sehen, dass die Arbeitslosig­keit zurückgeht, und wir haben Monat für Monat Beschäftigungsrekorde erzielt. Der Vorteil ist – und das ist wichtig für die Menschen in unserem Land –, dass sich das un­mittelbar in den Einkommen der Österreicher und Österreicherinnen niederschlagen wird. Jetzt gerade sind wir Zeugen der Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller, bei welchen man sieht, was diese Wirtschaftsvorlage tatsächlich auch für die Menschen in unserem Land ganz konkret in Form von Einkommen bedeuten kann.

Wichtig ist mir, zu betonen: Diese Erfolge, diese Entwicklung sind nicht vom Himmel gefallen! Sie sind natürlich das Ergebnis eines positiven wirtschaftlichen Umfelds, aber sie sind im hohen Maße auch das Ergebnis politischer Entscheidungen. Ich darf an die Steuerreform erinnern, die den Konsum beschleunigt hat; die Menschen haben mehr Geld zum Ausgeben. Ich darf an die Jobprogramme erinnern, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, die bewirken, dass Menschen durch die Aktion 20 000 und durch den Jobbonus, den wir gemeinsam beschlossen haben, mehr Arbeit bekommen ha­ben. Ich darf weiters daran erinnern, dass wir ein Budget beschlossen haben, das Grundlage dafür ist, Investitionen auf Rekordniveau für den öffentlichen Bereich und die öffentliche Infrastruktur fortzusetzen, und auch das bedeutet Arbeit und Einkommen für die Menschen in unserem Land.

Interessant ist zu sehen, dass diese Erfolgsgeschichte, an der wir gerade jetzt teilha­ben, sich auch in einem soliden Budget niederschlägt, in einem Haushalt, der letztend­lich solide auf den Beinen steht. Wir haben nichtsdestotrotz in den vergangenen Tagen einen Kassensturz erlebt, bei dem nach 17 Jahren mit ÖVP-Finanzministern die Frage des Budgetdefizits erörtert worden ist. Ich möchte auf den bemerkenswerten Gegen­satz der Zahlen hinweisen, die das Finanzministerium anders an Brüssel berichtet hat. Wir haben die Verpflichtung zu diesem Bericht, und dieser ist letztendlich in einem in­teressanten Gegensatz zu dem gestanden, was hier seitens der potenziellen Koali­tionsverhandler berichtet worden ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zum Schluss noch einmal unsere Entscheidung begründen, warum wir Frau Präsidentin Bures neuerlich für eine Kandi­datur für das Nationalratspräsidium vorgeschlagen haben. Ich denke, sie hat in einer außerordentlichen, ganz hervorragenden Art und Weise das Parlament und die öster­reichische Demokratie repräsentiert, und wir würden uns freuen, wenn Sie ihr, so wie wir, auch in Zukunft das Vertrauen schenken.

Wir werden auch die Kandidatur von Herrn Präsidenten Hofer unterstützen. Sie haben bewiesen, dass das Vertrauen in Ihre Sitzungsführung absolut gerechtfertigt gewesen ist. Gemäß den parlamentarischen Usancen haben wir uns beziehungsweise habe je­denfalls ich persönlich mich auch entschieden, den Vorschlag der ÖVP hinsichtlich Frau Abgeordneter Köstinger zu unterstützen. Ich möchte aber auch mit meiner Mei­nung nicht hinter dem Berg halten, dass ich die Zusammenarbeit mit Präsidenten Kopf immer in besonders hohem Maße geschätzt habe. Ich freue mich, dass er weiterhin diesem Haus angehören wird.

Insgesamt hoffe ich auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der hier im Hohen Haus vertretenen parlamentarischen Kräfte. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten von FPÖ und NEOS.)

10.38

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Klubobmann Heinz-Christian Stra­che. – Bitte.