10.57

Abgeordneter Dr. Peter Kolba (PILZ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte neue Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, ich bin nicht Peter Pilz. Eine beispiellose Me­dienjustiz hat dazu geführt, dass Sie heute mich hier als Klubobmann der Liste Pilz stehen sehen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Oje-Rufe bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Pilz hat keine Schuld?)

Ich habe zehn Jahre lang als Fachexperte gearbeitet und nicht in der Politik. Ich würde sagen, seit einigen Jahren habe ich das Dasein eines Balkon-Muppet, was die Politik betrifft, geführt. Sie kennen das, in der „Muppet Show“ schimpfen die beiden Herren vom Balkon aus hinunter. Es war für mich sozusagen ein Aufbruch vom Balkon auf die Bühne, als ich mich im Sommer entschieden habe, mit Peter Pilz und 150 anderen Kandidaten und Kandidatinnen, die auf unseren Listen in ganz Österreich kandidiert haben, in die Politik zu gehen.

Wir haben uns ausgemacht, dass wir eine kantige Opposition, eine wahrnehmbare Op­position sein wollen, insbesondere gegen die heraufdämmernde Koalition von Schwarz und Blau. Wir wollen Kontrolle und Transparenz zu unseren obersten Zielen in der Par­lamentsarbeit machen.

In diesen turbulenten Zeiten hatte ich vor wenigen Tagen – genauer gesagt, eigentlich gestern – die Entscheidung zu treffen, ob ich nicht nur neu ins Parlament gehe, son­dern mich in unserem Klub auch gleich in eine Funktion wählen lasse, nämlich die des Klubobmanns, obwohl ich doch bisher keinerlei praktische Erfahrung mit parlamentari­scher Arbeit hatte.

Da kam mir, ehrlich gesagt, die Meldung zugute, dass die ÖVP mit Frau Köstinger je­manden aufstellt – sie ist, soweit ich das weiß, schon lange in der Politik tätig –, der auch noch nicht in diesem Haus tätig gewesen ist, und wenn sie sich traut, für das Amt der Präsidentin des Nationalrates zu kandidieren, habe ich mir gedacht, dann muss ich mich trauen, als Klubobmann für die Liste Pilz aufzutreten. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Schieder: Wer ist das jetzt - -? Ich kenne mich nicht mehr aus!)

Ich ersuche Sie, unserer neuen Fraktion auch das, was jede Regierung und jeder Mi­nister für sich in Anspruch nimmt, zu gewähren, nämlich 100 Tage Einarbeitungszeit. Wir haben da etwas aus dem Boden gestampft, was, glaube ich, hier im Parlament noch sehr, sehr merkbar sein wird, aber wir müssen uns konsolidieren. Und ich würde diese 100 Tage gerne für die Konsolidierung in Anspruch nehmen.

Wir haben im Wahlkampf versprochen, wir werden versuchen, insbesondere ein Bür­gerbeteiligungsprojekt aufzubauen. Unser Ziel ist es, eine echte Teilhabe der Staats­bürger und Staatsbürgerinnen an der Politik zu ermöglichen und damit enttäuschte Wähler, Nichtwähler und auch Protestwähler wiederum zur demokratischen Mitbestim­mung hinzuführen.

Unsere Mandatare und Mandatarinnen haben – das haben wir gestern in einem Klub­statut noch einmal festgeschrieben – das freie Mandat. Das heißt, dass wir in unseren Statuten ganz klar festhalten, es gibt nicht eine Parteimeinung, sondern die Abgeord­neten werden nach ihrem Gewissen und nach ihrem besten Wissen abstimmen – keine Vorgabe von der Partei als Linie.

Wir wollen eine Politik machen, die von unten nach oben geht. Wir wollen bei den Bür­gern die Probleme einholen, wir wollen mit ihnen darüber sprechen, welche Lösungen sie sich vorstellen können und wollen das dann hier ins Parlament hereintragen. So ge­sehen sind wir nicht oder wollen wir nicht unbedingt eine typische Partei, sondern mehr eine Bewegung für Kontrolle und Transparenz sein.

Die Teilhabe an der Politik setzt voraus, dass man entsprechende Informationen hat. Informationen über unsere Arbeit hier sind meines Erachtens eine Bringschuld. Es ist nicht so, dass man sich das abholen muss, sondern wir müssen hinausgehen und den Menschen klarmachen, was hier in diesem Hohen Haus von uns geleistet wird.

Transparenz heißt für mich auch, dass man vermeidet, zu bluffen. Ich habe das zum Beispiel in meiner Arbeit erlebt. Ich wusste früher nicht, was ein Entschließungsantrag ist und habe das dann kennengelernt: Ein Entschließungsantrag ist halt ein Antrag, der auch dann, wenn er von allen beschlossen wird, nicht unbedingt dazu führen muss, dass es eine entsprechende gesetzliche Regelung gibt. Ich erinnere mich daran – aus dem Bereich meiner Arbeit –, dass man im Jahr 2005 im Justizausschuss einvernehm­lich beschlossen hat, effektive Maßnahmen zur Durchsetzung von Schadenersatzan­sprüchen bei Massenschäden ausarbeiten zu lassen. Das hat das Justizministerium auch gemacht, und seit 2007, also seit mehr als zehn Jahren, liegen die Konzepte da­für in der Schublade des Justizministeriums. Ein Entschließungsantrag hat sozusagen auch seine Grenzen, echte Gesetzesbeschlüsse sind besser.

Ein Beispiel für Kontrolle, die wir ausüben wollen, hat sich im Wahlkampf, also vor der Wahl ergeben. Da haben SPÖ und ÖVP im Interesse der Versicherungswirtschaft ge­meinsam gemeint, vor der Wahl noch schnell eine Novelle des Versicherungsvertrags­gesetzes durchpeitschen zu müssen, mit der man vorgeblich eine Reform vornehmen wollte, in Wirklichkeit aber das Rücktrittsrecht, das Versicherungsnehmer bei falscher Belehrung über das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen ein Leben lang haben, eingeräumt durch den Europäischen Gerichtshof, schlicht und einfach abdrehen wollte.

Es ist uns gelungen, das öffentlich zu machen, und mit der Öffentlichmachung war dann auch dieses Vorhaben vorerst jedenfalls beendet. Ich bin überzeugt davon, es braucht uns, um hier herinnen aufzupassen, dass dieses Vorhaben auch in dieser Ge­setzgebungsperiode nicht aufs Tapet kommt, und aufzupassen, dass es nicht durch­geht.

Wir stellen bei unserer Arbeit Kontrolle und Transparenz in den Mittelpunkt. Wir sind mit acht Abgeordneten in den hintersten Reihen dieses Parlaments sicher nicht dieje­nigen, die Gesetzesbeschlüsse mit Ihnen jedes Mal verhandeln und durchbringen wer­den, aber wir können in unserer Kleinheit sehr wohl Transparenz und Kontrolle anbie­ten.

Wir haben mit Peter Pilz, dem Aufdecker der Nation, leider sozusagen den, der für diese Aufdeckung steht, verloren, aber all jenen, die sich freuen, dass er jetzt aus der Politik weg ist, sei gesagt, das wird nicht für lange Zeit sein. (Abg. Strache: Ist er auf­gedeckt worden?) Das wird vielleicht ein längerer Urlaub, und dann wird er wieder in der Politik sein. Aber er wird dann nicht, das sage ich auch, gleich wieder hier herein kommen. (Abg. Kickl: Kein Rücktrittsrecht für Peter Pilz! – Abg. Strache: Ist der jetzt aufgedeckt worden oder nicht?) – Ich weiß, dass es kein Rücktrittsrecht gibt, Herr Ab­geordneter Kickl, aber wir acht Abgeordnete werden seine Idee der Kontrolle weitertra­gen, und er wird uns als Berater zur Seite stehen.

Ich darf also zusammenfassen: Wir wollen mit unserer kleinen Fraktion einen Grund­stein dafür legen, dass wir in fünf Jahren einen Politikwechsel in diesem Land her­beiführen, nämlich hin zu einer wirklichen sozialen Gerechtigkeit. Wir befürchten, dass wir als Opposition gefordert sind, in den nächsten fünf Jahren all das abzuwehren, was Schwarz-Blau für die Bevölkerung in diesem Land vorgesehen hat. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Strache: Jetzt gibt es noch nicht einmal ein Pro­gramm, aber - -!)

11.07

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr geschäftsführender Klubobmann Au­gust Wöginger. – Bitte.