11.57

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundesprä­sident! Die wichtigste Aufgabe für dieses Parlament in den nächsten fünf Jahren wird sein, dass wir als Parlament auf Augenhöhe mit der Bundesregierung agieren, dass wir als selbstbewusstes Parlament auftreten und dass wir den Parlamentarismus ernst nehmen. Das bedeutet, dass wir es uns nicht gefallen lassen sollten, dass uns Sozial­partner oder die Bundesregierung irgendwelche Gesetze diktieren und das Parlament diese einfach nur abnickt.

Das bedeutet, dass wir den Gesetzgebungsprozess ernst nehmen sollten, und nicht akzeptieren sollten, dass es zweiwöchige Begutachtungsfristen gibt, dann in der letzten Minute ein 40-seitiger Abänderungsantrag eingebracht wird, und wir am Schluss ein schlechtes oder gar fehlerhaftes Gesetz beschließen. Das bedeutet, dass Schluss sein muss mit dieser unerträglichen Vertagungspraxis, dass Ideen und Anträge einfach ver­tagt werden, nur weil sie von der Opposition kommen, und dann irgendwo in Schubla­den landen und nicht mehr darüber diskutiert wird. Das bedeutet auch, dass wir als Parlament Vorschläge, die eindeutig verfassungswidrig sind, die eindeutig die Grund- und Menschenrechte einschränken und diese aushebeln wollen, ganz klar zurückwei­sen.

Ein selbstbewusstes Parlament nimmt sich selbst ernst und ein selbstbewusstes, unab­hängiges Parlament wählt auch ein selbstbewusstes und unabhängiges Nationalrats­präsidium. Wir haben leider in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen ein sehr unwürdiges Schauspiel vonseiten der ÖVP miterlebt. Wir haben miterlebt, dass der Parteichef der ÖVP mit Elisabeth Köstinger eine Person für das Amt der Nationalrats­präsidentin nominiert, die noch nie hier als Abgeordnete im Hohen Haus tätig war, die direkt als Generalsekretärin der ÖVP aus der Parteizentrale der ÖVP in das überpar­teiliche Amt der Nationalratspräsidentin wechseln will.

Von dieser Person wissen wir gar nicht, wie sie dieses Amt überhaupt anlegen will, da wir sie auch noch nie hier im Hohen Haus erleben durften; eine Person, die momentan die Regierungsverhandlungen führt und gleichzeitig offensichtlich Nationalratspräsiden­tin sein will, und von der wir noch nicht einmal wissen, ob sie dieses Amt hier über­haupt länger ausüben will oder vielleicht doch lieber möglichst bald in ein Regierungs­amt wechselt.

All diese von mir angesprochenen Umstände, finde ich, bringen schwerwiegende Zwei­fel auf, ob die ÖVP das Amt des Nationalratspräsidenten, das Amt der Nationalratsprä­sidentin, das immerhin das zweitwichtigste Amt im Staat ist, überhaupt ernst nimmt – oder ob Sebastian Kurz diese Funktion der Nationalratspräsidentin nur dazu verwen­det, eine Platzhalterin zu installieren, weil er noch nicht weiß, wer in der Regierung am Schluss ein Ministeramt übernehmen wird.

Wir NEOS haben daher Sie, Frau Kollegin Köstinger, in unseren Parlamentsklub einge­laden, damit wir all diese Fragen – die, wie ich finde, sehr schwerwiegend sind – mit Ihnen hätten diskutieren können. Sie hätten uns Ihre Motivation erklären können, wieso Sie hier als Nationalratspräsidentin kandidieren.

Wir haben Sie eingeladen, damit Sie uns erklären können, wie Sie aus Ihrer Rolle als Generalsekretärin der ÖVP in das überparteiliche Amt der Nationalratspräsidentin wech­seln wollen, wie Sie sich das vorstellen;

damit Sie uns erklären können, wie Sie in Zukunft als Präsidentin eines selbstbewuss­ten Parlaments auch selbstbewusst auf Augenhöhe gegenüber der Regierung auftre­ten wollen, und immer dann, wenn die Bundesregierung gewisse Regeln, die das Par­lament schützen sollten, die den Parlamentarismus schützen sollten, auch entspre­chend aufzeigen, wenn diese verletzt werden;

damit Sie uns erklären können, ob Sie das Amt der Nationalratspräsidentin überhaupt langfristig ausüben wollen oder in ein paar Monaten, wenn vielleicht der Posten des Außenministers winkt, dorthin wechseln oder ein anderes Regierungsamt anstreben.

All diese Zweifel hätten Sie ausräumen können, wenn Sie unserer Einladung gefolgt wären. Das sind Sie nur leider nicht! Sie haben uns noch nicht einmal die Möglichkeit gegeben, mit Ihnen über diese Fragen, die, wie ich finde, sehr schwerwiegend und sehr relevant sind, zu diskutieren. Und jetzt, und das verstehe ich wirklich nicht, erwar­ten Sie von mir, dass ich als Abgeordneter dieses Hauses Sie zu meiner Präsidentin wähle, ohne dass Sie diese Fragen mit mir diskutiert haben, ohne dass Sie mir als Abgeordnetem die Möglichkeit gegeben haben, mit Ihnen über solche Fragen zu dis­kutieren. Sie erwarten, dass ich Ihnen meine Stimme gebe, obwohl ich Sie de facto nicht kenne und nicht weiß, wie Sie diese Funktion hier ausüben wollen. Sie erwarten, dass ich Sie wähle, obwohl Sie es offensichtlich nicht einmal als notwendig empfinden, hier in dieser Debatte herauszugehen und uns zu erzählen, wie Sie das Amt der Natio­nalratspräsidentin anlegen wollen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Das ist aus meiner Perspektive vollkommen unverständlich, und so etwas werde ich als selbstbewusster Parlamentarier sicher nicht tun! Ich glaube, eine solche Gering­schätzung, eine solche Missachtung, eine solche Ignoranz gegenüber dem Nationalrat darf sich dieses Hohe Haus nicht gefallen lassen und werde ich als Abgeordneter die­ses Hohen Hauses mir ganz sicher nicht gefallen lassen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Strasser: Wer hat diese Rede geschrieben?) – Die Reden für mich, Herr Kollege Strasser, schreibe ich normalerweise selbst. Ich weiß nicht, wer Ihre Re­den schreibt, und es ist mir eigentlich auch egal.

Ich glaube, was Sie nicht verstanden haben, ist, dass Sie dieses Amt durch diesen komischen Postenschacher, durch diese komische Art und Weise von Verschubbahn­hof beschädigen und wir noch nicht einmal wissen, ob Frau Kollegin Köstinger dieses Amt überhaupt dauerhaft ausüben will. Das halte ich für eine Zumutung dem Parlament gegenüber, was zeigt, wie die neue ÖVP mit dem Parlament umgeht, was zeigt, dass Ihnen der Parlamentarismus egal ist, weil Sie null Respekt vor diesem Hohen Haus ha­ben. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Den Usancen des Hauses entsprechend steht natürlich das Amt des Nationalratspräsi­denten der stimmenstärksten Fraktion zu, und diesen Usancen folgend werde ich heu­te selbstverständlich einen Abgeordneten der ÖVP zum Nationalratspräsidenten wäh­len, und zwar einen Abgeordneten, von dem ich weiß, dass er als Parlamentspräsident selbstbewusst auftreten wird, dass er selbstbewusst auf Augenhöhe gegenüber der Bundesregierung agieren wird, von dem ich weiß, dass er die wichtige Überparteilich­keit für dieses Amt mitbringt. (Zwischenruf des Abg. Strache.) – Bitte, Herr Kollege Strache? (Abg. Strache: Einer jungen Frau dieses Amt nicht zuzutrauen - -!) Herr Kol­lege Strache, wenn Sie mir gerade Frauenverachtung vorwerfen, dann haben Sie wirk­lich ein ganz grundlegendes Problem mit dem Verständnis dafür, was ich Ihnen gerade gesagt habe. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.) Es geht in keinster Art und Weise darum, dass Frau Kollegin Köstinger eine Frau ist. Ich verbitte mir solche Unterstellun­gen Ihrerseits!

Ich werde heute für das Amt des Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf wählen, weil ich glaube, dass er die angesprochene Überparteilichkeit mitbringt, und ich hoffe, dass viele andere selbstbewusste Parlamentarier das heute auch machen werden. (Beifall bei den NEOS.)

12.03

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Da­niela Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.