20.56

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Sehr geehrtes Hohes Haus! Wie viele hier im Raum habe auch ich das letzte Wochenende damit zugebracht, mir das Regierungspro­gramm ein bisschen vorzunehmen und habe einigermaßen lange nach der Regel zum Nichtraucherschutz in der Gastronomie gesucht. Ich konnte lange nichts dazu finden, weder im Kapitel „Gesundheit“ noch im Kapitel „Soziales und Konsumentenschutz“. Wa­rum konnte ich nichts finden? – Weil Sie als neue Bundesregierung den Nichtraucher­schutz offenbar nicht als Gesundheitsthema, sondern vielmehr als rein wirtschaftliches Thema betrachten. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Die Information findet sich also nicht, wie von mir erwartet, im Kapitel „Gesundheit“, sondern im Kapitel „Standort und Nachhaltigkeit“, wo zu lesen ist: „Im Sinne der unter­nehmerischen Freiheit dürfen Gastronomiebetriebe weiterhin Raucherbereiche anbie­ten […].“ – NichtraucherInnenschutz als Wirtschaftsthema, nicht als Gesundheitsthema; für mich ist diese Priorisierung und diese Prioritätensetzung mehr als zynisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP! Es ist wenige Jahre her, dass die da­malige Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, Ärztin wie ich, und Ihr Gesundheits­sprecher Erwin Rasinger, ebenfalls Arzt, sich nach zähen, langen, intensiven, aber schließlich erfolgreichen Verhandlungen auf ein Rauchverbot in der Gastronomie geei­nigt haben und Sie das Gesetz hier in diesem Hohen Haus gemeinsam mit uns be­schlossen haben.

Genau dieses Gesetz wollen Sie jetzt wieder rückgängig machen (Zwischenruf des Abg. Rädler), obwohl Sie es, wie ich annehme, besser wissen, zumindest irgendwann besser gewusst haben. In Österreich sterben jährlich 13 000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Das sind 36 Menschen pro Tag und seit Beginn dieser National­ratssitzung bereits zwölf Menschenleben, die wir hier auf das Konto des Tabakkon­sums zu schreiben haben.

Andere Länder haben das seit vielen Jahrzehnten besser gemacht, haben das Rauch­verbot in der Gastronomie umgesetzt und damit die Zahl der Raucher und Raucherin­nen halbieren können – halbieren! Bei uns ist die Zahl der Raucher und Raucherinnen in den letzten Jahrzehnten unverändert, konstant.

Ihr Argument, Menschen könnten sich aussuchen, in welche Lokale, Restaurants, Bars sie gehen, zählt für mich als Ärztin nicht, denn es geht zum einen um die Gäste, die dem krebserregenden Passivrauch ausgesetzt sind, aber vielmehr auch um die Be­schäftigten in der Gastronomie, etwa um die Kellnerin, die sich einfach nicht aussu­chen kann, ob sie 8 oder – wenn es nach Ihnen geht – bald 12 Stunden in einem ver­rauchten Lokal oder an einer verrauchten Theke in einer Bar arbeitet und bedient. Die Bevölkerung steht hinter diesem Rauchverbot, das beweisen nicht zuletzt 400 000 Un­terstützungserklärungen der Kampagne „Don’t Smoke“. (Abg. Haider: Was ist mit den anderen achteinhalb Millionen?) – Das nur zur Information an die ÖVP, der Bürgerbe­teiligung angeblich sehr wichtig ist. Genau darauf gilt es zu schauen!

Ich appelliere daher an Sie alle und ich appelliere in diesem Zusammenhang insbeson­dere an die Abgeordneten der ÖVP, denn immerhin mehr als 20 der ÖVP-Abgeordne­ten, die 2015 das Gesetz mit uns gemeinsam beschlossen haben, sitzen noch heute hier in diesem Saal: Beweisen Sie uns, dass das bereits vereinbarte Gesetz, das Sie gemeinsam mit uns verhandelt und gemeinsam mit uns beschlossen haben, für Sie heute auch noch etwas wert ist! Beweisen Sie uns, dass Ihnen die Gesundheit der Men­schen dieses Landes etwas wert ist!

In diesem Sinne bringe ich den folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc., Kolleginnen und Kollegen betref­fend „keine Aufweichung des Rauchverbots in der Gastronomie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die bestehende Regelung zum Nichtrauche­rInnenschutz im Tabakgesetz wie vorgesehen mit 1.5.2018 in Kraft treten zu lassen und keine Änderungen beziehungsweise Aufweichungen vorzunehmen.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.01

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Kolleginnen und Kollegen betreffend kei­ne Aufweichung des Rauchverbots in der Gastronomie

eingebracht im Zuge der Debatte zur Regierungserklärung

Das Kippen des totalen Rauchverbots in der Gastronomie ist ein enormer gesundheits­politischer Rückschritt.13.000 Österreicher sterben jährlich an den Folgen des Tabak­konsums.

Die meisten europäischen Länder haben bereits vor Jahren Rauchverbote eingeführt. Die Folge: eine signifikante Abnahme von Herzinfarkten, Atemwegserkrankungen und Frühgeburten. Kaum wo ist der gesundheitliche Nutzen wissenschaftlich so gut doku­mentiert wie beim NichtraucherInnenschutz.

Um 6 Prozent ist die Zahl der RaucherInnen in Europa in den letzten 11 Jahren, von 2006 bis 2017, zurückgegangen. Weltweit sind die Raucherquoten zurückgegangen, was zu besserer Gesundheit und zu einem geringeren Risiko für einen frühzeitigen Tod für Millionen Menschen geführt hat. Nur ein OECD-Mitgliedsland ist da ständig gegen den Strom geschwommen: Österreich.

In Österreich blieb der Anteil der täglichen Raucher über Jahrzehnte erstaunlich kon­stant. Es waren 23,5 Prozent im Jahr 1979, 24,3 Prozent in den Jahren 1997 und 2014. In der Zwischenzeit ist z.B. die Rate der täglich Rauchenden in den USA von 33,5 Pro­zent auf 20,3 Prozent und dann auf 12,9 Prozent zurückgegangen, in Großbritannien von 39,5 Prozent auf 27,5 Prozent und schließlich auf 19 Prozent.

Dabei rauchen nicht nur weniger Menschen, sondern es werden auch weniger Zigaret­ten pro RaucherIn geraucht. In Österreich sind die Zahlen schlechter als im EU-Schnitt: 14 Zigaretten pro Tag raucht der durchschnittliche Raucher in der EU, in Österreich sind es 20 Zigaretten pro Tag.

In Ländern mit absolutem Rauchverbot ist die Zahl der gerauchten Zigaretten stark zu­rückgegangen. So gibt es in Großbritannien, wo schon länger ein absolutes Rauchver­bot in Lokalen besteht, um 16 Prozent weniger RaucherInnen. In Dänemark sind es 13 Prozent weniger.

Im Vergleich dazu hat sich die Zahl der RaucherInnen in Österreich im gleichen Zeit­raum nur um 3 Prozent reduziert.

Ein Argument gegen das Rauchverbot in Lokalen ist die Befürchtung der Wirte, dass die Umsätze der Gastronomen zurückgehen würden. Seit 20 Jahren ist jedoch wissen­schaftlich belegt, dass es durch Rauchverbote in der Gastronomie zu keinem wirt­schaftlichen Schaden für die Branche komme.

In Bayern gibt es z.B. seit 7 Jahren, seit 2010, ein generelles Rauchverbot in der Gas­tronomie. Seither gibt es ein Umsatzplus in der Gastronomie, sowohl in der Speise- als auch Getränkegastronomie.

Auch in Italien gibt es seit 2005 ein Rauchverbot in der Gastronomie. Und obwohl es dort die Möglichkeit gibt, kleine Raucherräume einzurichten, wird das eher nicht ge­macht. Die positiven Auswirkungen des Rauchverbots sind in Italien eindeutig: Um 4 Prozent weniger Menschen wurden in den ersten beiden Jahren wegen Herzinfarkts ins Spital gebracht. Auch die Sterblichkeit ist in diesem Zeitraum um drei Prozent ge­sunken.

In Irland herrscht seit 2004 ein striktes Rauchverbot in der Gastronomie und auch dort gibt es einen deutlichen Rückgang an RaucherInnen von 28 Prozent auf 21 Prozent.

Verschiedene Untersuchungen zeigen: Jede Zigarette kostet rund 10 Minuten Lebens­zeit. Eine 40-Jährige, die jeden Tag zirka 10 Zigaretten raucht, stirbt im Durchschnitt um 10 Jahre früher.

Traurigerweise hatte Österreich laut den OECD-Daten 1993 die höchste Raucherrate unter den 15-Jährigen, ebenso noch im Jahr 2013. In diesen 20 Jahren verringerte sich diese Quote nur von 30 auf 27 Prozent.

Doch auch für PassivraucherInnen besteht ein erhöhtes Risiko und das ist besonders für die Beschäftigten in der Gastronomie relevant. Eine rauchfreie Gastronomie ist es­senziell für den Schutz der Gesundheit von Tausendenden Beschäftigten in Österreich und einer noch viel größeren Anzahl von Kunden. Wenn jemand nur den Rauch von anderen inhaliert, hat er längerfristig die gleichen Risiken wie ein Raucher selbst – er hat die gleichen krebserregenden Substanzen im Körper. Von den 6 Millionen Men­schen, die jährlich an den Folgen des Rauchens sterben, sind jährlich 600.000 Passiv­raucherInnen. Sie trifft das Ende des Rauchverbots in der Gastronomie ganz beson­ders.

Die ÖsterreicherInnen haben das gleiche Recht auf Schutz vor Passivrauch wie es die Bürger anderer Staaten seit Jahren genießen. Man muss das generelle Rauchverbot in der Gastronomie endlich umsetzen.

Viele Expertinnen und Experten warnen vor dem „Aus“ für das Rauchverbot in der Gastronomie. So auch der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Pneumolo­gie: „Rauchverbote führen zu einem Rückgang des Rauchens sowohl in der Gesamt­bevölkerung als auch im kritischen Jugendalter, weniger Menschen beginnen zu rau­chen und mehr Menschen geben ihre Sucht auf. Dadurch entstehen weniger Lungen­krebs- und COPD-Neuerkrankungen sowie Herz-Kreislauferkrankungen. Insbesondere auf Kinder hat diese Maßnahme günstige Auswirkungen: So kommt es beispielsweise zu weniger Krankenhausaufnahmen wegen kindlichen Asthmas. Rauchverbote bewir­ken aber auch einen besseren Schutz des ungeborenen Kindes vor den negativen Aus­wirkungen des Aktiv- und Passivrauchens der Mutter. All dies hat man nun leichtfertig aufgegeben,“ warnt die ÖGP.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die bestehende Regelung zum Nichtrauche­rInnenschutz im Tabakgesetz wie vorgesehen mit 1.5.2018 in Kraft treten zu lassen und keine Änderungen beziehungsweise Aufweichungen vorzunehmen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag, der soeben einge­bracht wurde, ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Stefan Schnöll. Ich erteile es ihm.