21.50

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung! – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Bun­desregierung, hätte ich fast noch gesagt. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Für einen ehemaligen Kunst- und Kulturminister ist das heute schon ein bereichernder Nachmittag gewesen: Ich durfte neun Stunden lang die Mikl-Wandfresken und -De­ckenfresken betrachten und habe jetzt die Chance, Sie zu adressieren und mich auf das Kapitel Kunst und Kultur und Medien des Regierungsprogramms zu fokussieren, das heute noch nicht so sehr im Mittelpunkt gestanden ist.

Ich zitiere aus dem Regierungsprogramm, das ich mir, wie viele andere auch, übers Wochenende zu Gemüte geführt habe, und lese dort den Satz: „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit!“ Das ist eine der maßgeblichen Parolen (Bundesminister Blü­mel nimmt seinen Platz auf der Regierungsbank ein) – guten Tag, Herr Kunst- und Kulturminister! – der Wiener Sezession und deren Exponenten von Klimt über Ko­koschka bis zu Koloman Moser.

Ich habe mich natürlich gefragt: Was hat dieser Satz jetzt eigentlich präzise in diesem Regierungsprogramm verloren? – Das hat sich mir nicht unmittelbar erschlossen, zu­mal die Idee der Sezession ja, wie allgemein bekannt ist, mit zwei Fragen zusammen­hängt: erstens mit der Frage des Zeitgenössischen, zweitens mit der Frage der Frei­heit. Beides scheint mir aber jetzt in einem gewissen Gegensatz zu dem zu stehen, was Sie in Ihrem Regierungsprogramm festgeschrieben haben, und zwar nicht nur, aber auch im Kapitel Kunst und Kultur. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihr Programm ist – und Sie haben das die letzten Tage oft gelesen, ich wiederhole es nur deshalb, weil ich es für richtig halte – nicht sehr zeitgenössisch, es ist eher retro. (Beifall bei der SPÖ.)

Und Ihr Programm verbessert niemandes Freiheiten elementar, und schon gar nicht die Freiheit der Kunst. Sie unterhalten stattdessen die Leser in Ihrem Kapitel mit den altbekannten Kalauern und Erzählungen von der Gießkanne und von den notwendigen Evaluierungen. Und ich muss Ihnen sagen – nicht nur, weil es 22 Uhr ist –, diese Er­zählung von der Gießkanne und die Erzählung von den Evaluierungen ermüdet mich doch einigermaßen, wahrscheinlich auch, weil ich sie schon oft gehört habe. Meine Er­müdung ist aber nicht so schlimm wie die Ermüdung der Künstlerinnen und Künstler, die mit der Lektüre dieser Begriffe einhergeht.

Die zentralen Zukunftsfragen sprechen Sie in keinem dieser Kapitel an. Und mit dem Begriff Evaluierung wird für die Insider, und es sind doch einige hier, insbesondere seit dem oberösterreichischen Beispiel in der Regel der Begriff der Kürzung verbunden. Wenn man so sagen will, ist die Evaluierung im Grunde genommen der camouflierende Begriff für die Kürzung.

Sie haben mit dem Begriff der Gießkanne ein Gartengerät in die Diskussion einge­bracht. (Abg. Neubauer: Frei nach Duchamp!) – Absolut! Vollkommen richtig, gut be­obachtet. Vielen Dank für den Einwurf. – Aber das Gartengerät, um das es eigentlich geht, ist ja nicht die Gießkanne, sondern das Gartengerät, um das es Ihnen in Zukunft geht, scheint der Rasenmäher zu sein. Das ist die oberösterreichische Erfahrung, und das ist natürlich auch die Erfahrung in der Stadt Graz. (Beifall bei der SPÖ.)

Sonst macht ja dieses ganze Geschwurbel von der Effektivität, von der Effizienz, von den Synergien in Wahrheit keinen Sinn.

Apropos Effizienz, weil der Herr Bundesminister für Reform und Justiz anwesend ist: Was hat es eigentlich mit einem modernen Staat zu tun, Herr Bundesminister Moser, wenn wir wieder einmal die Diskussion über die Verländerung des Denkmalamtes füh­ren? Wo spart man da ein? Was spart es ein, wenn man jetzt genau diese Doppel­strukturen aufbaut, die es beim Bundesdenkmalamt glücklicherweise noch nicht gibt und die Sie sich anschicken, in anderen Bereichen, wo es diese Doppelstrukturen gibt, zu verabschieden?

Die so wichtige Frage der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler ist in Ihrem Programm gar nicht angesprochen, aber da kann ich nahtlos bei meinen Vorrednern anschließen, insbesondere bei Beppo Muchitsch, der sich ja sehr deutlich mit der Fra­ge beschäftigt hat, wie Sie in Ihrem Programm mit den Errungenschaften des Sozial­staates umgehen.

Zum Thema Medien, weil auch diese angesprochen sind: Sie stellen fest, die Medien­landschaft wäre im Umbruch, die Digitalisierung ist im Vormarsch. – So weit, so richtig, so unbestritten, aber auch so wenig neu. Konkrete Lösungsansätze, wie Sie mit der Di­gitalisierung im Medienbereich umgehen, bleiben Sie allerdings schuldig. Sie reden über Organisationsstrukturen, von mehr „Airplay“ für junge österreichische Künstlerinnen und Künstler, und das war genau der Punkt, wo ich dann eigentlich nicht mehr verstan­den habe, worauf Sie hinauswollen, und eigentlich nur zu zwei Interpretationen gekom­men bin: Entweder – das ist die eine Interpretation, und ich glaube, es ist fast die wohl­wollendere – es herrscht eine gewisse Planlosigkeit, was im Bereich Digitalisierung zu tun ist, oder aber, und das ist die weniger wohlwollende Interpretation, Sie haben eine ziemlich präzise Idee von dem, was Sie im Medienbereich tun wollen, und sprechen des­halb die Medienbehörde an.

Es empfiehlt sich aber dennoch die genaue Lektüre Ihres Programms, insbesondere jener Kapitel, von denen man ursprünglich glauben würde, es sind gar nicht die Kapitel, die man lesen sollte, wenn man dafür zuständig ist, weil Sie im Kapitel Standort und Nachhaltigkeit zum Beispiel auch den Nichtraucherschutz versteckt haben. Im Kapitel Standort und Nachhaltigkeit gibt es aber auch einen sehr präzisen Vorschlag, wie man die traditionsreichste Zeitung des Landes und der Welt, die im Jahr 1703 gegründet wurde, ihrer ökonomischen Basis entkleidet. Ich halte diesen Vorschlag für besonders gefährlich. Ich habe mich gefreut, gesehen zu haben, dass du (in Richtung Bundesmi­nister Blümel) angekündigt hast, zu einer Sanierung und einer Sicherung der Finanzie­rung beitragen zu wollen.

Ich glaube, es hätte dem guten Ton und den Umgangsformen entsprochen, hier von­seiten der neuen Ministerin beziehungsweise des neuen Ministers Ideen präsentiert zu bekommen. Das war diesmal leider nicht der Fall.

Nach eingehender Lektüre des Regierungsprogramms kann ich mir allerdings nicht vor­stellen, dass diese 180 Seiten Sie, wie Sie hier sitzen, und Ihre 150 Expertinnen und Experten wirklich für einen Zeitraum von sieben Wochen beschäftigt haben. Ich glaube, Sie haben sich in den letzten Wochen nicht so sehr mit den Feinformulierungen des­sen, was hier geschrieben steht, beschäftigt, sondern Sie haben sich mit der Errichtung von Sidelettern beschäftigt. Ich unterstelle Ihnen nicht Planlosigkeit, ich unterstelle Ih­nen, dass Sie sehr konkrete Ideen haben. Ich hätte diese Ideen im Medienbereich ger­ne mit Ihnen diskutiert. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie Ross und Reiter benannt hät­ten und wir diese Diskussion hätten führen können. Ich stehe für einen derart demo­kratischen Diskurs jedenfalls pro futuro gerne zur Verfügung und werde mich dem nicht verschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

21.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Nationalrat Gerhard Deimek. Ich erteile es ihm.