15.54

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Dass ich meine erste Re­de im Nationalrat gerade zu diesem Thema halten darf, für das sich so viele Menschen in unserem Land jahrelang eingesetzt haben, ist wirklich eine große Ehre. Bei dieser gesamten Diskussion geht es nämlich nicht um große ideologische Kämpfe und nicht um parteipolitische Gräben, sondern es geht um eine ganz simple Frage, nämlich ob Menschen in Österreich im Jahr 2018 noch immer anders behandelt werden dürfen, nur weil sie gleichgeschlechtlich lieben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Der Nationalrat hat dieses Thema zuletzt am 29. Juni 2017 diskutiert. Damals gab es für unseren gemeinsamen Fristsetzungsantrag keine Mehrheit, weil sich ÖVP, FPÖ und die Reste des Teams Stronach wieder einmal quergelegt haben. Einen Tag später hat die Situation in Deutschland schon ganz anders ausgeschaut: Dort gab es nicht nur eine Mehrheit für die simple Frage der Gleichberechtigung, es haben sogar 75 Abge­ordnete von CDU/CSU für die Ehe gestimmt – daran sollte sich die ÖVP ein Vorbild nehmen! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Leider war dieser Schritt in Österreich nicht möglich, und gerade die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP – oder war es damals schon die neue Volkspartei? – sind nicht mü­de geworden, zu betonen, warum: Man solle die laufenden Verfahren vor dem VfGH abwarten und so ein Thema doch bitte nicht in den Wahlkampf hineinziehen.

Frau Kollegin Steinacker, die Sache ist ganz einfach! Sie haben damals im Nationalrat gesagt, ich zitiere: „[...] daher erachte ich es als sinnvoll, dass wir im Parlament erst dann eine Regelung treffen, wenn über diese verfassungsrechtliche Frage eine Ent­scheidung unseres Verfassungsgerichtshofes vorliegt.“

So, jetzt sind wir da, der Wahlkampf ist vorbei, wie wir alle wissen, und der VfGH hat Anfang Dezember entschieden, dass in Zukunft nicht nur die Ehe, sondern auch die eingetragene Partnerschaft allen Paaren in Österreich offensteht. Ob sich die Kolle­ginnen und Kollegen der ÖVP den zweiten Teil dieses Urteils genauso gewünscht ha­ben, sei jetzt einmal dahingestellt. Die Verfassungsrichter haben in ihrem Urteil einen, ich zitiere, „diskriminatorischen Effekt“ durch die Trennung von Ehe und Partnerschaf­ten festgestellt. Sie haben Ehe und EPG für alle Paare in Österreich geöffnet, und das ist auch gut so! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Wieder einmal konnte sich also die Politik nicht auf einen gesellschaftspolitischen Mei­lenstein einigen, und ein Gericht musste entscheiden. Ganz im Ernst: Das empfinde nicht nur ich, sondern das empfinden viele Menschen in unserem Land als wirklich traurig. Zum Glück hat uns der VfGH die Möglichkeit gegeben, schon vor Inkrafttreten der Aufhebung der im Erkenntnis genannten gesetzlichen Regelungen Ende 2018 für gleiche Rechte zu sorgen, und zwar auf gesetzlichem Wege. Wenn ich der Argumenta­tion der ÖVP im vergangenen Sommer folge, dann dürfte dem ja nichts mehr im Wege stehen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich hier aber auch noch mit einem Argument aufräumen, das auch dann nicht richtiger wird, wenn man es noch so oft wiederholt, nämlich dass es angeblich ausreicht, homo- und heterosexuellen Paaren ähnliche Rechte zu geben, während man sie aber trotzdem durch verschiedene Arten der Partnerschaft trennt, egal, ob aus Unwissenheit oder bewusst – dieses Argument ist schlichtweg falsch! Wir haben durch die gesetzliche Änderung und durch die Ge­richtsurteile noch lange nicht jede Diskriminierung in Österreich beseitigt. Schwule und Lesben erfahren noch immer in viel zu vielen Situationen Diskriminierung, Ablehnung und manchmal sogar Gewalt. In diesem kleinen Bereich der Ehe und der Partnerschaft können wir daran sofort etwas ändern – in vielen anderen Fragen wird der Fortschritt leider noch dauern.

Als schwuler Mann sage ich Ihnen jedoch auch: Es macht einen Unterschied, ob man sich bei jedem einzelnen Formular zwangsweise outen muss – bei einer Jobbewer­bung, beim Einchecken in ein Hotel, bei der Suche nach einer Wohnung –, weil man beim Familienstand verpartnert statt verheiratet ankreuzen muss, oder eben nicht. Es gibt viel zu viele Fälle, in denen dieses Zwangsouting echte, spürbare Konsequenzen für die jeweiligen Personen hat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Verfassungsgerichtshof hat glasklar festge­stellt, dass die aktuelle Unterscheidung zwischen Ehe und Partnerschaft eine Diskrimi­nierung darstellt. Es wäre eine Schande, würden wir als Gesetzgeber diesen Zustand auch nur einen Tag länger zulassen, ganz zu schweigen von elf Monaten. Es wird Zeit! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

16.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stefan. – Bitte.