11.50

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Vor allem: Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wir diskutieren nun über die Nominierung eines Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes, und lassen Sie mich da gerade als Erstredner ein paar generelle Bemerkungen machen, damit auch unsere Zuseherinnen und Zuseher ver­stehen, wie das Prozedere ist.

Unsere Verfassung sieht vor, dass die Höchstrichter von der Bundesregierung oder vom Parlament – sprich: vom Nationalrat auf der einen Seite und vom Bundesrat auf der anderen Seite – vorgeschlagen werden. Die Ernennung erfolgt durch den Bundes­präsidenten. Die Festlegung einer solchen Vorgangsweise ist für eine Verfassung nicht unüblich. Es ist eine sehr normale Vorgangsweise, wie es sie in vielen Ländern gibt, dass von den höchsten politischen Gremien Richter für den Verfassungsgerichtshof vor­geschlagen werden.

Heute stehen wir deshalb hier und diskutieren dieses Thema, weil das Mitglied des Verfassungsgerichtshofes Dr. Müller die Altersgrenze von 70 Jahren erreicht hat und daher laut Gesetz in den Ruhestand treten muss. Das Vorschlagsrecht für die Ernen­nung eines neuen Mitglieds liegt beim Nationalrat, und der Nationalrat hat diesbe­züglich ein Hearing durchgeführt.

Das ist nicht selbstverständlich, vor vielen Jahren gab es das noch nicht, aber seit einigen Jahren ist es Usus, dass wir zuvor ein Hearing durchführen und uns alle Kan­didaten anhören. Was in diesem Bereich vielleicht neu war, ist, dass wir so viele Kandidaten gehabt haben wie noch nie: 41 Kandidaten! In der Zeit davor gab es zehn bis 15 Kandidaten. – Da stellt sich die Frage, ob wir dieses System in Zukunft bei­behalten oder nicht.

Zu der jetzigen Vorgangsweise haben sich alle Fraktionen bekannt, und es wurden alle Fraktionen gefragt, ob sie diese Vorgangsweise, so wie wir sie gewählt haben, auch jetzt wieder anwenden wollen. Wir haben das getan, und daher stehe ich dazu, und es ist auch der Wunsch der Österreichischen Volkspartei, dass die Form des Hearings auch weiter in die Überlegungen miteinbezogen wird. Wenn wir eine Änderung wollen – das habe ich auch schon einmal kurz am Rande einer Rundfunksendung mit den Verfassungssprechern besprochen –, dann wäre es mir ein Anliegen, dass wir eine solche jedenfalls einstimmig vornehmen.

Das konkrete Mitglied Dr. Müller wurde damals, in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts, von der Sozialdemokratie vorgeschlagen. Die SPÖ hat Dr. Müller, der ein Mitarbeiter des Sozialministeriums war, als Kandidat vorgeschlagen, und die da­maligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben dann im Nationalrat diesen Vor­schlag beschlossen. Das ist ein üblicher Vorgang – er war damals nicht außerordent­lich, er ist auch heute nicht außerordentlich. So werden auch heute die Regierungs­parteien einen Vorschlag einbringen, der, so wie das in der Vergangenheit immer akkordiert war, akkordiert ist.

Das Besondere an der heutigen Situation ist, dass drei Mitglieder des Verfassungs­gerichtshofes aus Altersgründen ausscheiden. So hat Dr. Holzinger, der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, die Altersgrenze erreicht, und auch Frau Dr. Berchtold hat die Altersgrenze erreicht. Es besteht daher diesmal die Möglichkeit, nicht nur einen Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof nachzunominieren, sondern gleich drei.

Der Kandidat Dr. Holzinger kam durch ein Ticket der Bundesregierung in den Verfas­sungsgerichtshof. Er wurde damals, in den Neunzigerjahren, von SPÖ-Bundeskanzler Vranitzky als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes vorgeschlagen, danach unter dem Bundeskanzler Gusenbauer als Präsident des Verfassungsgerichtshofes vorgeschla­gen.

Jetzt ist es so, dass seitens der Bundesregierung schon eine Entscheidung getroffen wurde und dass Dr. Brandstetter, ein Universitätsprofessor für Strafrecht, nun Dr. Holzinger nachfolgt, wodurch wir auch wieder einen Richter aus dem Bereich des Strafrechts im Verfassungsgerichtshof haben, denn Vizepräsidentin Dr. Bierlein, eine Strafrechtsexpertin, ist zur Präsidentin aufgestiegen, und diese stimmt bei Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofs nicht mit.

Meine Damen und Herren, ich habe gemeinsam mit Kollegem Stefan einen Vorschlag lautend auf Dr. Hauer eingebracht. – Dr. Hauer ist ein anerkannter Universitäts­pro­fessor an der JKU Linz. Er ist dort seit fast 20 Jahren Universitätsprofessor und lehrt öffentliches Recht, im Besonderen Verwaltungsrecht. Er hat mehrere Bücher sowie Kommentare geschrieben. Er hat eine Publikationsliste vorgelegt, die über 100 Pub­likationen aufweist.

Ich habe mir die Mühe gemacht, nachzusehen, ob es in den vergangenen zwei Jahr­zehnten, seitdem er Ordinarius in Linz ist, irgendeine Kritik gegeben hat. (Abg. Scherak: Du hast nichts gefunden?) – Bis zu dem Moment des Vorschlages als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes gab es nicht eine einzige Kritik an Professor Hauer. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt könnte man ja auch sagen, nicht nur Universitätsprofessoren oder andere Juristen können einen Juristen kritisieren. An der Uni sind es vor allem Studenten, die Professoren kritisieren, daher habe ich natürlich auch bei der Hochschülerschaft nach­gefragt, ob es irgendeine Kritik an Professor Hauer gibt – Antwort: nein. Interessanter­weise gab es sogar eine offizielle Anfrage der Medien an die ÖH, ob es nicht Kritik an Professor Hauer gibt. Die hat das verneint, was dazu geführt hat, dass der Bericht nicht abgedruckt wurde, weil es ja keine Kritik gab.

Professor Hauer ist also ein seit Jahren anerkannter Universitätsprofessor, der über jeden Verdacht erhaben ist, kein guter Jurist zu sein.

Was die konkreten Vorwürfe, die medial gemacht wurden, betrifft, ist es wahrscheinlich auch interessant, sich anzuschauen, worauf sich diese konzentrieren. Sie konzen­trieren sich auf eine Spruchpraxis des EGMR (Abg. Jarolim: Ich glaube, es war eine Mitgliedschaft!), die sich in den vergangenen Jahren immer stärker herauskristallisiert hat (Abg. Mölzer: ... künstlich ...!), und das bietet Universitätsprofessoren natürlich in ihrer Kritik auch die Möglichkeit, das zu hinterfragen.

Ich darf ganz kurz noch weiter ausholen: Wie kam es dazu? Wie kam es zu den Grundrechten? Wie kam es zur EMRK, zur Menschenrechtskonvention? – Der grund­sätzliche Ansatz ist, dass man den Einzelnen vor den Eingriffen des Staates schützen wollte, das betraf also Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. In weiterer Folge hat sich der EGMR aber weiterentwickelt und hat daraus auch abgeleitet, dass der Staat auch positive Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung, gegenüber seinen Individuen hat.

Was bedeutet das also? – Nicht nur dass der Staat nicht in meine Eigentumsrechte eingreifen darf, sondern dass er zum Beispiel auch sicherstellen muss, dass, wenn Versammlungsteilnehmer bei einer Versammlung sind, diese nicht von Dritten gestört werden, und es ist die Pflicht der Polizei, darauf zu achten, dass dies nicht passiert. Das bedeutet Schutz gegenüber unseren Schutzbefohlenen. Professor Hauer hat im Bereich der Fremdenpolizei festgestellt, dass ein Missverhältnis zwischen dem Schutz derer, die in Österreich ein Aufenthaltsrecht haben wollen, und dem Schutz derer, die bereits hier sind und Sorge vor kriminellen Handlungen haben, besteht.

In dem konkreten Aufsatz, der zitiert worden ist, geht Professor Hauer ganz konkret auf Einzelfälle ein. Sie können das nachlesen: Es geht um die Fälle Jakupovic, Yildic, Maslov, Nasri, B. gegen die Schweiz et cetera. In diesen ganz konkreten Fällen, in denen es darum geht, dass die Personen, die wegen Raubs, gewerbsmäßigen Ein­bruchs­diebstahls, gewohnheitsmäßigen Rauschgifthandels, aber auch Landfriedens­bruchs und anderen Straftaten verurteilt wurden, meint er, dass sie auch außer Landes hätten geschafft werden sollen – so, wie es der österreichische Staat oder andere Staaten in Europa vorgehabt haben. Der EGMR hat anders entschieden. Seine Mei­nung ist, dass in solchen Fällen schwerer Kriminalität die Außerlandesschaffung von straffälligen Ausländern aus Gründen der Menschenrechte angezeigt wäre. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Meine Damen und Herren! Es ist eine wissenschaftliche, aber natürlich auch eine politische Diskussion, und ich möchte auch darauf hinweisen, dass er persönlich die inkriminierte Formulierung, die medial verwendet wurde, um ihn zu diskreditieren, in seinem Aufsatz als überspitzte Formulierung bezeichnet hat. Er wollte mit dieser klar zum Ausdruck bringen, wofür er steht.

Ich glaube, dass die Lehre, die Wissenschaft und die freie Meinungsäußerung genauso Grundrechte unserer Verfassung sind (Beifall bei ÖVP und FPÖ – Abg. Scherak: Es geht darum, was er konkret geschrieben hat, nicht, ob er eine Meinung hat!) und dass dieses Recht nicht nur jeder Person in Österreich zusteht (Abg. Schieder: Das spricht ihm ja niemand ab! – Zwischenruf des Abg. Mölzer), sondern auch einem Universitäts­professor, vor allem, wenn er es auch wissenschaftlich darlegt. (Abg. Schieder: Es geht nicht darum, was er sagen darf, er soll nur nicht Richter werden! – Abg. Scherak: Ja eh, aber ich muss ihn ja nicht zum Verfassungsrichter machen! – Ruf bei der FPÖ: Nur weil Ihnen die Meinung nicht in den Kram passt! – Abg. Gudenus: Gesinnungs... von links, das Übliche!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie daher bitten, den Vorschlag Dr. Hauer zu unterstützen und in weiterer Folge gemeinsam mit uns zu überlegen, wie wir die Verfahren für die Auswahl von Verfassungsrichtern in Zukunft sowohl für die Kandidaten als auch für uns selbst eventuell neu gestalten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Mölzer: Künstliche Empörung!)

12.02

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Andreas Schieder. – Bitte.