12.27

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was hätte das für eine Sternstunde des österreichischen Parlamentarismus sein können, wenn man dieses Hearing tatsächlich als ein Hearing ernst genommen hätte?

Da lädt man 40 Leute ein, weiß vorher schon, wer es wird, schleust sie im Viertel­stun­dentakt durch und entwürdigt damit in Wirklichkeit die Kandidatinnen und Kandidaten, setzt damit auch die Institution herab, für die sich diese KandidatInnen bewerben, und entwürdigt überdies dieses Haus. Kein Mensch in diesem Land kann glauben, dass man 40 Leute im Viertelstundentakt hier durchtreiben kann, dass man mit einer Frage pro Fraktion auch nur in irgendeiner Weise die fachliche, persönliche, menschliche Qualität einer KandidatIn testen, prüfen oder auch nur in Aussicht nehmen könnte, um dann ein ausgewogenes Bild darüber zu bekommen, welchen Vorschlag der öster­reichische Nationalrat an den Bundespräsidenten macht.

Das ist eine Farce – die Würde des Hauses, die hier quasi streng unter Beobachtung steht, hindert mich, es so auszusprechen, wie es tatsächlich ist. Wir müssen zu einer anderen Form der Konsensfindung, der Abstimmung, des Hearings kommen. Die Ver­fassung sagt nur, das Parlament, der Nationalrat schlägt vor. Wie er das macht, ist seine Sache, die Geschäftsordnung ist diesbezüglich lückenhaft. Und ich nehme gern das auf, was Kollege Gerstl und auch Kollege Stefan informell schon bekannt gegeben haben: Wir müssen ein Prozedere finden, das nicht alle Beteiligten in Wirklichkeit sehr armselig aussehen lässt. Das war auch der Grund dafür, warum ich daran nicht teilgenommen habe.

Jetzt soll man aber nicht glauben, dass nur der Umstand, dass ich dort nicht teilge­nommen habe, mich daran gehindert hätte, einige der Kandidatinnen und Kandidaten schon sehr genau in Augenschein zu nehmen. Ich komme zum Kandidaten und nächsten Richter am VfGH, Kollegen Hauer: Kollege Hauer ist einmal sicher kein Nazi, anders als landläufig in den Medien berichtet wird. Das ist er sicher nicht. Ob er Mit­glied einer Korpsstudentenschaft ist, ist mir persönlich vollkommen egal, das darf kein Kriterium für irgendetwas sein, da bin ich beim Kollegen Stefan und auch beim Kollegen Gerstl. Was er in einzelnen Medien und Zeitschriften geschrieben hat, also, da wird er noch lange brauchen, bis er zu der Polemik findet, die ich sonst in Artikeln verwende, auch gegen Höchstgerichte. Wenn das schon ein Kriterium sein soll, um jemanden für ein höchstrichterliches Amt untauglich zu machen, dann scheiden die profiliertesten juristischen Geister der Ersten und der Zweiten Republik aus. Wer sich je mit dem Werk von Hans Kelsen befasst hat, weiß, wie dieser Gegner herunter­ge­macht hat, und hätte ihn auch nicht zum VfGH-Richter bestellen dürfen, was er ja bis 1929 mit hoher Qualität gewesen ist.

Ich glaube, auch in dieser Sache sollte die SP etwas bescheidener mit ihrer Kritik sein. Sie hat über Jahrzehnte hemmungslos dieses Amt und die Besetzung von Höchst­gerichten ausgenützt (demonstrativer Beifall bei der FPÖ), um parteipolitische Avancen durchzudrücken, und wenn jetzt hier Kritik kommt, dann sage ich, das ist schon sehr, sehr einäugig.

Wie gesagt, ich habe mir das Werk von Hauer angesehen und ich sage Ihnen ganz offen: Ich halte diesen Kandidaten nicht fachlich für ungeeignet, er ist ein hoch­qua­lifizierter Jurist, aber ich liebe und schätze nicht, wes Geistes Kind er ist. Ich sage Ihnen das ganz offen, Kollege Hauer ist mir zu polizeiaffin. Er ist kein Vertreter der Grundrechte und der Menschenrechte, er ist in Wirklichkeit ein Vertreter der öster­reichischen Sicherheitskräfte. Das kann man politisch goutieren, ich tue es nicht. Und wer sich seine Habilitationsschrift aus dem Jahr 2000 durchliest – ich nehme an, alle, die im Hearing waren, haben das getan –, wird ab ungefähr Seite 400 oder 402 eine ganz eigenartige Ideologie finden, die mich als österreichischen Staatsbürger und als Parlamentarier sehr, sehr befremdet.

Ich kann Ihnen die Kurzfassung davon liefern und sie ist nicht schön. Kurz gefasst sagt nämlich Kollege Hauer: Die Polizei ist doch ein kostbares Gut und eine wirklich tolle Sache. Auch der Staat ist eine wirklich tolle Sache, eine ganz gute, erstrebenswerte und schützenswerte Sache. Und dann schließt er atmosphärisch – nicht wortwörtlich, das würde er nicht tun, aber atmosphärisch – die Frage an: Warum sind denn nur alle Leute gegen den Polizeistaat?

Das ist der Duktus, der dort herauskommt, und deshalb bin ich im Zusammenhang mit den anderen Beiträgen, die ich vom Kollegen Hauer gelesen habe, bis hin zu seinen Kommentaren zum Waffengebrauchsgesetz und Ähnlichem der Meinung, diesen Mann treibt nicht der Wille zur Erweiterung und Bekräftigung der Grund- und Menschen­rechte. Wer seine Publikationsliste durchliest, der weiß auch, dass Kollege Hauer mit den Grund- und Menschenrechten, mit Verfassung nichts zu tun hat. Nicht umsonst ist er am Institut für Verwaltungsrecht, das als Ausnahme in Österreich eben nicht Verfassungs- und Verwaltungsrecht, sondern nur Verwaltungsrecht abdeckt. Dieser Mann ist keiner, dem der Schutz von Grund- und Menschenrechten ein wirkliches Anliegen ist, und deshalb will ich ihn im Verfassungsgerichtshof auch nicht sehen.

Letzter Satz: Kollege Stefan hat gesagt: Wer nur deswegen gegen Hauer ist, weil der Vorschlag von der FPÖ kommt, der soll das sagen, der soll aber nicht so tun, als ob es objektive Gründe gegen Hauer gäbe. – Das Argument stimmt nicht. Der Verfas­sungsgerichtshof ist über die Jahre, spätestens seit Ende der Siebzigerjahre durch die Umwandlung des Gleichheitssatzes zu einem allgemeinen Sachlichkeitsgebot zu einem dezidiert politischen Gerichtshof geworden. Der Verfassungsgerichtshof ist auf der ganzen Welt, in den einzeln Ländern mit unterschiedlicher Ausprägung, immer ein politisches Grenzorgan. Richter am Verfassungsgerichtshof, Richterinnen an diesen Höchstgerichten haben immer nicht nur eine bloß juristische Aufgabe, die durch ihre juristische Qualifikation abgedeckt sein sollte, sondern sie haben ebenso als negativer Gesetzgeber auch eine politische Aufgabe. Das ist unter anderem der Grund dafür, warum es gerechtfertigt ist, auch weiterhin eine politische Besetzung für diese Höchst­gerichte vorzunehmen.

Da sage ich Ihnen ganz offen, ich halte Kollegen Hauer in der jetzigen Situation in Österreich, am Beginn des 21. Jahrhunderts, aufgrund der Dinge, die ich von ihm weiß und die wir von ihm wissen können, nicht für einen geeigneten Repräsentanten eines erweiterten Grund- und Menschenrechtsschutzes, nicht für einen Garanten für mehr Demokratie und Menschenrechte, sondern tendenziell, nach all dem, was ich von ihm bisher in Erfahrung gebracht habe, für jemanden, der einem gewissen Autoritarismus in diesem Staat eher Vorschub zu leisten bereit ist, als dass er hier die Grund- und Menschenrechte ausweiten und vorantreiben will. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Wir haben deshalb auch Frau Kollegin Marcella Prunbauer-Glaser vorgeschlagen, nicht zuletzt deswegen, weil ich glaube, dass es in Zeiten wie diesen einfach eine Schande ist, wenn man ein Höchstgericht derart mit Richterinnen unterbesetzt lässt. Und das tut der Institution nicht gut, und dem Land auch nicht. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.36

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler. – Bitte.