Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Mag. Christian Kern, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­des­minister für Inneres betreffend „Besorgniserregende Vorgänge im Bundes­amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – Korruptions­vorwürfe, Hinweise auf Mobbing sowie voraussichtlich unverhältnismäßige Hausdurchsuchungen“ (507/J)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 507/J. Da diese allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Vorbemerkung 1: Die Bedeutung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Ter­rorismusbekämpfung

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist die zentrale Einrichtung des Bundesministeriums für Inneres zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus sowie zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen. Auf der eigenen Homepage des BVT wird dazu ausgeführt:

Zu den Kernaufgaben des BVT zählen die Bekämpfung

•           extremistischer und terroristischer Phänomene,

•           von Spionage,

•           des internationalen Waffenhandels,

•           des Handels mit Kernmaterial

•           und der organisierten Kriminalität in diesen Bereichen.

Darüber hinaus obliegt dem BVT die Veranlassung und Koordination bzw. im Wege der LVT auch die Umsetzung von Personen- und Objektschutzmaßnahmen, der Schutz von VertreterInnen ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten.

Die Lagebeurteilungen und Gefährdungseinschätzungen der im BVT angesiedelten Analyseeinheit, bilden eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die strategische Lei­tung sowie für die Steuerung und Koordination der daraus resultierenden Personen- und Objektschutzmaßnahmen. Dadurch können präventiv potenzielle Gefahren erkannt und rasch und flexibel der jeweiligen Situation angepasste Entscheidungen zur Gefährdungsreduzierung getroffen werden.

Die Kompetenzen des BVT wiegen seit dem Inkrafttreten des Polizeilichen Staats­schutzgesetzes noch schwerer. Durch das PStSG wurden sensible Kompetenzen samt den damit verbundenen Grundrechtseingriffen ausschließlich beim BVT gebündelt. Das BVT ist daher nicht nur wegen seiner Aufgaben, sondern gerade wegen der ihm zur Verfügung gestellten Mittel eine der Eliteeinheiten der Republik Österreich.

Nunmehr wurden Umstände bekannt, die Anlass zur Sorge geben, dass das BVT diese wichtigen Aufgaben im Interesse der Republik Österreich, seiner Bürgerinnen und Bürger nicht im erforderlichen Ausmaß wahrnehmen kann.

Vorbemerkung 2: Zum Aufbau der Dringlichen Anfrage

In der parlamentarischen Praxis ist die Vorbereitung von Dringlichen Anfragen nor­malerweise ein Standardvorgang. Es wird ein Sachverhalt beschrieben und in Folge Fragen zu diesem Sachverhalt an das zuständige Mitglied der Bundesregierung for­muliert.

Dies war beim gegenständlichen Sachverhalt nicht möglich, da durch engagierte Recherchen von Medienvertretern sowie Eigenrecherchen immer wieder völlig neue Aspekte desselben Sachverhalts entstanden. Verstärkt wurde dieser Effekt durch Pressekonferenzen von Ministern und/oder Generalsekretären, die jeweils neue Wider­sprüche erzeugten.

Es wurde daher für diese Dringliche Anfrage ein Modulaufbau gewählt, um eine größtmögliche Aktualität des Sachverhalts zu gewährleisten.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage

Modul 1: Ermittlungen gegen den Direktor und andere Bedienstete des BVT

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen den Direk­tor und Mitarbeiter des BVT. Vorwürfe des Amtsmissbrauchs, der Veruntreuung öffentlicher Gelder und der nicht vorgenommenen Löschung von Daten stehen ebenso im Raum wie die Weitergabe von Pass-Rohlingen. Diese Vorwürfe beruhen auf zwei verschiedenen Quellen, einerseits sind es Ermittlungshandlungen im Zusammenhang mit nichtgelöschten Daten sowie der Weitergabe von Pass-Rohlingen an einen be­freundeten Geheimdienst, andererseits beruhen viele in der Öffentlichkeit ange­sprochene Vorwürfe auf einem 39-seitigen Dossier, welches angeblich von einem In­sider innerhalb des BVT erstellt und an mehrere Medien und sonstige Stellen verteilt wurde.

Am 27. Februar 2018 dürfte sich die Lage dramatisiert haben. Die zuständige Staats­anwältin holt sich um 22.30 Uhr die mündliche (!) richterliche Genehmigung von einem Journalrichter, um schon am Folgetag umfangreiche Hausdurchsuchungen im BVT selbst, aber auch in mehreren Privatwohnungen von Mitarbeitern des BVT vorzu­neh­men. Laut Medienberichten war Anlass dafür das Vorliegen des Verdachts der Bege­hung schwerer Straftaten durch leitende Mitarbeiter des BVT. Auslöser dafür waren vier anonym geführte Zeugen. Sie werden deswegen anonym geführt, weil sie an­geblich um ihr Leben und ihre Gesundheit fürchten. Bisher ist kein Zusammenhang mit dem BMI und diesen Zeugen erkennbar. Nunmehr wurde bekannt, dass angeblich zwei dieser Zeugen bei ihrer Aussage von Mitgliedern des Kabinetts von BM Kickl begleitet wurden. Diese neue Erkenntnis macht jedoch die Angelegenheit noch mysteriöser.

Für zusätzliche Irritationen sorgte, dass der Polizeieinsatz nicht von den üblicherweise zuständigen Stellen, dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptions­be­kämpfung (BAK) oder der Cobra vorgenommen wurde, sondern von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung von Straßenkriminalität (EGS), deren Leiter ein FPÖ-Gemeinderat ist.

Am 14. März 2018 meldete das Profil neue Umstände, die die gesamte Dringlichkeit dieser Hausdurchsuchungen noch mehr in Frage stellen. Angeblich befasste sich das BAK bereits im Oktober 2017 mit der Passaffäre, wobei am 30. Oktober 2017 bekannt­gegeben wurde, dass nach Prüfung des Falles das BAK keine Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit gefunden hat. Dabei ist festzuhalten, dass das BAK genau für Amts­missbrauchs- und Korruptionsbekämpfung zuständig ist.

Weiter wurde bekannt, dass bereits am 2. Februar 2018 der Direktor des BVT, Peter Gridling, davon informiert wurde, dass im Umfeld des BVT ermittelt wird.

Dies alles macht die Dringlichkeit der Hausdurchsuchungen unglaubwürdig, vielmehr dürfte es sich um gezielte Maßnahmen handeln, die eine Weiterbestellung von Gridling als Direktor unterlaufen sollen.

Eine zentrale Frage ist, wer eigentlich der auslösende Faktor für die plötzlich übereilten Hausdurchsuchungen war. In einer Pressekonferenz hat Generalsekretär Pilnacek (BMVRDJ) in die Richtung informiert, dass die Aktivitäten der WKStA durch eine An­zeige des BMI (als Dienstbehörde) ausgelöst wurden. Dem widersprach BM Kickl, der die Aktivitäten des BMI lediglich als Herstellung eines Konnexes mit der WKStA bezeichnete. Dieser Aussage wurde wiederum von Seiten des Generalsekretärs des BMVRDJ widersprochen, der ausdrücklich meinte, dass es sich rechtlich um eine An­zeige gehandelt habe. Offenbar will also weder das BMI noch das BMVRDJ für die Initiierung der Hausdurchsuchungen zuständig sein.

In einem Interview mit profil vom 19. März 2018 führte Generalsekretär hinsichtlich der Hausdurchsuchungen folgendes aus:

Pilnacek: Ich will das nicht bewerten. Ich habe Ihnen schon gesagt, ich wäre in An­betracht dieser Umstände froh gewesen, hätte die Staatsanwaltschaft mit uns Rück­sprache gehalten. Möglicherweise hätten wir Alternativen in Erwägung gezogen.

profil: Eine der Alternativen wäre vermutlich ein geräuschloseres Vorgehen gewesen.

Pilnacek: Richtig.

1.         Wann haben Sie und Ihr Generalsekretär jeweils exakt Kenntnis von der Anord­nung von Hausdurchsuchungen im BVT sowie in diesem Zusammenhang auch in Privatwohnungen erhalten und was haben Sie und Ihr Generalsekretär jeweils ver­anlasst?

2.         An wen im BMI hat sich die Staatsanwaltschaft betreffend diese Anordnung gewendet und welche Anordnungen wurden daraufhin vom BMI veranlasst?

3.         Ungewöhnlich war es, dass die Hausdurchsuchungen von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS), deren Leiter ein Gemeinderat der FPÖ ist, durchgeführt wurden.

In einer Pressekonferenz des BM Moser und seines Generalsekretärs Christian Pil­nacek stellten diese klar, dass die Anordnung, den Einsatz durch die EGS durch­zuführen, von ihrem Generalsekretär Peter Goldgruber kam.

Wie hat er diese Anordnung begründet?

Wieso war er mit der Frage der Durchführung der Hausdurchsuchung befasst?

Nahm Peter Goldgruber daraufhin Kontakt mit dem Leiter der EGS auf?

Wenn nicht, wie genau wurde der Kontakt zur EGS hergestellt?

Welche genauen Anordnungen hinsichtlich der Durchführung der Anordnungen hat die EGS bekommen?

4.         Hat ihr Generalsekretär Peter Goldgruber eine Sachverhaltsdarstellung, einen „Konnex“ oder eine andere Kontaktnahme zur WKStA hergestellt?

Tat er dies auf ihren Auftrag hin?

Wann erfolgte dieser Kontakt (Datum und Uhrzeit)?

5.         Haben Sie oder ihr Ressort mit Widerstand von Mitarbeitern des BVT im Rah­men der Hausdurchsuchungen am 28. Februar 2018 gerechnet, da die Staatsan­walt­schaft von uniformierten und bewaffneten Einsatzkräften begleitet wurde?

6.         Wer hat konkret die Hausdurchsuchungen jeweils geleitet?

7.         Wie viele Personen waren bei der Hausdurchsuchung im BVT von Seiten der EGS beteiligt, wie viele Personen haben die Hausdurchsuchungen in wie vielen Privatwohnungen jeweils durchgeführt?

8.         Sind die Berichterstattungen korrekt, wonach in der Anordnung der Haus­durchsuchungen Mordbegehungstatverdacht durch Mitarbeiter des BVT als Grundlage für die Genehmigung, die angeblich am 27. Februar 2018 um 22.30 Uhr durch einen Journalrichter erfolgte, angegeben wurde?

9.         Wie beurteilen Sie als zuständiger Minister solche Verdachtsmomente gegen­über Beamten ihres Hauses?

10.       Welche Beweismittel wurden darüber hinaus für die Anordnung angeführt?

Handelt es sich bei den untersuchten Sachverhalten nur um die bekanntgewordenen Vorwürfe betreffend die Nichtlöschung eines Aktes sowie die Weitergabe von Pass-Rohlingen an einen ausländischen Geheimdienst oder wurden auch Sachverhalte aus dem angeblichen 40-seitigen Whistleblower-Papier angeführt?

11.       Gegen welche Abteilungen im BVT wurden diese Hausdurchsuchungen durch­geführt, war auch die sogenannte Führungseinheit betroffen und wie viele Mitarbeiter waren insgesamt von der Hausdurchsuchung im BVT betroffen?

12.       Welche Gegenstände sollten laut Anordnung sichergestellt werden und welche wurden tatsächlich während der Hausdurchsuchungen sichergestellt?

13.       Wie wurden diese Gegenstände abtransportiert und wo sind sie gegenwärtig aufbewahrt?

14.       Aussagen des Generalsekretärs Pilnacek zufolge erfolgte die Sicherstellung technischer Daten bei den genannten Hausdurchsuchungen ausschließlich durch IT-Experten der Staatsanwaltschaft.

Können Sie diese Aussage bestätigen und welche Aufgabe kam den Exekutivbeamten bei den Hausdurchsuchungen genau zu?

15.       Ebenso hat Generalsekretär Pilnacek in seiner Pressekonferenz am

9. März 2018 ausgeführt, dass Anlass für die Ermittlungen eine Anzeige des BMI ist.

Welche Sachverhalte hat Ihr Ministerium konkret bei der WKStA zur Prüfung einer Verfolgung angezeigt?

16.       Wie erklären Sie sich, dass zwei dieser anonymen Zeugen, angeblich im Bei­sein von Mitarbeitern Ihres Kabinetts als Vertrauenspersonen, einvernommen wurden?

Wussten Sie davon?

Welchen dienstlichen Auftrag hatten diese Mitarbeiter oder wurden sie für diese Zeit vom Dienst freigestellt?

Welches Naheverhältnis haben diese zwei Mitarbeiter zu den Zeugen?

17.       Welche neuen Erkenntnisse lagen vor, dass plötzlich die Dringlichkeit dieser Hausdurchsuchungen offensichtlich wurde?

Wie erklären Sie sich das Spannungsverhältnis dazu, dass das BAK bereits im Oktober 2017 in dieser Angelegenheit ermittelte und sich als Ergebnis nicht zuständig erklärte?

18.       In welcher Form wurde Direktor Gridling am 2. Februar 2018 von dem Umstand informiert, dass es Ermittlungen im Umfeld des BVT gäbe?

Modul 2: Dekretverleihung Gridling – Suspendierung von Gridling – Suspendierung weiterer Mitarbeiter – Führungskrise im BVT

Am heutigen Tag hat das BVT eine Führungsstruktur, die sich auf eine interimistisch eingesetzte Leitung beschränkt. Eine Reihe von Führungspersonen samt Direktor des BVT sind derzeit bis auf Widerruf vom Dienst suspendiert. Die übrigen Mitarbeiter sind verunsichert und befürchten, Opfer einer parteipolitischen Umfärbung zu werden. Konkret wurde am 12. März 2018 bekannt, dass es sich bei den Vorgängen um den BVT-Chef Peter Gridling scheinbar um parteipolitisches Mobbing handelt. Wie der Falter berichtet, hat Bundespräsident Van der Bellen Peter Gridling bereits im Februar als BVT-Chef ernannt bzw. verlängert. Diese Unterzeichnung soll am 19. Februar 2018 erfolgt sein. Das Dekret ist am 22. Februar 2018 im BMI wieder eingetroffen. Am 28. Februar 2018 soll Peter Goldgruber die Zustellung an Gridling verweigert haben, weil die Justiz gegen ihn ermittle. Die WKStA wiederum agierte aufgrund einer Anzeige des BMI, die laut Falter ebenfalls von Peter Goldgruber erstattet worden sei.

Am 13. März 2018 gab BM Kickl in einer Pressekonferenz bekannt, Peter Gridling sein Bestellungsdekret nunmehr doch zugestellt und ihn bis auf Widerruf suspendiert zu haben, all dies aufgrund der Unschuldsvermutung und Gridlings Verantwortung auf­grund seiner Position im BVT. Warum diese Vorgehensweise ausgerechnet am Tag nach dem öffentlichen Bekanntwerden der bisher nicht erfolgten Zustellung geschah, sei dahingestellt.

Dieses Verhalten zeigt nicht nur von Respektlosigkeit gegenüber dem Bundes­prä­sidenten, sondern kann durchaus und mit gutem Grund als Mobbing bezeichnet werden. Die Umfärbungsgerüchte im BVT durch den neuen Bundesminister verdichten sich daher zunehmend. Dazu passt, dass in Medien ÖVP-nahe Beamte im BMI wie folgt zitiert werden: „Die FPÖ (sprich der neue Minister und Generalsekretär) gehen mit brachialer Gewalt wie beim Häuserkampf in Bagdad gegen uns vor.“

In Summe sind die Vorgänge rund um das BVT als „höchst ungewöhnlich und irritierend“ zu bezeichnen, um die Wortwahl des Bundespräsidenten Van der Bellen zu zitieren.

Nunmehr wird diese Sache auch gerichtsanhängig. Peter Gridling hat um den 14./15. März 2018 das Verwaltungsgericht und die zuständige Disziplinarkommission mit seiner Suspendierung befasst, die Verfahren laufen.

19.       Sie haben am Freitag, dem 9. März 2018, Peter Gridling als Leiter des BVT und die Verlängerung seines Vertrages in Frage gestellt. Zu diesem Zeitpunkt wurde kommuniziert, dass sich dieser auf Urlaub befinde.

Wann hat er diesen beantragt und für wie lange wurde ihm Urlaub bewilligt?

20.       Stimmt es, dass das vom Bundespräsidenten unterschriebene Bestel­lungs(Ver­längerungs)dekret im BMI am 22. Februar 2018 eingetroffen ist und wer verfügte über dieses Dekret ab dem Zeitpunkt der Rücküberstellung des Dekrets an das BMI bis zum 13. März 2018?

21.       Wurde Peter Gridling davon informiert, dass der Bundespräsident das Dekret unterschrieben habe und dieses im BMI wieder eingelangt sei?

Warum wurde es nicht an Peter Gridling umgehend zugestellt?

22.       Welche Überlegungen führten dazu, Gridling dieses Dekret dann überraschend am 13. März 2018 – also drei Wochen später – zuzustellen und ihn gleichzeitig vom Dienst zu suspendieren?

23.       Nur drei Tage zuvor haben Sie Berichten zufolge Dominik Fasching als stell­vertretenden Direktor des BVT vorgestellt.

Warum und seit wann war die Funktion des Stellvertretenden Direktors vakant?

Wer hatte Sie bis wann inne?

Wann wurde diese Funktion ausgeschrieben, wie viele Bewerber hat es gegeben und war Dominik Fasching der durch die Kommission Bestgereihte?

24.       Aufgrund der Hausdurchsuchungen wurden Berichten zu Folge weitere Mitar­beiter des BVT suspendiert.

Wie viele Mitarbeiter des BVT sind gegenwärtig insgesamt suspendiert?

Gegen wie viele Mitarbeiter des BVT laufen gegenwärtig Disziplinarverfahren?

Hatten die suspendierten Mitarbeiter leitende Funktionen inne?

Wenn ja, in welchen Abteilungen?

25.       In einem Interview in der ZIB 24 am 9. März 2018 führte Gert-Rene Polli in Richtung BVT aus, dass auf der einen Seite ein Führungsmangel und die Herrschaft eines Netzwerkes von parteipolitischen Günstlingen im BVT bestehe, das BVT andererseits korrumpiert wurde. Dies könnte als beleidigte Meinungsäußerung eines nicht verlängerten ehemaligen Direktors des BVT abgetan werden, wiegt aber deswegen schwer, weil die selben Vorwürfe gegenüber dem BVT vom Vizekanzler der Republik Österreich Heinz-Christian Strache auf Facebook wiederholt wurden.

Wie stehen Sie als zuständiger Minister zu diesen Vorwürfen, dass diese wichtige und sensible Einrichtung der Republik von Netzwerken geführt und korrumpiert sei und dies in Ihrem Ressort?

26.       Gegen wie viele Mitarbeiter des BVT ist gegenwärtig ein Ermittlungsverfahren anhängig?

27.       Was werden Sie unternehmen, um diese unhaltbaren Zustände für die Republik Österreich zu beenden?

28.       Was werden Sie unternehmen, um ein Vertrauensverhältnis zu anderen aus­ländischen Geheimdiensten zu erneuern, welches für gegenseitigen Informations­austausch gerade bei terroristischen Bedrohungen essentiell ist?

Modul 3: Gefährdung von Ermittlungen gegen den Rechtsextremismus

Auch hier zeigt sich dasselbe Bild: Zunächst wurde bekannt, dass bei den Haus­durchsuchungen auch eine Datei und andere Materialien der Leiterin des Extre­mis­musreferats sichergestellt worden seien, deren Zusammenhang mit den gegen die Mitarbeiter des BVT erhobenen Vorwürfen fraglich scheint. Noch sensibler wird dies durch Hinweise darauf, dass in diesen Dateien aktuelle Ermittlungen gegen die rechts­extreme Szene in Österreich beinhaltet sind und zu fürchten ist, dass diese Er­mittlungen nunmehr beeinträchtigt sind.

Dies wird zunächst abgewiegelt, es seien nur private Dateien der Mitarbeiterin be­schlagnahmt worden, da sie in einem beruflichen Naheverhältnis zu einem Mitarbeiter steht, gegen den Erhebungen eingeleitet wurden.

Nun wird bekannt, dass diese Mitarbeiterin gerade einen Lagebericht über die Online-Plattform „unzensuriert.at“ und den „Kongress der Verteidiger Europas“ angelegt hatte, in welchem die beiden Plattformen als äußerst fremdenfeindlich mit antisemitischen Tendenzen beurteilt seien. Auch verschwörungstheoretische Ansätze würden dort vertreten werden. Gleichzeitig sollen in diesem Lagebericht die Beziehungen des jetzigen Innenministers zu „unzensuriert.at“ und dem Linzer Kongress „Verteidiger Europas“ thematisiert sein, Herbert Kickl hat den Kongress im Herbst 2016 besucht.

Am 15.März 2018 stellte BM Moser in der 876. Sitzung des Bundesrats klar, dass 19 Gigabyte Daten auf dem Server der Leiterin des Extremismusreferats und weitere 13,6 Gigabyte realer Daten an ihrem Standgerät sichergestellt wurden, in Summe sohin 32,6 Gigabyte.

Unklar ist bis jetzt, was mit diesem Lagebericht konkret geschah und ob dieser eben­falls bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmt und/oder kopiert wurde. Offen­sichtlich besteht zwischen dem Inhalt des Lageberichts und dem Inhalt der Ermitt­lungen gegen Bedienstete des BVT jedoch kein ursächlicher Zusammenhang. Er­wähnenswert ist hingegen in diesem Zusammenhang, dass der Chefredakteur von „unzensuriert.at“, Alexander Höferl, der von Ihnen bestellte Kommunikationschef des BMI ist.

29.       Welche Unterlagen, Datensätze, etc. wurden bei der Hausdurchsuchung im BVT im Extremismusreferat beschlagnahmt, gesichert oder kopiert?

Was war die Rechtsgrundlage dafür?

30.       Stehen dem Extremismusreferat und seinen Mitarbeitern alle Unterlagen, die sie ermittelt haben, nach wie vor für ihre Arbeit zur Verfügung oder wurden Teile der Unterlagen einfach mitgenommen?

31.       Scheinbar dürfte das BVT in einem Lagebericht „unzensuriert.at“ als äußerst fremdenfeindlich mit antisemitischen Tendenzen bewertet haben. Wie beurteilen Sie als zuständiger Minister „unzensuriert.at“ hinsichtlich obenstehender Bewertung?

32.       Können Sie garantieren, dass weiterhin mit allem Einsatz gegen die rechts­ex­treme Szene, insbesondere auch Plattformen wie „unzensuriert.at“ und den „Kongress der Verteidiger Europas“, ungestört von politischen Einflüssen, von Seiten des BVT ermittelt werden kann?

33.       Finden Sie es als Innenminister in einer demokratischen Republik in einem sensiblen Ministerium wie dem BMI vertretbar, an einer Stabstelle Ihres Hauses, näm­lich im Bereich Kommunikation, jemand wirkt, der als Chefredakteur für all dies die Verantwortung trägt?

34.       Wann genau und in welchem Ausmaß war Alexander Höferl mit der Causa der Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT befasst?

Wann genau erhielt er Zugang zu diesbezüglichen Informationen und in welchem Ausmaß?

An welchen Presseaussendungen, Pressekonferenzen und anderen kommunikativen Maßnahmen des BMI hinsichtlich der Causa der Ermittlungen gegen Bedienstete des BVT wirkte Alexander Höferl in jeweils welchem Ausmaß mit?

Modul 4: Staatspolitische Beurteilung – Umgang der Regierungsspitze mit der Causa – Information der Öffentlichkeit

Das Kommunikationsmuster von Bundeskanzler und Vizekanzler in dieser beun­ruhigenden Causa folgte dem üblichen Muster. Der Bundeskanzler schwieg, der Vize­kanzler goss via Facebook Öl ins Feuer. Dies verunsichert deswegen, da im Rahmen der Novelle zum Bundesministeriengesetz sowohl den Bundeskanzler wie auch dem Vizekanzler ein sogenanntes Auskunftsrecht gegenüber dem BVT wie auch den militärischen Geheimdiensten eingeräumt wurde und diese von Seiten der ÖVP und der FPÖ in der parlamentarischen Debatte als Instrument der verstärkten Kontrolle sensibler Dienste tituliert wurde. Es ist daher auch von Interesse, wie dieses Auskunftsrecht von Bundeskanzler und Vizekanzler in einer solchen Krisensituation wahrgenommen wurde und welche Erkenntnisse die beiden daraus gewonnen haben.

Begründend für die verhaltene Position der Regierungsspitze könnten auch inhaltliche Differenzen innerhalb der Bundesregierung sein: während BM Kickl in seiner Pres­sekonferenz vom 13.März 2018 bemüht war, die Rechtmäßigkeit der Ereignisse zu betonen, bezeichnete VK Strache die Ereignisse in einem Facebook-Posting als "jah­relange mutmaßlich korrupte Struktur im Verfassungsschutz", es habe sich „die letzten Jahre ein Staat im Staat im Verfassungsschutz gebildet, abseits rechtsstaatlicher Strukturen“.

Dem widersprach der langjährige Abgeordnete und Sicherheitssprecher der ÖVP.

Laut Amon habe das BVT in den letzten Jahren "exzellente Arbeit geleistet", mit Gridling hätten "wir in den letzten Jahren immer sehr gut zusammengearbeitet", sagte Amon, der auch Obmann des ständigen Unterausschusses zur Kontrolle der Nach­richtendienste ist. Er hoffe nicht, dass es bei der - von Innenministeriums-Gene­ral­sekretär Peter Goldgruber erstatteten - Anzeige und den Ermittlungen um eine Um­färbeaktion im BVT gehe. Dazu bestehe auch kein Anlass, Gridling habe das Amt "sehr gut geführt", trat Amon Vorwürfen von Missständen, "Günstlings"-Bestellungen und korrupten Strukturen entgegen.

Dass solche völlig unterschiedlichen Interpretationen der Regierungsparteien die Be­völkerung in so einer Situation noch zusätzlich verunsichert, ist offensichtlich.

In diesem Zusammenhang erscheint auch die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der be­troffenen Mitglieder der Bundesregierung in dieser Angelegenheit lückenhaft und darauf gerichtet zu sein, die Recherchen von Medien als unglaubwürdig darzustellen. Exemplarisch dafür war eine Presseaussendung des BMI, in dem die Recherchen als Fake-News bezeichnet werden. Wie auch von vielen Kommentatoren dargestellt, handelt es sich hier um eine krisenhafte Erscheinung in einem staatspolitisch ebenso wie grundrechtlich sensiblen Bereich, die umgehend und vollständig aufgeklärt werden muss, damit das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung seine Aufgaben wie Terrorbekämpfung, Extremismusbekämpfung und Schutz der Obersten Organe und der gesamten österreichischen Bevölkerung im liberalen Rechts­staats­gefüge weiterhin wahrnehmen kann.

35.       Haben der Kanzler oder der Vizekanzler jeweils Gebrauch von ihrem Auskunfts­recht gemäß Teil 2/A/1 der Anlage zu § 2 BMG gegenüber dem BVT gemacht?

Wenn ja, wann genau und in welchem Umfang?

36.       Haben Sie oder Ihr Generalsekretär in dieser Causa Kontakt zur Staats­sekretärin Edtstadler aufgenommen, in deren Aufgabenbereich das formal zuständige Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) fällt?

Wenn ja, wann genau und was wurde mit Staatssekretärin Edtstadler konkret vereinbart?

Wenn nein, warum nicht?

Medienberichten zu Folge denken Sie daran, das BAK mit einer Überprüfung des BVT zu beauftragen.

Wie erklären Sie sich den Widerspruch, dass das BAK die Hausdurchsuchungen nicht durchführen konnte, weil es unter Befangenheit leidet, aber für eine objektive Überprüfung nun doch nicht befangen ist?

37.       Haben Sie oder Ihr Generalsekretär Weisungen oder Anordnungen an das BAK im Zusammenhang mit den Vorwürfen und Vorgängen rund um das BVT ausgegeben?

Welchen Inhalt hatten diese Weisungen oder Anordnungen?

38.       Wer hat im BMI die Presseaussendung, mit welcher das BMI Recherchen von Medien als Fake-News bezeichnet, veranlasst und genehmigt?

39.       Seit wann genau liegt das anonyme Dossier, das zahlreiche Vorwürfe gegen BeamtInnen des BVT thematisiert, dem Innenministerium vor?

In welcher Abteilung des Ministeriums langte es ein und in welchen Stellen wurde es anschließend jeweils für wie lange und mit welchem Ergebnis bearbeitet?

40.       Seit wann genau ist Ihnen persönlich dieses Dossier bekannt?

Welche Handlungen und Maßnahmen haben Sie in Folge der Kenntnisnahme des Dossiers zu welchem Zeitpunkt genau gesetzt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage dringlich zu behandeln.

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf einleitend vielleicht nur eine Bitte äußern: Da das Thema dieser Dringlichen Anfrage der Staatsschutz und somit ein sehr sensibles ist, da das Thema Sicherheit ein zentrales Versprechen des Staates an seine Bevölkerung ist und die Sicherheit letzten Endes die Grundlage für unser aller Freiheit ist, darf ich noch einmal daran erinnern, dass die Bevölkerung ein ganz hohes Vertrauen in die drei Säulen unserer demokratischen Republik hat: die Legislative, die Exekutive und die Judikative.

Wir wollen alle, dass dieses Vertrauen in diesem Sinne und Umfang erhalten bleibt. Das Parlament ist der Ort der Aufklärung, der Diskussion, der Fragen und Antworten. Dabei geht es aber nicht nur um das Was, sondern auch um das Wie. Daher ersuche ich Sie, sich diesem Thema wirklich mit der gebotenen Sachlichkeit und mit einem ent­sprechenden respektvollen Umgang zu nähern und auch durch diese Diskussion unter Beweis zu stellen, dass unsere Bevölkerung dieses hohe Vertrauen zu Recht hat.

Ich erteile Herrn Abgeordnetem Klubobmann Mag. Kern als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Herr Abgeordneter, bitte sehr.