11.40

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Klubobmann Rosenkranz hat ja schon einiges richtig­gestellt. Aus gegebenem Anlass darf ich mich auch zum Thema „ewiges Rück­trittsrecht“ – unter Anführungszeichen – bei Lebensversicherungen zu Wort melden. Es gibt derzeit noch keine Lösung des Problems des ewigen Rücktrittsrechts bei Lebens­versicherungen. Daher war es auch nicht beabsichtigt, dass in der heutigen Sitzung eine Sanierung des Versicherungsvertragsgesetzes auf die Tagesordnung kommt.

Das heißt, der Aufruf der Liste Pilz ist falsch und irreführend. Ich möchte diesen Aufruf des Abgeordneten Kolba kurz zitieren und dann darauf replizieren. Ich zitiere: „Achtung (fondsgebundene) Lebensversicherungen. Wer (infolge falscher oder fehlender Rück­trittsbelehrung) den Rücktritt erklärt, bekommt derzeit seine Einzahlungen samt 4% Zinsen erstattet. Kursverluste trägt die Versicherung. Schwarz-Blau plant, dass ab 30.4.2018 der Versicherungsnehmer den Kursverlust tragen muss. Das soll am Mi“ – also heute – „im Nationalrat durchgepeitscht werden.“ Unterzeichnet: „Peter Kolba. Liste Pilz“.

Die Liste Pilz verkennt hier die Rechtslage, die ich kurz umreißen möchte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist jedenfalls das Erlöschen des Rücktrittsrechts nach einem Jahr – trotz fehlerhafter Belehrung über das Rück­tritts­recht – europarechtswidrig. Die Rechtsfolgen des Rücktritts, Herr Kollege, sind höchst­gerichtlich noch nicht geklärt.

Es gibt dazu zwei Extrempositionen, und eine dieser Extrempositionen vertreten Sie. Die eine Extremposition ist, dass der Versicherungsnehmer nur den Rückkaufswert bekommt, also die Anlageverluste trägt. Die andere Extremposition, die Sie vertreten, die aber genauso nicht höchstgerichtlich abgesichert ist, ist, dass die Prämien plus 4 Prozent - - (Abg. Kolba: Aber viele Urteile in erster und zweiter Instanz ...!) – Passen Sie auf, dann kennen Sie sich nächstes Mal besser aus, Herr Kollege! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Schieder: Keine Polemik von der Regierungsbank! – Abg. Heinisch-Hosek: Sie sind auf der Regierungsbank! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Die andere Extremposition wäre, dass die Prämien plus 4 Prozent Zinsen plus allfällige höhere Kapitalanlageergebnisse zurückgezahlt werden müssen. (Abg. Schieder – in Richtung Präsident Sobotka –: Sie sind unser Präsident! Das ist ja unter jeder Kritik! – Ruf bei der SPÖ: Herr Präsident ...! So müssen wir uns ja nicht behandeln lassen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Ruf bei der FPÖ: Schluss mit den Schreitiraden! – Abg. Schieder: Sie sind kein Regierungskommissar, sondern Präsident des Nationalrates! Wirklich! – Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Staatssekretär Fuchs ist am Wort! (Abg. Kuntzl: Das war jetzt alles? – Ruf bei der SPÖ: Das ist eine unfassbare ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs (fortsetzend): Danke, Herr Präsident!

Die Wahrheit zwischen diesen beiden Extrempositionen wird, so wie das eigentlich sehr oft der Fall ist, in der Mitte liegen. Herr Abgeordneter Kolba, ich darf Ihnen ein plakatives Beispiel nennen (Abg. Kolba: ... vom Obersten Gerichtshof entschieden werden, nicht von Ihnen!), vielleicht verstehen Sie es dann besser. (Ruf bei der SPÖ: Sie sind Regierungsmitglied ...!)

Das wäre so, als ob der Herr Abgeordnete Kolba eine Urlaubsreise buchen würde (Ruf bei der SPÖ: Unfassbar!) und zehn Jahre später die Reisebuchung wegen einer fehlerhaften Belehrung über die Urlaubsreise anfechten könnte und letzten Endes das Geld samt Zinsen vom Reisebüro wieder zurückbekommen würde. (Ruf bei der SPÖ: Unfassbar! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ein solches „Gratis-Urlaubs-Modell“, Herr Abgeordneter Kolba, wäre falsch verstandener Konsumentenschutz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Kolba: Das ist ungeheuerlich!)

Irgendwann muss es Rechtsfrieden und damit auch Rechtssicherheit geben, Herr Abgeordneter. (Abg. Kolba: Die Rechtssicherheit ...!) Da potenziell sämtliche Lebens­versicherungsverträge seit 1994 unrichtige Belehrungen enthalten, müssen wir dafür Sorge tragen, dass eine Rücktrittswelle nicht die Stabilität der Versicherungswirtschaft gefährdet. (Abg. Kolba: Darum geht’s! Ja, die Gewinne müssen bleiben ...! – Weitere Zwischenrufe bei der Liste Pilz.) Es braucht eine ausgewogene Lösung, Herr Abge­ordneter (Abg. Kolba: Ja, ja!), zwischen der Versicherungswirtschaft einerseits und den Rechten der Konsumenten andererseits, das ist ganz wichtig. Sie haben unsere Fraktion heute ja schon gelobt, nämlich Herrn Abgeordneten Wurm. Es braucht eine ausgewogene Lösung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

An dieser Lösung arbeiten wir derzeit, und ich fordere Sie auf: Bringen Sie sich konstruktiv ein, machen Sie entsprechende Vorschläge zum Wohle der Konsumenten, aber auch solche, die dafür sorgen, dass die Versicherungswirtschaft nicht auf die Barri­kaden steigen muss. Eine ausgewogene Lösung ist hier gefragt, Herr Abge­ordneter. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hermann Brückl. – Bitte.