12.08

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Herr Finanzstaatssekretär! Ich habe wieder sehr viel zugehört, Für und Wider, und ich habe versucht, mir ein Bild zu machen. Ein Ausdruck, der von Kollegen Rossmann genannt wurde, war, dass Verschuldung auch Vermögen ist. Ich habe mich jetzt gefragt, wie man da ein Bild malen kann.

Ich komme aus der Bauwirtschaft: Die Republik Österreich ist ein Haus, und dieses Haus war nach dem Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gelegt. Wir haben dieses Haus wiederaufgebaut – alle miteinander, unsere Großväter, unsere Väter –, wir leben jetzt in diesem Haus, der Republik Österreich, wir werden eigentlich international ange­sehen, wir können stolz sein, dass wir in diesem Land leben dürfen.

Wir haben in der Zwischenzeit in dieses Haus auch immer wieder investieren müssen, es sanieren müssen. Wir haben in Ausbildung investiert, wir haben in Verbesserungen im Bereich der Verteilungsgerechtigkeit investiert; in den Siebziger-, Achtzigerjahren haben wir gesagt: mehr Urlaub, mehr Einkommen! In den Neunzigerjahren haben wir investiert, wir haben gesagt: Auch die Pflege ist uns wichtig, wir schaffen das Pflegegeld! Wir haben bei Erdbeben investiert, bei Krisen, bei Katastrophen wie bei der Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise 2008.

Das Haus steht noch immer, und dieses Haus hat eine Verschuldung, aber dem steht auch ein Vermögen gegenüber, und deswegen halte ich es nicht für fair – egal, wer dieses Haus geführt hat, welche Regierung das war, welcher Finanzminister gerade am Ruder war –, dass man dieses Haus so schlechtredet (Abg. Neubauer: Das machen wir ja nicht, das macht ja ihr!), etwa indem ein Finanzminister sagt, man habe eine falsche Budgetpolitik gemacht. Das ist nicht fair, egal, wer dieses Land geführt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Schulden! Schuldenpolitik hat man gemacht!)

Ja, wir haben jetzt eine Hochkonjunktur, wir haben jetzt die Chance, ein Nulldefizit zu erreichen und Schulden abzubauen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Diese Hochkonjunktur hat aber auch die Politik gebraucht, das heißt, wir schaffen ja nicht Beschäftigung, damit wir Hochkonjunktur haben, wir schaffen ja in der Politik nur die Rahmen­bedingungen – egal, ob auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene. (Abg. Belakowitsch: ... auch international!) Die Politik macht die Rahmenbedingungen. Wir haben jetzt mehr Beschäftigung. Mehr Beschäftigung heißt: mehr Einnahmen an Steuern, mehr Einnahmen an Abgaben. Mehr Beschäftigung heißt: weniger Ausgaben bei Sozialleistungen, weil die Leute länger im Job bleiben.

Und dann fragt man: Okay, wie schaffen wir das Nulldefizit? Wie schaffen wir es, Schulden abzubauen? – Jetzt kommt die Kritik: nicht so, indem man bei jenen Men­schen den Sparstift ansetzt, die jahrzehntelang, die Väter für ihre Kinder, Abgaben be­zahlt haben; nicht so, dass man die Gesellschaft bei den Familien spaltet. Sie können noch hundert Beispiele mit dem Familienbonus bringen, geben Sie mir eine Antwort auf meine gestrige Frage: Warum werden Hunderttausende Kinder von einkommens­schwachen Familien nicht gleich behandelt wie Kinder von Familien, die ein höheres Einkommen haben? Das ist nicht sozial gerecht. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Bösch: ... die Eltern dieser Kinder zahlen keine Steuern!)

Wir werden noch genug Möglichkeiten haben, das im Zuge der Budgetsitzung im Ausschuss Punkt für Punkt abzuackern, Herr Finanzminister.

Ich bin aber schon immer wieder verwirrt über jede Meldung, die täglich da irgendwo rauskommt. Gestern war die Meldung zum Beispiel zum Thema Pflege, Sie werden das Gespräch mit den Ländern suchen, um eine Lösung bis zum Sommer zustande zu bringen, wie die Abschaffung des Pflegeregresses finanziert wird. Heute lese ich die Abschrift des Ö1-„Mittagsjournal“ oder „Frühjournal“, wo gesagt wurde, die Ab­schaf­fung des Pflegeregresses sei zu hinterfragen.

Genau das ist es, was ich als Sozialsprecher wirklich kritisiere (Zwischenruf des Abg. Loacker): Sie sparen nicht im System, Sie sparen bei den Menschen, egal, ob das Ältere sind, die kurz vor der Pension sind (Abg. Zanger: Geh, Beppo, du bist ja sonst sehr konstruktiv!), ob das Familien mit wenig Einkommen sind oder ob das Menschen sind, die den Staat entsprechend mitfinanziert, mitaufgebaut haben. Niemand ist davor gefeit – außer wenige hier in diesem Saal wahrscheinlich –, arbeitslos zu werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn 900 000 Menschen pro Jahr arbeitslos werden – nicht weil sie es wollen, sondern weil sie es werden –, dann müssen sie sich auch in Zukunft auf unser Haus, die Republik Österreich, verlassen können, darauf, dass sie hier ein Dach über ihrem Kopf haben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

12.14

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dr.in Dagmar Belakowitsch ist die nächste Rednerin. – Bitte.