15.16

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Amon! Ich bin nahezu fassungslos; fassungslos bin ich eigentlich nicht, weil ich schon einiges gewöhnt bin, insbesondere von der ÖVP. Das muss man sich aber wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe mit Kollegen Wittmann – er ist vorhin auch kreideweiß vor Ärger geworden (Abg. Rosenkranz: Um Gottes willen, der Arme!) – gesprochen, welche Übung wir die letzten Jahre und Jahrzehnte hier im Hause gepflogen haben.

Es war selbstverständlich, als wir in einer Koalition waren, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP, auch bei unangenehmen Themen, Hearings immer öffentlich abzuhalten. Es haben immer alle mithören können. Das ist auch naheliegend, denn wir sind das Parlament, die Vertretung der Öffentlichkeit, der Menschen draußen. Daher soll das, was zu entscheidenden Punkten – und das sind natürlich jene, zu denen man extra ein Hearing anberaumt, weil da eben noch vieles offen ist, zu dem man noch Expertinnen und Experten hören will – diskutiert wird und zu sagen ist, im öffentlichen Raum nachvollziehbar sein.

Warum gehen Sie jetzt plötzlich her und sagen, wir wollen davon abgehen, wir berufen uns auf die Geschäftsordnung, wir sind ein wenig ängstlich? Ich glaube nicht, dass Herr Kollege Amon ängstlich ist; ich glaube, der Herr Bundeskanzler ist derjenige, der wieder dahintersteckt. Er ist ja leider Gottes auch damals dahintergesteckt, als der damalige Justizminister und Vizekanzler Brandstetter diesen Entwurf verkaufen sollte – aus meiner Sicht übrigens einer der schlechtesten Entwürfe der Zweiten Republik.

Es gibt eine Reihe von Stellungnahmen, und ich kenne eigentlich wenig positive, außer die von der Regierungsbank, insbesondere vom jetzigen Präsidenten des National­rates, der diese Materien befürwortet hat.

Es gibt ja auch Möglichkeiten, da sinnvoll vorzugehen. Die Vernunft ist sicherlich die stärkste Verbündete im Kampf gegen das Verbrechen; diesen Kampf wollen wir ja alle erfolgreich führen, das ist ja überhaupt keine Frage. Was da aber bei diesen beiden Entwürfen geleistet worden ist, ist einfach grottenschlecht, Kolleginnen und Kollegen.

Die Rechtsanwaltskammer zerfetzt dieses Papier förmlich, die Technische Universität meldet sich als eine von vielen Universitäten und sagt: Freunde, das ist eigentlich ein Wahnsinn, was da passiert. Sogar die Datenschutzbehörde erklärt – ich zitiere –: „Ein Vergleich mit dem Ministerialentwurf des Jahres 2017 erhellt, dass die Überwachung verschlüsselter Nachrichten auf zusätzliche Straftaten, nämlich auf solche gegen Leib und Leben oder die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, ausgeweitet werden soll. Eine Begründung hiefür ist den Erläuterungen nicht zu entnehmen.“ – Das sagt die Datenschutzbehörde, die Behörde.

Und dann sagt man, wir wollen über all das nicht reden?! (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) Ich glaube, die FPÖ hätte sicherlich gesprochen, weil ja auch der Innenminister erklärt hat, dass er, gegen Ihren ursprünglichen Wunsch, diese weitere Begutachtung wünscht, weil es naheliegt, dass man bei solchen gefährlichen Dingen, wenn man sie nicht versteht – und ich glaube, der Herr Bundeskanzler versteht sie nicht –, hier natürlich eine breite Diskussion führt. Daher ist es mir absolut unver­ständ­lich, dass man es nicht haben will, dass Kameras und die Öffentlichkeit die Diskussion zu dieser Materie mitverfolgen können.

Wenn Sie nichts befürchten und meinen, dass das ein tolles Gesetz ist, und zwar in nahezu jeder Phase, dann diskutieren wir das! Ich habe einmal einen Ordnungsruf dafür bekommen. (Abg. Rosenkranz: Nur einmal?) Damals ging es um diese Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz, in der ausgeführt wird, dass mitunter Laien – Laien! – mit polizeilichen Aufgaben betraut werden sollen und im Block, im Gemeindebau zum Beispiel, schauen und lauschen sollen, was ihnen alles auffällt, und das wird dann weiter­geleitet. Es war damals das Wort Blockwart, wofür ich den Ordnungsruf be­kommen habe. Ich sage das aber nicht alleine, sondern das ist auch im Expertenkreis die Bezeichnung für diese merkwürdige Regelung.

Dass man dann darüber nicht reden soll, finde ich charakterlich nicht sehr stark. Ich finde es, vor allem wenn ich an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes denke, extrem schade, dass man sagt: Wir haben da ein sehr, sehr schlechtes Gesetz, aber es ist besser, wir reden nicht darüber, wir sagen den Leuten draußen nicht, dass es schlecht ist, wir bringen das jetzt irgendwie durchs Parlament. Der Herr Bundeskanzler erklärt dann: Wir haben wieder weitreichende Entscheidungen für die Zukunft getroffen!, oder er sagt: Zunächst habe ich mich sehr gefürchtet, aber jetzt bin ich wieder hoffnungsfroh!, wie er das zum Beispiel im Zusammenhang mit dem unglaub­lichen BVT-Skandal erklärt hat.

Ich halte das nicht für ein Format, ich halte das für absolut formatlos, meine Damen und Herren! Sie können aber Gift darauf nehmen (Abg. Haubner: Ich nehme kein Gift, da kannst du Gift drauf nehmen!), wir werden diese Art und Weise Ihrer Politik – und das haben Sie in erster Linie der ÖVP zu verdanken – sicherlich unters Volk bringen, meine Damen und Herren! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

15.22

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Amon hat sich zur Ge­schäfts­behandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.