16.41

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Frau Minister! Meine Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Meine Damen und Herren zu Hause vor den Bildschirmen! Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass die Pflege ein Politikfeld ist, für das wir dringend tragfähige Lösungen brauchen. Oder, vielleicht ein bisschen jovialer ausgedrückt: Die Pflege ist tatsächlich in gewisser Weise eine Baustelle, die wir als Gesetzgeber proaktiv hier in diesem Haus angehen müssen.

Wir erleben es in unseren Gemeinden, in unseren Sozialhilfeverbänden, dass ein enorm steigender Finanzierungsbedarf in diesem Sozialbudgetsegment gegeben ist. Laut Statistik Austria haben im Jahr 2016 etwa 250 000 Personen Pflege- und Betreuungsdienste in Anspruch genommen und ungefähr 66 000 Menschen haben bei diesen Pflege- und Betreuungsdiensten ihre Arbeit verrichtet. Dieser steigende Finan­zierungsbedarf liegt daher natürlich auf der Hand, und – man muss es ganz klar sagen – mit dem Beschluss am Ende der letzten Gesetzgebungsperiode, nämlich mit der Abschaffung des Vermögensregresses, haben wir die Finanzierung vor Ort noch um einiges verschärft.

Der Herr Finanzminister hat es im Rahmen seiner gestrigen Budgetrede sehr richtig und sehr treffend formuliert, als er gemeint hat, wir müssen das System Pflege neu aufsetzen. Ich denke, wir müssen da in zwei Bereichen neue Wege gehen, zum einen im Bereich der Organisation der Pflege, zum anderen im Bereich der Finanzierung.

Zur Organisation: Ja, es stimmt  die VorrednerInnen haben es auch schon ange­sprochen , es ist wichtig, dass wir jene Dienste stärken, die die Pflege und das Leben zu Hause möglichst lange unterstützen, eben die mobilen Dienste. Wir müssen auch zu einer Lenkung in die Richtung kommen, dass die teuerste Form der Pflege, nämlich die stationäre Pflege, wirklich nur dann in Anspruch genommen wird, wenn es nicht anders geht, also quasi als Ultima Ratio. Dazu bedarf es natürlich kluger gesetzlicher Maßnahmen, dazu bedarf es auch Lenkungseffekte.

Dieser Vermögensregress – wir wollen ihn nicht einführen, sondern ich berichte nur aus der Vergangenheit – hatte einen gewissen Lenkungseffekt. Ich bin Obmann des Sozialhilfeverbandes Graz-Umgebung und kann diesbezüglich mit ein paar Zahlen aufwarten: Im Jänner 2017 hatten wir in unserem Bezirk 48 Ansuchen um Zuzahlung zur stationären Pflege, im Jänner dieses Jahres hatten wir 126 Ansuchen. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Wenn wir dieses Haus vernünftig und nachhaltig bauen wollen, muss es uns auch in der Gesetzgebung gelingen, es so zu gestalten, dass die mobilen Dienste ganz klar forciert werden und die stationäre, die teuerste Form der Pflege nur als Ultima Ratio in Anspruch genommen werden kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Herr Finanzminister hat gesagt – darauf vertraue ich und daran werden wir auch mitarbeiten –, kurzfristig sind wir den Gemeinden und den Verbänden im Wort, dass wir den Einnahmenentfall durch die Abschaffung des Vermögensregresses eins zu eins ausgleichen. (Abg. Loacker: Nicht budgetiert!) Der Herr Finanzminister hat auch klar gesagt, bis Juni soll klar sein, welche Leistungen von den einzelnen Bundes­ländern rechtmäßig eingemeldet worden sind, und daran orientieren wir auch die Summe, die wir dann eben an die Gemeinden überweisen müssen.

Mittelfristig, ich glaube, das ist klar, müssen wir uns überlegen, wie wir die Pflege finan­zieren. Da kommt natürlich immer wieder die Frage ins Spiel, ob wir eine Beitrags­deckung machen, indem wir quasi Sozialversicherungsbeiträge einheben, oder ob wir sie über die Steuern finanzieren. Es gibt sowohl für die eine als auch für die andere Variante gute Gründe. Ich tendiere nach meinem bisherigen Wissensstand zurzeit eher zu einer Steuerfinanzierung, denn Tatsache ist, dass alle Menschen eines Landes, alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gemeinsam eine Risikogemeinschaft bilden. Gemeinsam zahlen wir Steuern, und daher können wir gemeinsam dieses Risiko Pflege aus dem Steuertopf finanzieren.

Meine Damen und Herren, wir haben das im Regierungsprogramm festgeschrieben, Sie können es nachlesen, bis zum Ende dieser Legislaturperiode müssen wir dieses System Pflege neu aufgesetzt haben. Was wir aber auch festgeschrieben haben und wofür wir in der Bevölkerung geschätzt werden, meine Damen und Herren, gerade von der SPÖ, ist, dass wir versprochen haben: Wir wollen unseren Staat ohne neue Steu­ern finanzieren. – Da sind wir der Bevölkerung im Wort.

Daher sind wir gegen diesen von Ihnen eingebrachten Antrag betreffend Finanzierung. Außer Streit steht, dass wir das System Pflege hier in diesem Haus in dieser Legis­laturperiode neu ordnen müssen; dazu bedarf es der Unterstützung aller, auch von Ihnen, liebe Opposition, und ich bitte Sie darum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

16.46

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klaus Fürlinger. – Bitte.