10.28

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Bürgerin­nen und Bürger! Wir zelebrieren in dieser Woche das Hochamt des Parlamentarismus. Es geht um das Budget der Republik, um in Zahlen gegossene Politik.

Herr Finanzminister, Sie haben diesem Haus ein Doppelbudget für die Jahre 2018 und 2019 vorgelegt, in dem viel Arbeit steckt. Ich will mich seitens NEOS bei Ihnen und bei den MitarbeiterInnen Ihres Hauses ganz herzlich für die Arbeit bedanken. Weiters be­danke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Parlamentsdirektion für die perfekte Abwicklung der Budgetwochen und nicht zuletzt beim Budgetdienst des Parlaments, der uns Abgeordneten mit seiner Expertise stets unparteiisch und sachlich zur Seite gestanden ist. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und FPÖ.)

Nun komme ich zum Inhaltlichen: Was diesem Budget fehlt, ist der notwendige Mut. Auf den ersten Blick wirkt das Budget wenig spektakulär und sozusagen – man hört das auch von vielen Seiten – eh okay. Ich fühle dabei einen großen Schmerz, denn in Wahrheit ist dieses Biedermeierbudget in seiner politischen Untätigkeit hochriskant. Wa­rum? – Weil wir erstens historische Rahmenbedingungen haben – Hochkonjunktur, ho­he Steuereinnahmen, niedrige Zinsbelastungen –, um zweitens die notwendigen Refor­men anzugehen.

Das heißt also, wir verlieren sinnloserweise zwei Jahre, fast die Hälfte der Regierungs­periode wird vertschatschelt. Darin liegt mein Schmerz. Dieses Doppelbudget ist ein in Zahlen gegossener Beleg für die Untätigkeit der neuen Regierung.

Dieses Doppelbudget bildet den Rahmen für zwei von fünf Jahren Ihrer Regierungs­periode, die Sie mit diesem Biedermeierbudget ungenutzt verstreichen lassen. Worauf warten Sie? Sie vertrösten uns auf 2020; und ich frage mich wirklich: Was wird 2020 besser sein und warum kommen Sie nicht ins Tun? Nur den Status quo zu erhalten, ist im Augenblick, in Zeiten des Wandels – wir wissen es alle – hochriskant.

Jetzt schauen wir uns einmal an, was Sie in den nächsten zwei Jahren tun! Ich greife ein paar Punkte heraus. Sie haben gesagt, Sie wollen im System sparen. Wir haben uns das gut angeschaut. Wir sehen, dass Sie in jedem Ressort mehr Geld ausgeben, außer bei Migration und Asyl. Sie wollen trotz des Familienbonus Plus einen Budget­überschuss von 500 Millionen Euro erwirtschaften. Nach der Berechnung von Experten kostet der Familienbonus Plus um die 2 Milliarden Euro und nicht 1,5 Milliarden Euro im Jahr.

Weiters haben Sie ins Budget 2019 eine Rückzahlung aus Bayern von 800 Millionen Euro, eine Sonderzahlung, eingepreist. Ich fasse zusammen: Sie geben nächstes Jahr wahrscheinlich 500 Millionen Euro mehr aus, es ist mehr als fraglich, ob diese 800 Millionen Euro fließen werden, das Risiko beträgt also insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Das lässt Ihren Überschuss schon wirklich blass aussehen und ins Minus rut­schen. Meine Kolleginnen und Kollegen werden im Verlauf der Woche noch genauer auf die einzelnen Haushaltskapitel eingehen.

Ich möchte aber neben diesen verlorenen zwei Jahren den Blick noch auf etwas ande­res werfen, nämlich auf die gebrochenen Versprechen. Mir ist klar, dass völlige Eini­gung bei einem Budget hier im Parlament und in einer Koalition nicht möglich ist, das ist auch nicht zu erwarten, aber was schon zu erwarten gewesen wäre, ist die Ein­haltung dessen, was ÖVP und FPÖ im Wahlkampf versprochen haben.

Herr Finanzminister, was mich enttäuscht, betrifft nicht Sie persönlich. Ihre Kompetenz ist unbestritten und Sie waren zum Zeitpunkt des Wahlkampfes noch nicht im Amt, aber spätestens mit der Angelobung als Minister sind Sie mit in die Verantwortung ge­gangen, und in dieser Verantwortung ist das einzuhalten, was den Menschen in unse­rem Land im Wahlkampf versprochen wurde. Das ist die Abschaffung der kalten Pro­gression, dieses heimlichen Griffs in die Geldtaschen von uns allen. Wo ist die effektive Schuldenbremse im Verfassungsrang zugunsten der nachfolgenden Generationen? Wo war der Druck auf die Länder, die Transparenzdatenbanken zu befüllen, um dem verschwenderischen Umgang mit Fördergeldern entgegenzuwirken? Wo sind die Investitionen in die Zukunft, in Bildung, Digitalisierung, Umweltschutz, Infrastruktur? Wo ist die vom Rechnungshof seit Jahren – man möchte schon fast sagen: seit Jahr­zehnten – eingeforderte Reform des Haushalts- und Rechnungswesens, um mehr Trans­parenz für die SteuerzahlerInnen zu erzeugen? Wo finden sich die Reformen der Struktur, um Aufgaben, Einnahmen und Ausgaben auf einer Ebene zusammenzufüh­ren? Wo sind die Reformen für Pension, Pflege und Gesundheitswesen? Wo trifft die Bundesregierung ehrliche Vorsorge für die Sicherung unseres Rechtsstaates? Sie wissen es, ich spreche über die ausreichende Dotation unserer Justiz, einer der drei Säulen, auf denen unsere gewaltentrennende Demokratie beruht. All das sehen wir nicht im Budget abgebildet.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die viel zu hohen Ausgaben in diesem Land. Ös­terreich gibt in vielen Bereichen Geld aus, ohne die Wirkung dieser eingesetzten Gel­der wirklich zu überprüfen. Traditionell haben unsere Regierungen ein stark von der In­putseite geprägtes Politikverständnis, frei nach dem Motto: Mehr Geld bedeutet auch mehr Leistung. Das ist aber nicht zwingend richtig. Stellt man in den verschiedenen Politikfeldern Kosten den Leistungen gegenüber, so wird im internationalen Vergleich klar, dass wir erhebliche Effizienzpotenziale hätten. Es zeigt sich, dass viele Länder sogar höhere Leistungsniveaus bei niedrigeren Kosten erreichen, etwa in den Berei­chen soziale Sicherung, Bildung, Verwaltung, aber auch Gesundheit. Das Sparpoten­zial ist enorm. Studien zeigen Folgendes: Wären wir in diesen vier Bereichen so gut wie die besten Länder in Europa, so ergäbe das ein Sparpotenzial von 25 Milliarden Euro.

Diese Effizienzpotenziale vollständig zu heben, ist unrealistisch – das passiert nicht über Nacht – und vielleicht auch nicht überall notwendig, aber wenn es nur im Ansatz gelingen würde, diese Themen anzugehen und die Potenziale auszuschöpfen, dann wäre die Senkung der Abgabenquote auf unter 40 Prozent in greifbarer Nähe, und zwar das sei betont – ohne Verschlechterung der Leistungsniveaus. Wir müssen uns daher ganz klar an den besten Ländern, an den effizientesten Ländern in der Europäi­schen Union orientieren.

Wie gesagt ist es nicht zu erwarten, dass wir im Hohen Haus hinsichtlich des zu be­schließenden Doppelbudgets in allen Fragen vollkommen einig sind. Eine solche Eini­gung ist ja selbst innerhalb der Regierung nur in schwierigen Verhandlungen und in ei­nem zähen Ringen mit den Ministern möglich.

Herr Finanzminister, nach den Beratungen im Budgetausschuss habe ich den Eindruck gewonnen, Sie haben nach bestem Wissen und Gewissen gerungen. Das Ergebnis ist für mich dennoch enttäuschend; und, meine Damen und Herren Abgeordnete hier in diesem Parlament, ich habe zwar keine Glaskugel, aber ich glaube, Sie werden das Budget mehr oder weniger genau so beschließen, wie es hier vorliegt. Sie setzen auf die Erhaltung des Status quo, und das ist in Zeiten des Wandels fahrlässig – und wir verlieren wertvolle Zeit.

Wenn es aber in dieser Woche, während der parlamentarischen Beratungen noch ge­lingt nachzubessern, dann wäre das ein Beleg für ein selbstbewusstes Parlament und für eine vitale Demokratie in unserem wunderbaren Land. Lassen Sie uns das versu­chen! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Kern.)

10.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.