11.12

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das habe ich auch noch nie erlebt, dass jemand das Fehlen eines an­deren Parteivorsitzenden beklagt, während sein eigener nicht anwesend ist. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.) Das ist erstmalig (Abg. Rosenkranz: Das ist schon oft passiert, da haben Sie nie aufgepasst!), aber vielleicht ist das in der Aufre­gung übersehen worden.

Wir diskutieren jetzt das Budget. Kollege Kopf hat vorhin auf eine Diskussion verwie­sen und dabei in vielem recht behalten. Natürlich ist die Steuer- und Abgabenquote in erster Linie davon abhängig, was wir uns hier ausmachen, was wir gemeinsam regeln und was jeder privat macht. (Abg. Rädler – aufgrund des im Vergleich zum Vorredner ruhigen Tonfalls des Redners –: Schreien Sie nicht so! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Danke für den Hinweis. Natürlich stimmt das, da hat Kollege Kopf recht, man kann die Steuer- und Abgabenquote ganz einfach senken, indem man zum Beispiel sagt: Wir privatisieren das Gesundheitssystem, wir schließen zum Beispiel die AUVA, bei Un­fällen muss halt dann jeder für sich selber die Sachlage irgendwie klären! (Abg. Gu­denus: Das ist ja ein Gschichterl, bitte!) So kann man ganz schnell die Steuer- und Abgabenquote senken, das ist aber nicht der Weg, den wir gehen wollen. Wir sind der Meinung, dass wir gute öffentliche Leistungen brauchen, dass wir ein gutes Gesund­heitssystem, ein gutes Bildungssystem, ein gutes Pensionssystem brauchen – und nicht Kürzungen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Wieso haben Sie dann in der letzten Zeit immer so viel Mist gebaut?)

Kollege Kopf hat aber natürlich auch damit recht, dass es notwendig ist, die Schulden abzubauen. Etwas, das in dieser einen Woche im Budgetausschuss herausgearbeitet werden konnte, ist, dass die Schulden im Jahr 2017 gesunken sind, und zwar nominell. Der Finanzminister selbst hat gesagt, die Schulden sind um 7 oder 8 Milliarden Euro, glaube ich, gesunken. Also bitte, wenn Sie jetzt eine Kehrtwende in der sogenannten Schuldenpolitik machen, was wollen Sie uns damit androhen? – Dass Sie wieder ein Ansteigen der Schulden dulden, jetzt, wo wir den Staat endlich saniert haben (Heiter­keit bei ÖVP und FPÖ – Abg. Gudenus: Der war gut!) und wieder eine sinkende Schuldenquote vorzuweisen haben?! Das hoffe ich wohl doch nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Kopf hat auch recht, wenn er sagt, die Steuern seien für manche in Österreich zu hoch, nämlich für jene, die arbeiten. Ja, wir haben die Steuern und Abgaben in den letzten zehn Jahren in drei Schritten gesenkt, sie sind aber immer noch zu hoch, vor allem im Vergleich zu den Steuern, die Millionäre und alle, die über Vermögen verfü­gen, zahlen. In anderen Ländern müssten die zehn, zwölf Mal so hohe Steuern wie in Österreich zahlen, während diejenigen, die einer Arbeit nachgehen, weniger zahlen. (Abg. Rosenkranz: Nordkorea!) Ja, das wollen wir ändern. Wir wollen Steuern auf Arbeit senken und Schluss machen mit den Steuergeschenken für Millionäre! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Wenn wir sagen, das Budget ist die in Zahlen gegossene Politik, dann wollen wir uns anschauen, was das bedeutet; im Folgenden ein paar Dinge aus dem Budgetbegleitge­setz, die heute beschlossen werden sollen, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob Sie das alles wissen.

Wir haben ein Problem mit Lohn- und Sozialdumping. Ja, wir haben ein Problem mit Schwarzarbeit, weil keine Steuern von Arbeitgebern bezahlt werden, damit, dass Men­schen unter Kollektivvertrag bezahlt werden, und so weiter. (Abg. Rosenkranz: Das höre ich heute zum ersten Mal von Ihnen, Kollege! Das ist unglaublich!) Dafür gibt es heute Strafen, und zwar hohe Strafen. Wenn jemand 100 Personen illegal beschäftigt, dann zahlt er hundert Mal Strafe, denn wir wollen nicht, dass sich Schwarzarbeit lohnt. Wir wollen nicht, dass es sich lohnt, Lohn- und Sozialdumping zu betreiben. Was macht die Regierung jetzt, was wollen Sie jetzt alle beschließen? – Wenn 100 Leute illegal beschäftigt werden, soll nicht mehr hundert Mal Strafe bezahlt werden, sondern wie oft? – Ein Mal! Das, was Sie machen, ist, es attraktiv zu machen, im großen Stil Lohn- und Sozialdumping zu betreiben, und das nennen Sie dann Entbürokratisie­rung. – Nein, das ist nicht Entbürokratisierung, das ist eine Schande für Österreich, da­mit schaffen Sie Probleme! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Wir haben alle Experten, den Minister und so weiter gefragt: Gibt es ein internationales Beispiel dafür, dass man Kindern, die nicht gut Deutsch können, mit in Zukunft weniger Lehrern Deutsch beibringen kann? Bedeuten weniger Lehrer bessere Deutschkennt­nisse? – Kein einziger kann das bestätigen, weil jeder weiß, das wäre absurd. Das ist aber genau das, was Sie machen: Sie kürzen die Sprachförderung an österreichischen Schulen durch eine Reduktion um circa 450 Lehrer. Wird das Österreich besser ma­chen, wird das die Deutschkenntnisse der Schülerinnen und Schüler in Österreich ver­bessern? – Nein! Sie schaffen Probleme, Sie lösen keine Probleme. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Strolz und Noll.)

Etwas, was ich seit 15 Jahren in diesem Haus noch nicht erlebt habe, sind diese Son­dertöpfe und Sonderbudgets, die Sie schaffen. Natürlich ist es bei Regierungsverhand­lungen so, dass man Budgets aufstockt und auch klar sagt, wofür man das Geld ver­wendet. Das muss dem Finanzministerium von den Ressorts gesagt werden, und das Finanzministerium muss das uns Abgeordneten, dem Parlament, berichten.

Wie wir in dieser Budgetwoche herausarbeiten konnten, mit den einzelnen Ministern, bekommt Kanzler Kurz 50 Millionen Euro Sonderbudget – vollkommen unklar ist, wofür das Geld verwendet werden soll – plus 40 Dienstposten zusätzlich. Kollegin Kneissl, die Außenministerin, soll 30 Millionen Euro – ich zitiere – „zur freien Verfügung“ be­kommen. Minister Moser soll in den Jahren 2018/2019 circa 130 Millionen Euro unter dem Titel Differenz zwischen Auszahlungsbetrag und politischer Vereinbarung bekom­men. Kollege Kunasek – das ist die beste Formulierung, die ich jemals bei Budgets gelesen habe – soll 60 Millionen Euro unter dem Titel „Feel Free“, also: Mach damit, was du willst!, bekommen. Kollege Strache soll 15 Millionen Euro Sonderbudget plus 40 Dienstposten bekommen. Kollegin Köstinger soll 55 Millionen Euro bekommen, auch unter dem Titel Differenz zwischen politischer Vereinbarung und Auszahlungsbe­trag.

Das habe ich in Österreich noch bei keinem Budget erlebt, nicht einmal Grasser hat sich getraut, so ein Budget und solche Zahlen hier vorzulegen. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Wenn jemand fragt: Was sind denn 60 Millionen Euro, was sind 50, was sind 30 Mil­lionen Euro?, dann stelle ich fest: Die Frauen, die Gleichstellung von Frauen ist Ihnen gerade einmal 10 Millionen Euro wert! Fast alle Minister bekommen ein Vielfaches und können damit tun, was sie wollen – Feel Free, zur freien Entnahme, zur freien Ver­fügung, wie auch immer es genannt wird. Das ist nicht Budgetpolitik, wie wir sie uns vorstellen.

Noch ein Schlusssatz, Kollege Strache – gerade eben war er noch da, jetzt ist er weg; ich erzähle es trotzdem –: Am Sonntag findet der Marathonlauf statt; das ist ein ganz großer Feiertag in Wien. Es gibt ganz viele Versorgungsstellen, und eine Versorgungs­stelle habe ich mehrere Jahre lang organisieren dürfen, nämlich jene am Kardinal-Nagl-Platz, 100 Meter davon entfernt, wo Kollege Strache aufgewachsen ist, 100 Meter davon entfernt, wo ich in die Schule gegangen bin. Dort war Ende der Achtziger-, An­fang der Neunzigerjahre auch ein Mädchen dabei, das Wasser an die Läufer ausgeteilt hat – etwas, was man jetzt am Sonntag wieder beobachten kann. Dieses Mädchen war ein Flüchtlingskind. Sie ist mit vier Jahren nach Österreich gekommen, und ihre Ent­wicklung ist eine Erfolgsgeschichte: Sie ist top integriert, hat Medizin studiert, macht gerade die Turnusplatzausbildung, engagiert sich auch in der Politik und wird jetzt als perfektes Integrationsbeispiel stellvertretende Bezirksvorsteherin im 1. Bezirk in Wien.

Diese Frau hat nur einen „Nachteil“: Sie hat eine dunkle Hautfarbe, und als sie vorge­stellt wurde, hat es von der FPÖ, von Politikern der FPÖ unglaubliche Postings gege­ben, rassistische, sexistische Postings, und dafür sollte sich der Vorsitzende dieser Partei endlich entschuldigen. Sie ist nämlich genau dort aufgewachsen, sie hat genau dort gespielt, wo er als Kind gespielt hat, sie ist genau in der gleichen Gegend, im gleichen Viertel aufgewachsen – in Erdberg in Wien – wie er, und dass dieses Kind von (in Richtung FPÖ) Ihren Funktionären rassistisch und sexistisch beschimpft wird, dafür sollten Sie sich schämen. (Abg. Heinisch-Hosek: Unglaublich!)

Mireille Ngosso wird stellvertretende Bezirksvorsteherin im 1. Bezirk; das finden wir gut. Wir freuen uns, dass wir in einem Land leben, in dem, wenn Kinder als Flüchtlinge kommen, diese Profifußballer werden und für Österreich Tore schießen können wie Junuzović, Ärzte werden und unsere Menschen operieren können, und wir freuen uns auch, wenn sie Politiker werden und unsere Interessen vertreten. – Danke schön. (Bei­fall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

11.21

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Johann Singer zu Wort gemeldet. – Bitte.