18.05

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Im Regie­rungsprogramm hat man sich in der Familienpolitik hohe Ziele gesteckt. Im Kapitel „Fairness und Gerechtigkeit“ werden wunderschöne Floskeln auf einem Silbertablett serviert, die einen denken lassen, das klingt auf den ersten Blick ganz gut. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Betrachtet man aber das Budget zum passenden Regierungsprogramm, so lesen sich die nackten Zahlen nicht mehr wie das familienfreundliche Märchen, das im Regie­rungsprogramm vorgegaukelt wird. Von Fairness und Gerechtigkeit kann meiner Mei­nung und meiner Einschätzung nach nicht mehr wirklich die Rede sein. Mir drängen sich eher Begriffe wie Unausgewogenheit, Unausgeglichenheit, Ungleichheit und Un­gerechtigkeit auf.

Die Regierung will laut Regierungsabkommen gesicherte finanzielle Verhältnisse für Familien schaffen – schön –, aber sträubt sich mit Vehemenz dagegen, die im Wahl­kampf von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache versprochene Unterhaltsga­rantie umzusetzen, die alleinerziehende Mütter und alleinerziehende Väter vor Armut schützt und Kinder dieser Familien vor Armut schützen soll. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Die Regierung will weiters familienpolitische Leistungen einer Reform unterziehen – ebenfalls im Regierungsprogramm – und führt einen Familienbonus ein, bei dem 150 000 Kinder wenig bis gar nichts erhalten werden. Die Regierung will dafür sorgen, dass Familien den Alltag und die Herausforderungen des Lebens bestmöglich meistern können – wiederum schön –, vergisst dabei aber gänzlich auf die von Armut bedrohten Kinder in unserem Land.

Es ist heute schon gesagt worden: Jedes fünfte Kind in Österreich ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht; das sind 312 000 Kinder. Wie kann man das einfach so vom Tisch wischen? – 312 000 Kinder und Jugendliche unter 18! Die Armut erhöht ihr Risiko, die Schule vorzeitig zu verlassen, sie erhöht ihr Risiko, einen niedrigeren Bil­dungsstand zu erlangen, und beeinträchtigt somit ihre Lebenschancen, aber auch ihre Entwicklungsperspektiven. Außerdem führt Armut zu schlechterer Ernährung und be­fördert die Wahrscheinlichkeit von psychischen, aber auch physischen Erkrankungen.

All das dürfte ja nicht neu sein, Frau Ministerin. Diese Studien liegen ja vor, die gibt es ja, aber Ihre Antworten auf meine Fragen im Budgetausschuss, welche Maßnahmen Sie speziell gegen Kinderarmut setzen wollen, haben mich relativ verwundert und sprachlos zurückgelassen. Sie meinten, man würde jetzt eh schon so viel gegen Kin­derarmut unternehmen, und haben dabei seit Jahren bestehende Einmalzahlungen hervorgekramt und erwähnt, und außerdem, haben Sie gesagt, führe man ja jetzt den Familienbonus ein.

Frau Ministerin, der Familienbonus als Steuererleichterung bekämpft nicht einmal zu einem kleinen Anteil Armut, zu keinem Millimeter bekämpft der Familienbonus Kinder­armut. Mit dem Familienbonus erhalten Sie persönlich 4 500 Euro pro Jahr. Ich darf Ih­nen dazu gratulieren (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Noll: Bravo! Sehr gut!), ich weiß nur nicht, ob das gerecht ist. Ich weiß nur nicht, ob es Ihrem Anspruch von Fairness und Gerechtigkeit im Regierungsabkommen entspricht. (Abg. Rossmann: Kann es sein, dass das Klientelpolitik ist?) Vielleicht ein weiteres Beispiel: Auch Abgeordnete der Regierungsparteien werden fürstlich vom Familienbonus profitieren, den sie selbst­verständlich selbst beschließen werden.

Lieber Abgeordneter Kühberger von der ÖVP, ich darf Ihnen zu 9 000 Euro Familien­bonus jährlich gratulieren. Herzliche Gratulation! (Beifall und Bravorufe bei der Liste Pilz. – Abg. Rossmann: Sechs Kinder, bravo! – Abg. Schimanek: Eine Neiddebatte hier herinnen ist aber schon recht schäbig!) Ich weiß nur nicht, ob es gerecht ist und ob es einer Alleinerzieherin gegenüber fair ist, die vielleicht 250 Euro pro Jahr erhalten wird. Ich weiß nicht, ob es gerecht ist, für sich selbst einen Bonus zu beschließen, der einem persönlich 750 Euro pro Monat bringt, und dabei Alleinerziehende mit 250 Euro oder 0 Euro abzuspeisen. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Schimanek: Das ist schäbig! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Lächerlich!)

Frau Ministerin, lassen Sie sich das gesagt sein: Ein armutsgefährdetes Kind erhält nichts von diesem Bonus! Es ist ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung, sich so ein wichtiges Thema wie die Armutsbekämpfung nicht vorzuknöpfen. Familienpolitik sollte auf das Wohl der Kinder fokussiert sein und nicht auf das Einkommen der Eltern. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wollen mit unserer Politik die Kinder in den Mittelpunkt stellen und rücken jene 312 000 Kinder, die in Österreich von Armut bedroht sind, hiermit heute in unseren speziellen Fokus. Das ist echt sozial! Wenn diese schwarz-blaue Regierung ungeniert für Großunternehmer und Reiche lobbyiert (Abg. Mölzer: Was führen Sie für eine Neid­debatte? Da können Sie wieder zurück zur SPÖ gehen!) und mit Steuergeschenken um sich wirft – ich sage nur KÖSt-Senkung –, dann werden wir die Lobby für Kinder sein.

Ich bringe daher folgenden Antrag, den ich zusammen mit unserem Kinderrechtespre­cher Sebastian Bohrn Mena erarbeitet habe, ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „die Bekämpfung von Kinderarmut in Österreich“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Ministerinnen für Frauen, Familie und Jugend sowie für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz, werden aufgefordert, einen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Kin­derarmut zu erarbeiten, welcher konkrete Maßnahmen zur Beseitigung materieller De­privation bei Kindern umfasst.

Ebenso wird die Bundesregierung aufgefordert, als Sofortmaßnahme eine Strategie vorzulegen, wie von allen in Frage kommenden Ressorts in ihren jeweiligen Bereichen, unter Rücksichtnahme auf das Budget 2018/2019, gezielt Beiträge zur unmittelbaren Reduktion der Kinderarmut und Linderung der negativen Auswirkungen für Kinder ge­setzt werden können.“

*****

Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung für diesen Antrag. Stimmen Sie zu (Ruf bei der FPÖ: Nein!), wenn Sie wirklich vorhaben, Familienpolitik so zu machen, dass damit auch Kinderarmut bekämpft werden kann. – Danke sehr. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Deimek: Wenn ihr das jetzt macht, brauchen wir nicht mehr zuzustimmen! – Abg. Neubauer: Sie sind besser bei der KPÖ aufgehoben!)

18.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA,

Kolleginnen und Kollegen,

betreffend die Bekämpfung von Kinderarmut in Österreich

eingebracht im Zuge der Debatte über die Tagesordnungspunkte 4-6,

zu Top 4) „Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (64 und Zu 64 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2018 bis 2021 und das Bundesfinanzrahmengesetz 2019 bis 2022 erlassen werden (102 d.B.)“, UG 25

Begründung

Jedes fünfte Kind in Österreich ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht – das sind 312.000 unter 18-Jährige. Die Armut erhöht ihr Risiko, die Schule vorzeitig zu verlassen und nur einen niedrigen Bildungsgrad zu erlangen. Sie erhöht die Wahr­scheinlichkeit von psychischen Erkrankungen. Armut im Kinderalter beeinträchtigt Le­bensperspektiven und Entwicklungschancen und führt zu Altersarmut. Studien aus Deutschland zufolge leben arme und wenig gebildete Menschen um bis zu zwölf Jahre kürzer als ökonomisch besser Gestellte – je früher sie von Armut betroffen sind, umso stärker die negativen Auswirkungen.

Armut macht auch einsam. Von Armut betroffene Kinder sind massiv in ihren sozialen Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt und können nur im stark begrenzten Ausmaß am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Dies kann eine Radikalisierung und Anfälligkeit für fundamentalistische Strömungen begünstigen. Der größte Risikofaktor für Kinderarmut ist die Erwerbslosigkeit der Eltern. Kinder in Haushalten ohne Erwerbsbeteiligung leben zu fast zwei Drittel unter der Armutsgefährdungsschwelle. Besonders stark betroffen sind Kinder von nicht erwerbstätigen Alleinerzieherinnen, sie sind zu 60% armutsge­fährdet.

Das Sozialsystem federt bislang viele Ungleichheiten ab und verhindert dadurch eine noch prekärere Situation für viele Familien. Ohne staatliche Interventionen wären rund 3,5 Millionen ÖsterreicherInnen von Armut bedroht. Mehr als die Hälfte aller Familien mit mehr als zwei Kindern wäre armutsgefährdet. Der Zugang zu flächendeckenden, kostenfreien Kinderbetreuungsangeboten stellt hier einen besonders protektiven Faktor hinsichtlich der Erwerbstätigkeit der Eltern dar, insbesondere von Frauen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Ministerinnen für Frauen, Familie und Jugend sowie für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz, werden aufgefordert, einen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Kin­derarmut zu erarbeiten, welcher konkrete Maßnahmen zur Beseitigung materieller De­privation bei Kindern umfasst.

Ebenso wird die Bundesregierung aufgefordert, als Sofortmaßnahme eine Strategie vorzulegen, wie von allen in Frage kommenden Ressorts in ihren jeweiligen Bereichen, unter Rücksichtnahme auf das Budget 2018/2019, gezielt Beiträge zur unmittelbaren Reduktion der Kinderarmut und Linderung der negativen Auswirkungen für Kinder ge­setzt werden können.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Dr.in Bogner-Strauß. – Bitte, Frau Minis­terin.