9.17

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir verhandeln das Bil­dungsbudget! Herr Taschner, Sie sind ja Mathematiker, da stellen S’ Ihnen außa - - (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Sich! Abg. Rosenkranz: Da stellen Sie sich heraus! Abg. Winzig: Da stellen Sie „Ihnen“ heraus! Abg. Rosenkranz: Da stellen Sie sich Ihnen heraus!) Er ist ja Mathematiker, kein Deutschlehrer. (Abg. Rosenkranz: Wegen der Förderklassen wäre es, Herr Kollege Strolz!) Da stellen Sie sich hier heraus und refe­rieren, dass dieses Budget für die Lösung des Sprachthemas, das wir in der österrei­chischen Schule tatsächlich haben, gemacht wurde.

Jetzt möchte ich Ihnen ein paar Zahlen bringen: Diese Bundesregierung (Abg. Rosen­kranz: Ist super!) gibt vor, dass sie mit 80 sogenannten Deutschförderklassen das Thema löst. Herr Taschner, wie viele Klassen haben wir insgesamt im österreichischen Schulsystem? Wie viele? (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Wir haben über 55 000 Schul­klassen in diesem Land, und jetzt kommt die Regierung und sagt: Da machen wir 80 Klassen und das Problem ist gelöst! (Neuerlicher Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Wir haben ein echtes Problem – und das ist die nationale Koryphäe für Mathematik? Da rollt es dir die Zehennägel auf, ich sag es dir! (Heiterkeit und Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dass wir natürlich beim Thema gemeinsame Unterrichtssprache Deutsch, Herr Minis­ter, ein Problem haben, das wissen wir alle. (Abg. Steinacker: Äpfel und Birnen ver­gleichen ist falsch!) Insgesamt ist Sprache ein Thema, das Zugewanderte wie auch Autochthone betrifft. Das hat damit zu tun, dass sich die sozialen Verhältnisse geän­dert haben, dass sich die Familienverbände in der Zusammensetzung geändert haben. Die Dreigenerationenfamilie ist nicht mehr vorhanden, es sind nicht so viele Geschwis­ter da et cetera.

Es sagen mir Lehrerinnen und Lehrer, dass das Thema natürlich auch bei Kindern mit einem Elternhaus mit langer österreichischer Tradition vorhanden ist, und natürlich müs­sen wir da gegensteuern.

Wir müssen anfangen – und das Thema ist jetzt bei Ihnen; das war auch ein langge­hegter Wunsch von uns NEOS –, endlich auch die Kindergärten ins Bildungsministeri­um zu holen. Wir müssen natürlich danach trachten, dass nach den ein, zwei, drei Jahren Kindergarten die gemeinsame Unterrichtssprache Deutsch auch beherrscht wird.

Ich sage auch, das ist doch keine Raketenwissenschaft und schaffbar, wenn wir darauf den Fokus legen, dass wir in den Kindergärten die gemeinsame Sprache auch kulti­vieren. Das hieße aber gleichzeitig, dass wir die Erstsprache, falls sie nicht Deutsch ist, anders schätzen lernen als bisher und anders, als das Blau und Schwarz sehen. Dann können wir das schaffen!

Das Problem ist nur: Was machen Sie mit dem Kindergarten? – Das Thema zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, das auch im Sinne der Chancengerechtigkeit so wichtig wäre, lassen Sie völlig links liegen. Der 15a-Vereinbarung, die dazu irgendwie in Aussicht gestellt wurde, traue ich nicht – sie ist auch budgetär nicht hinterlegt. Zum Thema Ausbau der Kinderbetreuung veranschlagen Sie im Jahr 2019 – und jetzt, Herr Taschner, anhalten, es kommt wieder eine doch beklemmende Zahl! – tatsächlich 1 000 Euro. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Ruf: Gewaltig!)

1 000 Euro – machen Sie das, um KindergartenpädagogInnen noch zu provozieren oder zu beleidigen, oder was soll das? Das ist ja völlig sinnbefreit! Ein Budgetansatz von 1 000 Euro für Hunderttausende Kinder (Ruf bei der SPÖ: Lächerlich!), das ist lä­cherlich. (Abg. Noll – in Richtung SPÖ –: Das muss er wiederholen!)

Dann schaue ich ins Budget – und deswegen ist mein Schmerz aufgrund dieses Bud­gets ein dreifacher –: Sie gehen im Bereich der Chancengerechtigkeit keinen Schritt voran. (Abg. Rädler: Warum gehen Sie nicht gleich zur SPÖ? Sie Linker!) Das Thema Chancenindex, das Thema Sozialindex wurde zwar von der letzten Regierung angeris­sen, aber Sie befüllen es nicht mit Zahlen. Sie werden es nicht machen, weil Sie die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben wollen. Das ist Ihr Thema! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Es sind nämlich nicht Ihre Kinder, das ist mir schon klar. Es sind nicht Ihre Kinder und Sie pfeifen drauf. (Neuerlicher Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Sie stülpen über das Gymnasium die Käseglocke und glauben, es bleibt alles gut. Ich sage: Ja, die Gymnasien leisten vielerorts gute Arbeit – ich will sie auch weiter mit dieser guten Arbeiten erhalten –, aber Sie müssen sich mehr um eine soziale Durchmischung kümmern, und da kommt von Ihnen gar nichts! Von Ihnen kommt da nichts! (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Sie stellen sich hierher und referieren über Brennpunktschulen. Mit Ihrer Politik befeu­ern Sie die Brennpunktschulen (Zwischenruf des Abg. Rädler), damit Sie anschließend einen Flächenbrand haben und so Ihr politisches Geschäftsmodell weiter betreiben kön­nen. – Das ist das Problem! (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Zum Thema Digitalisierung: In jeder McDonald’s-Filiale kann ich mich ins WLAN ein­klinken; in den österreichischen Schulen schaffen wir das nicht, und das im Jahr 2019. – Wir schaffen es nicht! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Es ist doch lächerlich, dass jede McDonald’s-Filiale es schafft, aber die österreichi­schen Schulen es nicht schaffen, und dass wir Schlusslicht bei Glasfaser sind, dass wir diesbezüglich auch in diesem Budget null veranschlagt haben. Ich kann Ihnen auch da wieder eine Zahl nennen. Zum Thema Digitalisierung und Lehrerfortbildung hat der Herr Minister noch im Ausschuss gesagt: Ja, es wurde ohnehin etwas veranschlagt, nämlich 500 000 Euro – bei 120 000 Lehrern. Das sind 4 müde Euro pro Jahr pro Leh­rer. 4 Euro?! – Das ist wirklich eine mächtige Offensive! (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ.) Damit kann er eine Dating-App herunterladen, mehr nicht! 4 Euro! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

In den Kinderzimmern ist die Digitalisierung angekommen (Abg. Belakowitsch: Nein, da schalten ... sie ab! – Abg. Rädler: In den Kinderzimmern ...!), aber nicht in Ihren Köpfen, und mit Ihrem Budget wird sie auch im Klassenzimmer nicht ankommen. Das ist ein echtes Problem.

Zum Thema Integration: Sie streichen den Integrationstopf in Höhe von 80 Millionen Euro, weil Sie sagen, Integration war vorübergehend irgendwie wichtig, aber jetzt ist sie das nicht mehr. – Aber, Herr Minister, Sie sind doch Wissenschafter! Sie wissen doch, dass Integration ein Prozess ist. Sie können doch nicht sagen: Jetzt haben wir einmal zwei Jahre lang etwas dafür ausgegeben, weil 2015 etwas war!, sondern wir hatten vor 2015 mächtige Probleme in der Integration und wir haben sie heute. (Abg. Belakowitsch: Wir haben Kriegsspiele in der Moschee!) Und zu sagen, wir schneiden das jetzt mit dem Topf weg, das ist wirklich Zukunftsraub gegenüber diesen jungen Menschen. Da gibt es nur Verlierer, egal ob mit inländischen oder ausländischen Wur­zeln. Da gibt es nur Verlierer, und Sie wissen das. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Sie wissen aber auch, dass Sie mit Ihrer Art von Symbolpolitik einfach Ihr politisches Geschäftsmodell weiter aufrechterhalten, indem Sie schreien: Da gibt es einen Brand!, aber nicht bereit sind, diesen Brand zu löschen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie leben mit Ihrem politischen Geschäftsmodell von diesem Brand und Sie wollen ihn größer machen. (Abg. Belakowitsch: Aber sie haben ... in der Moschee!)

Deswegen kürzen Sie zum Beispiel das Budget der Innovationsstiftung von 50 Millio­nen auf 2 Millionen Euro. Ihre Botschaft ist: Wir brauchen und wollen keine Innovation in der österreichischen Schule, weil ohnehin alles gut ist. – Das ist eine Fehlanalyse und das ist politisch natürlich ein völliger Fail (Abg. Lugar: Weiß das die SPÖ, was Sie da sagen?), wie die jungen Menschen sagen würden.

Deswegen bringe ich einen Entschließungsantrag ein, denn die Idee der Innovations­stiftung war großartig. Da wären auch viele Projekte betreffend die Digitalisierung drin gewesen. Ich glaube, wir brauchen so etwas auch für die Integration, nämlich eine Inte­grationsstiftung, bei der wir fragen: Wo sind die gelingenden Lösungen?, und die wol­len wir skalieren und größer machen. Ich bringe also folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen „betreffend Ermöglichung einer Integrationsstiftung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehest möglich alle notwendigen Vorausset­zungen dafür zu schaffen, dass im Jahr 2019 eine Integrationsstiftung – nach dem le­gistischen Vorbild der Innovationsstiftung für Bildung – etabliert werden kann. Diese soll Innovationsimpulse sowie die Umsetzung und Vernetzung von Pionier- und Mo­dellprojekten hinsichtlich Fragen der Integration ermöglichen, forcieren, evaluieren und skalieren.“

*****

Hier geht es also um die legistische Umsetzung, nicht um das Budget. In beiden Be­reichen muss man leider ein Totalversagen konstatieren. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Jarolim: Ihr ... ist im Budget immanent! – Ruf bei der FPÖ: Inhä­rent! – Heiterkeit bei der FPÖ. – Abg. Mölzer – auf dem Weg zum Rednerpult –: Deutsch­kurs!)

9.26

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ermöglichung einer Integrationsstiftung

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (14 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2019 (Bundesfinanzgesetz 2019 - BFG 2019) samt Anlagen – UG 30

Die Herausforderungen im Rahmen der Integration gehören unbestritten zu den wich­tigsten und zukunftskritischsten Fragen unserer Gesellschaft. Die diesbezügliche De­batte wird aber leider allzu oft fantasielos geführt. Dabei wäre es gerade in diesem Be­reich Aufgabe der Politik, die engagierten und innovativen Kräfte im System zu stärken, um in gelingende Lösungen zu kommen. Wir müssen daher die Frage der Integration neu denken.

Eine gute Interventionsmöglichkeit wäre in diesem Zusammenhang eine Integrations­stiftung – nach dem Vorbild der Innovationsstiftung für Bildung – zu etablieren. Strate­gisches Ziel dieser Stiftung wäre u.a. die Identifizierung, Bündelung und Unter-stützung der innovativen Kräfte und Ansätze im Bereich der Integration in Österreich, damit (neue) Problemlösungen noch stärker als bisher „von unten“ wachsen und rasch in die Breite kommen können. Eine der zentralen Aufgaben wäre damit die Ermöglichung, Unterstützung, Evaluierung und Skalierung von dahingehenden Innovationsimpulsen sowie konkreten Pionier- und Modellprojekten.

Eine weitere zentrale Aufgabe wäre die Vernetzung von Integrations- und Bildungsein­richtungen, Unternehmen und NGOs. Damit könnten positive Synergien zwischen dem Bereich der Integration und anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen geschaffen werden.

Strategische Entscheidungen über die Förderschwerpunkte sowie über Vergabeent­scheidung für einzelne Projekte sollen vom Stiftungsrat getroffen werden, der vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und vom Bundesministe­rium für Europa, Integration und Äußeres – nach einem öffentlichen Hearing – nomi­niert werden soll. Unterstützt wird der Stiftungsrat dabei von einem Wissenschaftlichen Beirat.

Eine Integrationsstiftung wäre damit ein kraftvolles und innovatives Instrument, um nachhaltige Entwicklungs- und Transformationsprozesse im Bereich der Integration zu initiieren und zu unterstützten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

 Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehest möglich alle notwendigen Vorausset­zungen dafür zu schaffen, dass im Jahr 2019 eine Integrationsstiftung – nach dem le­gistischen Vorbild der Innovationsstiftung für Bildung – etabliert werden kann. Diese soll Innovationsimpulse sowie die Umsetzung und Vernetzung von Pionier- und Modell­projekten hinsichtlich Fragen der Integration ermöglichen, forcieren, evaluieren und ska­lieren.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, ordnungs­gemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte.