9.42

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Während meiner Zeit in der medizinisch-epidemiologischen Forschung habe ich Analysen gemacht, und es waren nicht wenige, die hauptsächlich auf anonymisierten Patientendaten beruhten. Deswegen werde ich mich auch genau aus dieser Perspektive dem heutigen Thema nähern. Warum erzähle ich das? – Weil ich gerade auch aus dieser eigenen und per­sönlichen Erfahrung heraus weiß, wie wichtig systematische Gesundheitsdaten für die Forschung und natürlich auch wie essenziell sie für den medizinischen Fortschritt sind, aber auch essenziell für evidenzbasierte gesundheitspolitische Entscheidungen.

Gleichzeitig weiß ich aus dieser Erfahrung heraus aber auch, dass genau bei dieser Art der Daten immer ein Höchstmaß, und es ist wirklich ein Höchstmaß, an Sensibilität und Vorsicht geboten ist und immer auf die richtige Ausgewogenheit in dem Dreieck Patientenrechte, Datenschutz und schließlich auch Recht der Wissenschaft zu achten ist.

Wie stellt sich gerade bei dem Spezifikum Elga die Situation dar, die ja jetzt in den letzten Tagen sehr heftig diskutiert wurde? – Elgadaten sind definitiv nicht vergleichbar mit allen anderen klassischen Registerdaten und dürfen daher auch nicht gleich be­handelt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Elga aber definitiv ist, ist das größte Digitalisierungsprojekt der Sozialver­siche­rung, des Bundes und der Länder, ein gemeinsames Projekt, das vor vielen Jahren gestartet und entwickelt wurde. Elga wurde aber in erster Linie – und das müssen wir uns hier in dieser Diskussion immer vor Augen führen! – nicht für die Forschung entwickelt, sondern um die Gesundheitsversorgung der Menschen in diesem Land und nicht zuletzt die Patientensicherheit, das Wichtigste in der Gesundheitsversorgung, zu verbessern.

Genau darum geht es, und wir erinnern uns auch, dass es nicht ganz einfach war: Der Anfang von Elga war von einer gewissen Skepsis in der Bevölkerung, bei den Patien­tinnen und Patienten, in der Ärzteschaft überschattet, und wir alle wissen auch, welch große und mühevolle – würde ich fast sagen – Überzeugungsarbeit es gebraucht hat und immer noch braucht, um sowohl die Patienten als auch die Ärzteschaft für Elga laufend weiter zu gewinnen.

Ich sage Ihnen: Technisch ist Elga noch nicht fertig. Elga ist noch nicht bei den Patientinnen und Patienten angekommen, die spüren Elga noch nicht. Das heißt, wir haben die Gesundheitsversorgung, die Patientensicherheit noch nicht verbessert, sodass die Menschen davon wirklich einen eigenen Nutzen haben.

Elga ist im technischen Aufbau, und was macht die Regierung in genau dieser sen­siblen Aufbauphase? – Sie wissen es alle, sie verunsichert die Ärzteschaft, sie verunsichert die Patientinnen und Patienten, indem sie Folgendes diskutiert und sogar weiter geht, sie schreibt es jetzt in ein Gesetz: Sie gibt Elgadaten für die Forschung frei, vergleicht sie mit allen klassischen Registerdaten, die wir in Österreich zur Ver­fügung haben, mit einem Gießkannengesetz wie dem Forschungsorganisationsgesetz.

Sie öffnet damit diese höchst sensiblen Daten nicht nur für Medizinische Univer­sitäten – das wäre ja nicht das große Übel –, nein, sie öffnet diese Daten für alle Unternehmen dieses Landes, die mit diesen Daten Forschung betreiben wollen, For­schung jeglicher Art. Damit wird ein historisch wichtiges Elgaprinzip verlassen, zu dem es immer einen überfraktionellen Konsens gab, von Beginn der Elgaentwicklung an, nämlich das der parlamentarischen Kontrolle – und das darf nicht sein. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

Was ist da passiert? Das frage nicht nur ich mich. Das fragen viele, die mir Zuschriften und Postings zukommen lassen. Die FPÖ-Gesundheitsministerin, die ja quasi als Hüterin dieser Gesundheitsdaten und als Verantwortliche für Elga zeichnet, schreibt noch vor ein paar Wochen eine öffentliche Stellungnahme zum geplanten FOG, in der sie sich ganz klar gegen die Elgaöffnung für Forschungszwecke ausspricht, weil ihr dieses gefährliche Momentum bewusst und von ihren Expertinnen und Experten natürlich vermittelt wurde.

Was macht sie aber ein paar Tage später? – Sie stimmt im Ministerrat der Öffnung von Elgadaten zu. Das ist ein Zickzackkurs, wie wir ihn in den letzten Monaten schon öfter erleben mussten.

Und nun? – Das selbst gelegte Feuer will man heute, wohl hastig, mit einem fast kuschelig anmutenden Entschließungsantrag, den wir, glaube ich, jetzt demnächst zu Gesicht bekommen oder vorgetragen bekommen werden, löschen. Aus meiner Sicht ist diese Vorgangsweise mehr als problematisch.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der wahre Schaden ist schon angerichtet. Die Men­schen melden sich – und Sie können das zahlreichen Medien entnehmen – bereits jetzt von Elga ab, das Ausmaß ist nicht absehbar. Die Menschen fühlen sich verraten, und das zu Recht, wie ich meine. Wir haben den Menschen von Anfang an über­fraktionell und über die Systempartnergrenzen hinweg immer versprochen, sorgsam mit ihren Elgadaten umzugehen – und es sind auch Ihre Daten, sehr geehrte Damen und Herren, um die es hier geht. Wir alle sind Teil von Elga. Die Menschen fühlen sich verraten. Ja, sie haben uns vertraut – bis vor wenigen Tagen.

Sehr geehrte Regierung! Sie haben dieses Vertrauen mit Füßen getreten. Vergessen wir in dieser Diskussion niemals: Hier geht es nicht nur um Datenschutz, hier geht es um Menschenschutz. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Liste Pilz.)

9.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Povysil ist zu Wort gemel­det. – Bitte.