11.50

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche zu einem Teil des Sicherheitspakets, das sich auf das Strafprozessrechtsänderungsgesetz bezieht. Da gibt es im Wesentlichen vier Punkte.

Der erste Punkt ist der sogenannte Imsi-Catcher – das könnte man sicherlich auch englisch aussprechen –, mit dem man Mobiltelefone lokalisieren kann. Das gibt es bereits, und das wird jetzt ausdrücklich gesetzlich geregelt.

Der zweite Punkt ist die neue Regelung bei der Beschlagnahme von Briefen. Da gibt es klare Anordnungen, dass dies bei einer Strafdrohung von mehr als einem Jahr und gerichtlicher Anordnung möglich sein soll. Das ist natürlich ein Grundrechtseingriff, keine Frage.

Der dritte Punkt ist die sogenannte Anlassdatenspeicherung, manchmal auch als Quick Freeze bezeichnet.

Der vierte Punkt ist die Überwachung von verschlüsselten Nachrichten, manchmal auch als Bundestrojaner bezeichnet.

Man muss dazu vorausschicken, dass dieses Sicherheitspaket an sich schon in der letzten Legislaturperiode vorgelegt wurde, damals noch von ÖVP und SPÖ, und wir als FPÖ haben das aus den verschiedensten Gründen sehr stark kritisiert. Wir haben das, als es vorgelegt wurde, abgelehnt. Es gab dann ein Begutachtungsverfahren mit sehr vielen Stellungnahmen und jetzt in dieser Legislaturperiode ein zweites Begutach­tungs­verfahren. Ich muss mich auch ausdrücklich dafür bedanken, dass die Stellung­nahmen aus dem Begutachtungsverfahren und auch die der Experten, die zu einer Expertengruppe eingeladen wurden, in dieses Strafprozessrechtsänderungsgesetz ganz eindeutig eingeflossen sind beziehungsweise berücksichtigt wurden. Dafür bin ich sehr dankbar, und das muss man auch dem Legislativdienst zugutehalten, dass das so ist. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wer jetzt hier rausruft, der hat es sich nicht an­ge­schaut, denn das Gesetz ist so eindeutig verbessert, nämlich im Sinne des Grund­rechtsschutzes, dass wir heute guten Gewissens zustimmen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man muss ganz klar sagen: Es bedarf immer einer Abwägung zwischen dem Sicher­heitsbedürfnis und den Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden auf der einen Seite und den Grundrechten auf der anderen Seite. Es ist völlig klar, es wird ohne Grundrechtseingriffe nicht funktionieren, aber wenn man solche vornimmt, dann muss dies immer so erfolgen, dass der Rechtsschutz gewährleistet ist, dass eine gerichtliche Anordnung erforderlich ist, dass eine Überwachung der Überwachung gegeben ist, dass Protokollierungen erfolgen, dass die betreffenden Personen im Nachhinein davon informiert werden und so weiter. – All diese Dinge sind ganz klar berücksichtigt.

Ich will jetzt insbesondere auf zwei Punkte eingehen:

Der erste Punkt ist die sogenannte Anlassdatenspeicherung. Wir hatten vor Jahren eine große Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung, das heißt, dass wirklich alle Kommunikationsdaten über einen bestimmten Zeitraum gespeichert werden. Das haben wir Freiheitliche ganz massiv abgelehnt, und es ist dann auch Gott sei Dank vom Europäischen Gerichtshof zu Fall gebracht worden, weil es eine Speicherung, eine Massenüberwachung ohne Anlassfall gewesen wäre. Das haben wir immer abgelehnt.

Wir haben gesagt: Wenn, dann muss es eine Überwachung nicht in die Breite, sondern in die Tiefe geben, also keine Massenüberwachung, sondern nur bei einem konkreten Anlass. Das bietet jetzt diese sogenannte Anlassdatenspeicherung. Das heißt, bei einem konkreten Verdacht darf man die Kommunikationsdaten einer Person für eine bestimmte Zeit speichern, und dann braucht man wiederum eine gerichtliche Geneh­migung, damit man die gespeicherten Daten verwenden darf. Das ist ein komplett anderer Vorgang – keine Massenüberwachung, sondern eine Überwachung aufgrund eines konkreten Verdachts. Das ist das, was wir wollten, und daher sind wir mit dieser Maßnahme zufrieden.

Der zweite – und sicherlich auch sehr heikle – Punkt ist die Überwachung ver­schlüs­selter Nachrichten, auch Bundestrojaner genannt. Ich gebe dem Kollegen Jarolim recht, sehr viele der Maßnahmen sind mit der normalen Polizeiarbeit zu gewährleisten, sehr vieles hat mit der Ausrüstung zu tun, hat mit dem Personalstand zu tun. Darüber sind wir uns einig, und das ist ja auch ein Thema beim Budget gewesen. Darüber haben wir lange diskutiert, und Gott sei Dank gibt es da einen ganz großen Fortschritt, und es wird sehr viel gemacht.

Es gibt aber gewisse Lücken, die man einfach nicht akzeptieren kann, wenn man die Strafverfolgung ernst nimmt. Die sogenannten verschlüsselten Nachrichten sind eine dieser Lücken. Das ist eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die man tatsächlich so unmittelbar nicht knacken kann. Die klassischen Beispiele sind da WhatsApp, das sehr viele Menschen verwenden, oder Skype, bei denen man tatsächlich diese Ver­schlüs­selung mit technischen Mitteln nicht aufknacken kann. Aus diesem Grunde muss man da einen Umweg wählen, denn man kann ja nicht einfach sagen: Na ja, es gibt ohne­dies die Möglichkeit der Telefonüberwachung! – Kollege Jarolim hat vorher gemeint, es kann bereits jeder überwacht werden. Es wäre grundsätzlich auch jetzt schon zulässig, diese WhatsApp-Nachrichten nach entsprechender Telefonüberwachung zu lesen, aber man kann es nicht.

Daher muss man sagen: Es darf nicht sein, dass Verbrecher ganz einfach auf WhatsApp wechseln. – Das kommt offenbar auch in den Abhörprotokollen schon vor: Na, wechseln wir auf WhatsApp oder auf Skype, dann kann man uns nicht mehr zu­hören! – Das wäre viel zu einfach, daher muss man – natürlich unter Abwägung des Grundrechtsschutzes auf der einen Seite und der Notwendigkeit einer Strafverfolgung auf der anderen Seite – eine Lösung finden.

Da gibt es jetzt diese Möglichkeit, den sogenannten Bundestrojaner einzusetzen. Das ist eine Schadsoftware, das stimmt. Das ist ein Programm, das ganz konkret auf ein Mobiltelefon eingespielt wird, damit man dort – vielleicht einfach formuliert – die Ober­fläche ablesen kann. Das heißt, man kann dann ablesen, was sich auf diesem Telefon abspielt, und braucht daher nicht in die Verschlüsselung hineinzugehen, sondern liest, welche Nachrichten verschickt und empfangen werden. (Abg. Wittmann: Und alles andere auch!) – Das ist völlig richtig, man überwacht das Mobiltelefon vollständig. Es ist daher auch diese Maßnahme, wenn man sie sich durchliest, sehr heikel formuliert. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wittmann und Plessl.) Diesen Bundestrojaner darf man nur bei einer Strafdrohung von mehr als zehn Jahren, bei Terrorismusstraftaten und bei gewissen anderen Delikten, wie bei Sexualdelikten, mit über fünf Jahren Straf­drohung einsetzen, es ist also wirklich streng eingeschränkt. Es ist nicht so, wie es in der Vergangenheit der Fall war, dass manchmal gesagt wurde, das sei zur Terroris­mus­bekämpfung, und dann hat man es bei kleinen Straftaten eingesetzt. Das ist ein­deutig ganz eng eingegrenzt. (Abg. Wittmann: Es waren auch die Tierschützer wegen Terrorismus angeklagt!)

Das ist so etwas wie der große Lauschangriff. Bei gewissen Strafdrohungen kann man Menschen in ihrem gesamten Leben überwachen. Das ist auch jetzt bereits zulässig, aber eben mit sehr großen Hürden.

Mit denselben Maßnahmen, mit denselben Hürden gehen wir auch da vor, denn es ist uns bewusst, wie heikel es ist, in ein Mobiltelefon einzudringen, weil ja dort – wie schon gesagt wurde – das ganze Leben gespeichert ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt muss man aber noch einen Schritt weiter gehen. Es gibt im Gesetz jetzt einen ganz eindeutigen Nachrichtenbegriff, auch das ist ein Fortschritt. Man darf nur Nach­richten ablesen. Und ja, die entsprechenden Programme, die nur die Nachrichten able­sen können, gibt es noch nicht. Das ist richtig, deshalb haben wir auch eine Vorlaufzeit  für dieses Gesetz. In Wirklichkeit wird es das erst in zwei Jahren geben, und erst in zwei Jahren wird es diese Programme geben. Ich hoffe auch, dass es dann eine österreichische Wertschöpfung geben wird, wenn man diese Programme ent­sprechend - - (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Na, bitte!) Ja, es gibt die Leute in Österreich, die das können, man muss sie nur machen lassen, und die machen das dann ganz konkret, und somit kaufen wir nicht irgendwelche Programme. Ich finde das nicht in Ordnung, dass Sie darüber lachen, denn es ist tatsächlich so. Wir können das sehr wohl, genau in diesem speziellen Bereich haben wir Gott sei Dank Fachleute in Österreich. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Plessl.) Und es gibt nicht nur die Fachleute, die das kritisieren, sondern auch die Fachleute, die etwas umsetzen können.

Ein Thema, das sicherlich heute noch zur Sprache kommt, will ich trotzdem nicht außer Acht lassen: Es gibt ein gewichtiges Gegenargument gegen diesen Bundestrojaner, und zwar, dass der Staat Interesse daran hat, dass es Sicherheitslücken gibt. Man muss sich das so vorstellen: Der Bundestrojaner ist kein Programm, das weitverbreitet eingesetzt werden kann, sondern man braucht für jedes Betriebssystem, für jedes Update ein eigenes Programm, deswegen wird es tatsächlich auch eine teure Maß­nahme. Das heißt, wenn jemand ein Update auf seinem Mobiltelefon macht, dann braucht man unter Umständen wieder ein neues Programm, das man dort installieren muss. Daher ist es keinesfalls eine Massenüberwachung, sondern eine ganz konkrete, sogar sehr aufwendige Maßnahme. (Zwischenruf des Abg. Wittmann. Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... dieses Programm ist dann ... Wertschöpfung in Österreich! Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das Programm ist natürlich eine Wertschöpfung, wenn man dieses Know-how hat, kann man das sogar international verkaufen. Das wäre ja toll, wenn die Österreicher vorzeigen, wie man nur die Nachrichten abfängt und keine totale Kommunikationsüberwachung durchführt, weil wir das nicht wollen.

Jetzt hat der Staat Interesse daran, das anzukaufen, das ist völlig richtig. Das ist tech­nisch möglich. (Abg. Wittmann: Nein, das ist genau falsch!) Nein, das ist technisch sehr wohl möglich. Man muss zwar in das gesamte System eingreifen, aber es ist technisch möglich, nur die Nachrichten auszulesen. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.) Und das ist unser Ansatz: Wir gehen da in die Tiefe – mit allen Rechts­schutzmaßnahmen, die notwendig sind, mit all dem Vorlauf, der notwendig ist, ent­sprechend dem großen Lauschangriff. Und es ist eine Notwendigkeit, wir müssen uns dieser Diskussion stellen, und das mit allen Rechtsschutzmaßnahmen.

Deswegen bin ich sehr froh, dass wir hier all diese Dinge austariert haben, dass wir gesagt haben, ja, es muss sein, wir brauchen diese Maßnahme, denn alles andere – zu sagen, WhatsApp kann ich mir einfach nicht anschauen und die Leute sollen skypen, wie sie wollen, und ich kann dort einfach nicht zuhören – ist einfach keine Alternative. Das würden wir tatsächlich nicht akzeptieren können, dass es so einfach ist, das zu umgehen. Daher kommt diese Maßnahme, die klar austariert ist und für die umfassender Rechtsschutz gewährleistet ist.

Daher bin ich sehr froh, dass es diese große, lange Diskussion und den Vorlauf ge­geben hat und dass wir heute ein derartig gutes Gesetz vorlegen können, dem wir Freiheitliche, wie gesagt, bei aller Kritik, die wir vorher gehabt haben, jetzt guten Ge­wissens zustimmen können. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.00

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak ist der nächste Redner. – Bitte.