12.49

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich glaube, es geht bei dieser Diskussion viel zu wenig um die Kernfrage (Abg. Martin Graf: Der ist ja nicht da, der Kern! – Abg. Rosenkranz: Die Kernfrage ist, wo der Herr Kern ist!), wo der liberale Rechtsstaat aufhört und wo der Überwachungs- und Polizeistaat beginnt.

Ich glaube, diese Schwarz-Weiß-Argumentation kann nicht funktionieren. Wir müssen ganz einfach aufpassen, was die Terroristen wollen, mit denen immer gedroht wird, um alles zu rechtfertigen, was nur an Überwachungsmaßnahmen möglich ist. Diese Terroristen wollen genau diesen liberalen Rechtsstaat kippen, wollen die Freiheits­rechte in diesem liberalen Rechtsstaat kippen. Darauf wollen sie hinaus. Jetzt gelingt es ihnen nicht durch terroristische Maßnahmen, es gelingt ihnen aber dadurch, dass wir in der Diskussion nur mehr von Angst vor dem Terrorismus geleitet sind und diese Freiheitsrechte selbst auflösen. Wir lösen unsere eigenen Freiheitsrechte selbst auf, weil wir nur mehr angstgetrieben durch Terrormaßnahmen glauben, wir müssen alles überwachen, jeden überwachen, weil grundsätzlich jeder verdächtig ist. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Ich halte das für den falschen Weg. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Maßnahmen der Überwachung, wir sind nicht grundsätzlich gegen Maßnahmen, um Verdächtige zu überwachen und anderes. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.) Es ist die Frage zu stellen, wo die Grenze ist.

Eine der Maßnahmen, die Sie in dieses Paket verpackt haben, nämlich der Bundes­trojaner, geht bei Weitem darüber hinaus, weil er ganz einfach einen derartigen Eingriff in jene Menschenrechte bedeutet, die die Terroristen bekämpfen, sodass die Ter­roristen damit Erfolg hatten, weil sie uns so in Angst und Schrecken versetzen, dass wir unsere Freiheitsrechte aufgeben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist dieser Bundestrojaner. Wissen Sie, was Sie da überhaupt beschließen? – Es ist folgende Maßnahme: Wir müssen diesen Bundestrojaner bei Privatfirmen kaufen. Da das Innenministerium selbständig nicht in der Lage ist, einen Bundestrojaner herzustellen, müssen wir ihn bei privaten Firmen kaufen. Was kaufen wir bei diesen privaten Firmen? – Wir kaufen jene Sicherheitslücken, die vorher durch Hackerangriffe, das heißt, durch kriminelle Angriffe auf bestimmte Programme, ausgemacht werden. (Abg. Rauch: Wer sagt denn das?) Sie werden durch professionelle Hackerangriffe ausgemacht, und diese Hacker verkaufen dann an private Firmen jene Sicherheits­lücken; oder Mitarbeiter der IT-Firmen, die diese Programme entwickeln, die selbst wissen, dass darin Sicherheitslücken sind, verkaufen diese Sicherheitslücken an diese privaten Firmen. Das heißt, in Wirklichkeit machen wir uns zum Staatshehler krimineller Machenschaften.

Aus lauter Angst vor einer imaginären Gefahr beschreiten wir einen Weg, der weit über das hinausgeht, was notwendig ist, um diesen Rechtsstaat abzusichern und auch um Terroristen zu bekämpfen. Ich gebe Ihnen nur zu bedenken, dass alle terroristischen Anschläge in den letzten Jahren von Leuten verübt wurden, die der Polizei und den Sicherheitsbehörden bekannt waren – alle! (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Sie konnten trotzdem nicht verhindert werden.

Das heißt, man hat nicht diese Sicherheit, die Sie jetzt vorgaukeln, sondern man schränkt einfach nur Menschenrechte und persönliche Freiheitsrechte ein. Ich halte das für falsch, für den falschen Weg, für die falsche Entwicklung dieser Gesellschaft! Sie bauen eine Gesellschaft auf Angst auf, und das wird nicht funktionieren. Sie können nicht jeden überwachen.

Jetzt kaufen wir aber diese Sicherheitslücken von privaten Firmen, und diese privaten Firmen verkaufen das auch an andere Länder – Saudi-Arabien, Nordkorea –, und es besteht auch die Gefahr, dass diese Sicherheitslücken an Terroristen verkauft werden. Wer sagt uns, dass das nicht passiert? Dann haben wir genau das perfektioniert, was wir mit diesem Gesetz verhindern wollten, weil diese dann genau die Lücken nützen, die wir offenlassen, um selbst hineinzukommen. Ich halte das für Wahnsinn, was da passiert, für Wahnsinn, weil auch von genau jenen Verbrechern, die wir zu bekämpfen versuchen, diese Lücken ausgenützt werden können. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

Jetzt gibt es bei uns in Österreich eine Besonderheit: Das Innenministerium ist für Cybersicherheit zuständig, das heißt, es wäre verpflichtet, diese Lücken zu schließen. Dasselbe Ministerium sagt aber: Nein, wir lassen diese Lücken offen, wir kennen sie zwar, aber wir lassen sie offen, damit wir hineinkönnen. – Das heißt aber auch, dass andere hineinkönnen, und die haben es dann wirklich viel leichter als vorher.

Das heißt, diese Maßnahme des Bundestrojaners ist ausschließlich gegen die durch die Menschenrechte gewährleisteten Persönlichkeitsrechte gerichtet, und nicht gegen den Terrorismus, den Sie vorgeben zu bekämpfen. Sie stellen unsere freiheitliche Ordnung infrage, indem Sie Angst produzieren und glauben, mit dieser Angst alles rechtfertigen zu können. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Schade, dass Sie eine gesellschaftliche Entwicklung unterstützen, die sich vom freien, liberalen Rechtsstaat weg und hin zum Überwachungsstaat bewegt. Ich halte das für eine falsche Entwicklung. Denken Sie darüber nach, ob Sie so einen Staat wollen! Denken Sie darüber nach, ob wir nicht jene Freiheitsrechte aufgeben, die wir eigentlich verteidigen sollten! (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

12.55

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag.a Michaela Steinacker. – Bitte.