15.18

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Zinggl! Zunächst einmal ist diese Dringliche Anfrage eine gewisse Besonderheit, weil wir da in der Problemanalyse und in vielen Fakten zu 100 Prozent übereinstimmen, was diese leidige Situation betrifft. Auch ich bin der Meinung, dass es wert sein muss und möglich sein muss, das Weltkulturerbe in Wien, das Prädikat Weltkulturerbe und die Stadtentwicklung unter einen Hut zu bringen.

Ich habe mich persönlich sehr gefreut, als meine Heimatstadt vor circa 20 Jahren den Weltkulturerbestatus beantragt hat, und habe mich dann auch gefreut, als die Unesco den Welterbestatus an die Stadt Wien verliehen hat, nämlich für de facto zwei Be­reiche, einerseits die Innere Stadt und andererseits das Areal um das Schloss Schönbrunn. Insgesamt handelt es sich dabei – Sie haben es auch schon ausgeführt – um lediglich circa 1 Prozent der Bausubstanz der Wiener Stadt, und deswegen kann man wohl nicht sagen, dass Weltkulturerbe nicht mit Stadtentwicklung unter einen Hut zu bringen ist.  In diesem Befund stimmen wir hundertprozentig überein.

Wir stimmen auch hundertprozentig darin überein, dass es eine gewisse Peinlichkeit darstellt, dass Österreich gemeinsam mit Wien nun dieser Situation ausgesetzt ist, dass die Unesco das Weltkulturerbe für die Innere Stadt auf die Rote Liste gesetzt hat. Das heißt de facto: Achtung, wenn das so weitergeht, wird dieses Prädikat aberkannt werden!

Es ist auch deswegen so peinlich für die Politik, vor allem für die rot-grüne Stadtpolitik, weil das in dieser Form de facto weltweit kaum vorkommt. Natürlich passiert es immer wieder, dass Kulturstätten der Status des Weltkulturerbes aberkannt wird, dies vor allem, wenn es Bürgerkriege oder Naturkatastrophen gibt, aber nicht, weil eine rot- grüne Stadtregierung nicht fähig ist, sich an das zu halten, was sie selbst zugestanden hat, worum sie sich selbst beworben hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe in meiner vorherigen Tätigkeit als Stadtrat von Wien auch regelmäßig darauf hingewiesen, dass das so nicht sein kann und dass wir die Regeln, die wir uns selbst gegeben haben, um die wir uns selbst beworben haben – egal, welche Stadtregierung das war –, einhalten müssen. Ich habe viele Gespräche mit Vertreterinnen und Vertre­tern der Unesco, mit Vertretern von Icomos, auch mit dem Investor selbst geführt, und es wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass das jetzt der Tropfen vonseiten der rot-grünen Stadtregierung war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Schon im Laufe der letzten zehn Jahre hat es ja leider Gottes immer wieder Beschwerden seitens der Unesco darüber gegeben, wie Rot-Grün mit den Bauvorschriften umgeht, vor allem was den 1. Bezirk betrifft.

Als ich dann vor circa drei Monaten die Chance bekommen habe, Bundesminister für Kunst und Kultur zu werden, in dessen Bereich auch die Administration des Staats­vertrages betreffend Unesco beheimatet ist, haben wir uns sofort angesehen, welche Möglichkeiten es da gibt. Das Erste, was wir getan haben, war, eben nicht so fortzu­schreiten, wie es die Jahre davor passiert ist. Immer wenn die Unesco beim Bundes­kanzleramt um einen Statusreport angefragt hat, wurde die Stadt Wien gefragt. Die Stadt Wien hat eine Stellungnahme abgegeben, und das Bundeskanzleramt hat diese eins zu eins an die Unesco weitergeleitet. Dadurch war die Meinung des Bundes­kanzleramtes quasi gleichbedeutend mit jener der Stadt Wien.

Diesen Teufelskreis haben wir durchbrochen, indem wir gesagt haben, auch wir wollen uns da einschalten und schauen, was denn tatsächlich Sache ist und wo wir einen Beitrag zur sachlichen Klärung der Situation leisten könnten. Leider Gottes ist es ein Faktum, dass es die Gesprächskultur aufgrund von vielseitigen Verwerfungen auf beiden Seiten nicht mehr gegeben hat. Salopp formuliert: Die Unesco und die Stadt Wien waren gegenseitig aufeinander angefressen und haben nicht mehr miteinander geredet.

Diesen Teufelskreis müssen wir durchbrechen, um die Möglichkeit zu wahren, dass der Weltkulturerbestatus für Wien erhalten bleibt.

Wir haben uns auch die rechtlichen Möglichkeiten angesehen und ich habe auch versucht, einige Gutachten, die Sie in der Anfrage zitieren, ausfindig zu machen. Ich kann Ihnen sagen, die Verfassungsklage ist die Ultima Ratio, die wir, wenn es nicht anders geht, wenn die Dialoge nicht zum Erfolg führen, natürlich anwenden werden. Aber sie ist der letzte Schritt. Sie ist der letzte Schritt vor allem auch deswegen, weil es unterschiedliche Expertenmeinungen darüber gibt, ob sie von Erfolg gekrönt wäre.

Bevor wir dieses Mittel ergreifen und dann vielleicht zur Entscheidung kommen, dass es nicht möglich ist, per Klage eine Änderung herbeizuführen, möchte ich auf diplo­matischem Wege, im Wege des Dialogs zumindest alles versuchen, um beide Seiten aneinander heranzuführen und so vielleicht sicherzustellen, dass das Weltkulturerbe für Wien erhalten bleibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich komme jetzt zur konkreten Beantwortung der 30 Fragen, die Sie mir heute Morgen übermittelt haben, und möchte mit folgenden Antworten beginnen:

Zu den Fragen 1 und 2 sowie 25 und 26:

Diese Vorgangsweise wurde von der Direktorin des Welterbezentrums in einem Schrei­ben vom 22. Februar 2018 ausdrücklich begrüßt. Es wird wörtlich festgehalten, dass man nach Konsultation des vorgeschlagenen Weges mit Icomos International an der Vorgangsweise einer ernsthaften Auseinandersetzung interessiert ist und dieses Thema auch so sieht.

Das bedeutet eine tiefe inhaltliche Beschäftigung mit allen damit verbundenen Fragen und Aspekten. Dies ist nicht in wenigen Wochen erledigt. Es ist daher das Gesamt­ergebnis abzuwarten, bevor über allfällige rechtliche Schritte nachgedacht wird.

Die Umsetzung ist folgendermaßen geplant: Es gibt drei Schritte, einen Experten­work­shop, ein Heritage Impact Assessment und eine Advisory Mission zum historischen Weltkulturerbe Zentrum Wien. Die Durchführung hat mit einem Workshop am 14. und 15. März begonnen.

Zu den Fragen 3 bis 5:

Diese Frage wurde im Vorfeld der Übermittlung des State of Conservation Report 2018 von der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Unesco direkt mit den Vertretern des Welterbezentrums diskutiert. Die Antwort war eindeutig: Die Eintragung in die soge­nannte Rote Liste ist ein erster Schritt in Richtung der Aberkennung des Welterbe­status. Es ist der Start eines intensiven Dialogs. Dieser Dialog wurde eingeleitet und wird nun während des gesamten Jahres fortgesetzt.

Zur Frage 6:

Die Frage allfälliger rechtlicher Schritte hängt davon ab, in welcher Weise sich die Stadt Wien im Rahmen des für 2018 vorgesehenen Prozesses einbringt und welche Stellungnahme sie zu den endgültigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen abgibt. Es bedarf einer intensiven sachlichen Beschäftigung mit dem Fall. Gefragt sind Fach­experten, die eine entsprechende Bewertung abgeben, und danach soll die Ultima Ratio gebraucht werden, falls es zu keinem Ergebnis kommt.

Zu den Fragen 7 bis 21, 23 und 24, 28 und 29:

In erster Linie braucht es jetzt einmal Maßnahmen und Entscheidungen auf politischer Ebene. Ob rechtliche Schritte überhaupt erforderlich sein werden, hängt von der Teil­nahme am Prozess und den daraus folgenden Schritten der Stadt Wien ab. Allfällige rechtliche Schritte sind aus meiner Sicht die allerletzte Möglichkeit, die man wählen sollte, um einen den Anforderungen des Unesco-Welterbes konformen Umgang mit dem historischen Zentrum zu erzwingen.

Zur Frage 22:

Die für das Weltkulturerbe in der Stadt Wien verantwortlichen Personen waren im Workshop Mitte März sowohl auf Verwaltungsebene als auch durch die politische Ebene vertreten. Dabei wurde das klare Bekenntnis zu einer ernsthaften Teilnahme an den vorgeschlagenen Maßnahmen abgelegt. Ich wiederhole, wir müssen zurück zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik.

Zur Frage 27:

Wesentliche Maßnahmen sind die Etablierung von Managementplänen und eines ope­rativen Welterbemanagements in der österreichischen Welterbestätte, eine Neu­struk­turierung der Zusammenarbeit mit Icomos Österreich, Icomos International und dem Welterbezentrum.

Zur Frage 30:

Im Interesse der Erhaltung des historischen Zentrums Wien soll nicht über Versäum­nisse der Vergangenheit referiert werden, sondern über die künftige Entwicklung. Ich bringe mich daher sehr aktiv ein und werde, wie beschrieben, auch durch die Ermög­lichung des Dialogs Maßnahmen ergreifen, damit das Welterbezentrum erhalten bleibt. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf darauf aufmerksam machen, dass laut Geschäftsordnung die Redezeit nicht länger als 10 Minuten sein darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minu­ten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Noll. – Bitte.