9.37

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eingangs etwas Grundsätzliches sagen: Die Europäische Union ist momentan in keiner einfachen Situation: 2008 die Finanz- und Wirtschaftskrise, 2015 die Flüchtlingskrise, 2016 die Brexitentscheidung – das waren natürlich Rückschläge. Das muss man sehen. Umso mehr braucht die Europäische Union jetzt von allen 27 Mitgliedstaaten die Bereitschaft zum Kompromiss und auch von allen 27 Mitgliedstaaten ein prinzipielles Ja zu solidarischem Handeln.

Was meine ich damit? – Die Europäische Union funktioniert nur dann, wenn man zu geduldigem Verhandeln bereit ist, das ist von Minister Blümel schon angesprochen worden. Oft ist es ein schwieriges Verhandeln, es geht dabei um das Austarieren von unterschiedlichsten Interessen, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, getragen von einem solidarischen Grundgedanken. Österreich war immer dazu bereit.

Ich war das letzte Mal als Finanzstaatssekretär bei diesen Verhandlungen zum Mehr­jährigen Finanzrahmen dabei, der die Grundlage für das jetzige siebenjährige EU-Budget bildet. Am Beginn liegen die Positionen weit auseinander. Minister Blümel hat es angesprochen, einen Vorgeschmack hat ja der Ministerrat am Montag geliefert, wo es die erste Gelegenheit gab, zu diesem Vorschlag der EU-Kommission Stellung zu nehmen. Die ost- und mitteleuropäischen und auch die südeuropäischen Staaten haben dort sehr deutlich gesagt, dass sie Widerstand leisten wollen, weil es Kürzungen für strukturschwache Regionen geben soll. Frankreich hat sich zu Wort gemeldet und darauf gepocht, dass es keine Einsparungen bei den Direktzahlungen an die Landwirte geben darf, und Einsparungen in diesem Bereich eine klare Absage erteilt.

Dann hat es vier Staaten gegeben, nämlich Dänemark, die Niederlande, Schweden und Finnland, die erklärt haben: So, wie die Kommission das vorgeschlagen hat, mit die­ser Steigerung – die Bemessungsgrundlage ist ja das Bruttonationaleinkommen in den Staaten – von 1 Prozent auf 1,1 Prozent, geht das nicht. Zum Beispiel hat Ann Linde, die Europaministerin der Schweden, ganz klar gesagt, dass man dagegen ankämp­fen werde. Die europäische Position gibt es also noch nicht, aber an dieser ist zu arbeiten.

Die Position der österreichischen Bundesregierung ist hundertprozentig richtig, denn diese Bundesregierung, meine Damen und Herren, ist der Anwalt der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das muss man sehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Es ist unser Steuergeld und damit hat man sorgsam und sparsam umzugehen. Dass es dazu andere Standpunkte gibt, wie jenen des Europäischen Parlaments, das ist ohnehin bekannt, und daher, sage ich, müssen wir uns auf das besinnen, was die Bundesregierung im Regierungsprogramm klar festgelegt hat: Wir wollen dort, wo es einen Mehrwert gibt, mehr Europa, aber es gibt viele Bereiche, in denen man effizienter arbeiten kann und wo weniger mehr ist.

Kollegin Gamon, Sie haben gefragt, wo die konkreten Vorschläge sind. Ich habe am 28. März allen Parlamentsfraktionen jene Vorschläge übermittelt, die ich der Task­force – Präsident Jean-Claude Juncker hat auf Europaebene eine Taskforce unter anderem mit drei Vertretern der noch 28 nationalstaatlichen Parlamente und drei Ver­tretern aus dem Ausschuss der Regionen eingerichtet; den Vorsitz führt der Vize­präsident der Europäischen Kommission Timmermans – vorgelegt habe. Ich habe 50 ganz konkrete Vorschläge vorgelegt, Sie kennen sie seit 28. März; also es gibt diese Vorschläge von unserer Seite. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Sie wurden im Übrigen nicht von mir erarbeitet, viel kommt aus den neun Bundes­ländern, viel kommt vom Bundesrat, viel kommt von den Sozialpartnern, vom Städte­bund und vom Gemeindebund. Es gibt diese konkreten Beispiele, die zeigen, wo Europa zurzeit überbordend ist, überschießend ist. Das ist nicht europafeindlich, das ist im Interesse der Europäischen Union, denn die Europäische Union braucht die Akzep­tanz der Bürgerinnen und Bürger. Meine Damen und Herren, wir müssen dafür kämp­fen, dass die Europäische Union bürgernahe bleibt. Das ist unsere Position! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Leider haben sich die Briten von der Europäischen Union verabschiedet, der Brexit ist ein Faktum. Wenn es in der Europäischen Union weniger Bürger, weniger Bürgerinnen gibt, dann kann ich nicht gleichzeitig sagen, das Budget muss steigen. Mit Groß­britannien verlieren wir den zweitgrößten Nettozahler, das müssen wir berücksichtigen, und daher brauchen wir eine schlankere, eine sparsamere, eine effizientere EU. Das ist unser Ziel. Harte und lange Verhandlungen stehen uns bevor. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Mag. Andreas Schieder. – Bitte.