10.57

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Blümel, Sie haben gesagt, lassen Sie uns über die Zukunft der EU sprechen! – ich denke, das ist eine gute Gelegenheit, das heute zu tun –, und Sie haben aus Ihrer persönlichen Situation heraus geschildert, wie Sie es erlebt haben oder wie Sie praktisch mit der Europäischen Union aufgewachsen sind.

Ich bin im Jahr 1994 im Vorfeld der Volksabstimmung als Gewerkschafter dafür ge­rannt und habe mich sehr dafür eingesetzt, dass der Beitritt Österreichs zur Euro­päischen Union gelingt – zum Ersten, weil ich davon überzeugt war und nach wie vor überzeugt bin, dass die Europäische Union das wichtigste Friedensprojekt auf diesem Kontinent ist; zum Zweiten, weil ich mich dafür starkmachen und einsetzen wollte, dass aus der europäischen Wirtschaftsunion eine Europäische Union wird, die soziale Standards und Sozialpolitik in den Mittelpunkt stellt, und wir immer gesagt haben, wir kämpfen für ein soziales Europa (Beifall bei der SPÖ); und zum Dritten, weil ich nicht wollte, dass mein Sohn – er war damals elf Jahre alt – in einer Umgebung von dump­fem Nationalismus aufwächst, sondern in einem weltoffenen Österreich und in einem Europa der Solidarität. Das war das, was mich getrieben hat, als ich mich seinerzeit für den Beitritt zur Europäischen Union ausgesprochen habe. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sagen, Sie wollen im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft schwer­punktmäßig ein Europa voranbringen, das schützt; Sie haben das jetzt auch wieder wiederholt. Ich denke, wir werden Sie an Ihren Taten messen, und ich möchte einige Schwerpunkte erwähnen, die aus meiner Sicht für ein Europa, das schützt, relevant sind. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Wenn es um Schutz geht, kann man nicht nur über die Außengrenzen und die Frage der Migration sprechen – das ist schon in Ordnung –, sondern wir müssen auch über die Menschen sprechen, darüber, wie es den Menschen geht und welche Rahmen­bedingungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa vorfinden.

Ich bin daher für ein Europa, das sich nicht mit dem Argument der Subsidiarität und der angeblich fehlenden Notwendigkeit von starken Bestimmungen für soziale Sicherheit aus der Sozialpolitik verabschiedet. Zu dem, was da im Moment rund um das Thema Gold Plating aufgeführt wird: Es wird behauptet, dass es ja tolle Sozialstandards in Europa gibt und das österreichische Parlament offensichtlich so dumm war, Gesetze zu beschließen, die überbordend und überschießend sind, die weit über diese Vorschriften hinausgehen, die es in Europa gibt.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es denn tatsächlich bei den sogenannten Standards in der Europäischen Union? – Gerade in den letzten zehn Jahren sind sehr viele Bestimmungen in Europa geschaffen worden, die Mindestbestimmungen sind, weil durch den Neubeitritt insbesondere vieler Länder aus Osteuropa Länder dazugekommen sind, in denen es in vielen Bereichen gar keine Standards gegeben hat. Daher hat man auf EU-Ebene gesagt, dass man eine Mindestbasis schafft, die nicht unterschritten werden kann – zugunsten der Menschen dort, aber auch, weil man keinen verzerrten Wettbewerb haben wollte.

Das war der Hintergrund. Daher ist es vollkommen klar, dass es diese Mindest­stan­dards gibt. Das aber nun umzudrehen und zu behaupten, dass diese Mindeststandards das Level sind und alles darüber hinaus eine Vergoldung ist, ist eine Verhöhnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Beifall bei der SPÖ), der Konsumentinnen und Konsumenten sowie all jener, denen es darum geht, dass ordentliche Rahmen­bedin­gungen für ihre Tätigkeiten vorhanden sind.

Wir wollen eine schlagkräftige Arbeitsschutzbehörde, die in der Lage ist, Lohn- und Sozialdumping grenzüberschreitend gut zu bekämpfen – auch das ist etwas, bei dem ich erwarte, dass sich die österreichische Bundesregierung dafür einsetzt, dass es umgesetzt wird.

Wir wollen ein Europa, das die Digitalisierung nicht nur technik- und wirtschafts­orien­tiert versteht, sondern eines, in dem ebenso gute Arbeitsbedingungen, gute Einkom­men und der Schutz vor zunehmend prekären Beschäftigungsformen im Mittelpunkt stehen.

Und, Herr Bundesminister Blümel, meine Damen und Herren, wir wollen ein Europa, das den Brexit als Chance versteht, als Chance für einen politischen Kurswechsel in Europa. Wir wollen ein Europa, das darauf achtet, dass kein neuer Dumpingwettlauf mit Großbritannien um niedrigere Sozial- und Steuerstandards stattfindet. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir erwarten Schritte für ein Europa, das seine Bürgerinnen und Bürger vor den ruinösen Auswirkungen von Steuerdumping, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung wirksam schützt. Liebe Frau Kollegin Winzig, wir machen kein Konzernbashing (Abg. Winzig: Nein!), weil wir wissen, wie wichtig die Konzerne sind, weil wir wissen, wie wichtig die Arbeitsplätze sind, die es in den Konzernen gibt.

Eines ist aber klar: Wenn Sie heute Ceta durchwinken und damit Sonderklagsrechte für Konzerne schaffen (Abg. Winzig: Lesen Sie es sich einmal durch!), wenn Sie den Wünschen der Konzerne nachkommen, indem Sie sagen, dass alles, was drüber ist, Gold Plating ist, dann machen Sie sich zu den Vasallen derer, die in Wirklichkeit nichts anderes vorhaben, als Politik auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer zu machen. (Abg. Winzig: Lesen Sie es sich durch!) Das geht mit uns sicher nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

11.03

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider gelangt als Nächs­ter zu Wort. – Bitte.