11.09

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Angelika Mlinar, LL.M. (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Spoštovane dame in gospodje! Der Titel der heutigen Europastunde „Ein Europa für die Menschen und nicht für die Konzerne“ zeichnet ein Bild, das in mehrerer Hinsicht richtiggestellt werden muss.

Konzerne sind global agierende Unternehmen und nicht per se etwas Schlechtes, wie ja auch vom Kollegen Katzian schon richtig bemerkt wurde – das freut mich ganz besonders, dass das aus dieser Ecke gekommen ist. Auf Entwicklungen und Gefahren für liberale Demokratien möchte ich in diesem Zusammenhang aber noch eingehen.

Dem Titel folgend ist die Europäische Union nicht das Problem, sondern vielmehr eine Lösung, wenn wir die Chancen des gemeinsamen Europa dazu nutzen. Auch das möchte ich weiter ausführen. (Beifall bei den NEOS.)

Unser gemeinsames Europa ist auch und vor allem eines der Menschenrechte und des friedlichen Zusammenlebens. Das ist etwas, was für mich außer Frage steht und unter­strichen werden muss. Dies aber gegen wirtschaftliche Integration zu stellen ist einfach nicht richtig.

Wovon sprechen wir also, wenn wir Europa als ein Europa der Konzerne bezeich­nen? – Multinationale Konzerne sind weltweite Akteure. Das führt dazu, dass in einer globalisierten Welt die klassische Rollenzuteilung zwischen Wirtschaft und Politik einfach nicht mehr gilt. Diese Unternehmen unterliegen keiner zentral definierten politi­schen Rahmenordnung (Abg. Neubauer: ... dem Haselsteiner schon einmal gesagt?!), vielmehr können sie unter alternativen Rechtssystemen wählen und nach wirtschaft­lichen Gesichtspunkten entscheiden, womit das Primat der Politik ausgehebelt wird. Zugleich sind internationale Organisationen wie etwa die Vereinten Nationen oder die Internationale Arbeitsorganisation nicht mehr in der Lage, die vereinbarten Regeln durchzusetzen.

Vor diesem Hintergrund muss aber die Frage nach der Verantwortung dieser Unter­nehmen selbst gestellt werden. Konzerne dürfen nicht mehr ausschließlich nur auf ihre wirtschaftliche Rolle beschränkt werden, sondern sie müssen sich als verantwortliche politische Akteure an der Fortentwicklung der rechtlichen Rahmenordnung, in der sie sich bewegen, beteiligen. Dazu müssen sie aber angehalten werden.

Die Europäische Union hat dafür eine einzigartige Stellung in der Welt, denn sie ist der größte Wirtschaftsmarkt und kann damit auch eine globale Vorreiterrolle im Umgang mit diesen multinationalen Unternehmen einnehmen. Europäische Multis und die Euro­päische Union haben die Chance, aufzuzeigen, welche Vorteile global agierende Unternehmen haben können, wenn sie Verantwortung übernehmen und fair spielen. Sie können an der Seite der Politik auch als Vermittler der sogenannten westlich-demo­kratischen Standards wirken.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Der US-amerikanische Sportartikelhersteller Nike drohte in den Neunzigerjahren, seine Produktion aus Bangladesch abzuziehen, weil die Ar­beitneh­merinnen und Arbeitnehmer unter furchtbarsten Bedingungen gearbeitet haben. Nike übte so lange Druck auf die Regierung aus, bis diese die Arbeitsgesetze wesent­lich verbessert hat. Natürlich ist eine solche Macht auch äußerst kritisch zu sehen, aber in diesem Fall wurde sie an der Seite der Politik positiv genutzt.

Es ist eine Tatsache, dass globale Konzerne über enorme Macht verfügen – und dies ohne jegliche demokratische Legitimation. Durch ihre Netzwerke und nicht zuletzt mit ihrer monetären Kraft schaffen sie sich einen Zugang zu Regierungen und verfolgen damit – mitunter abseits politischer und ordnungspolitischer Rahmenbedingungen – ihre Ziele.

Wie das Beispiel aber gezeigt hat lässt sich die Macht der Konzerne auch in einer globalisierten Welt positiv steuern. Genau da kann die Europäische Union – wenn sie sich geeint sieht – als mächtiger politischer Player ansetzen.

Auch wir halten die Digitalsteuer für IT-Giganten für wichtig und richtig, um ein Level Playing Field herzustellen. Das greift allerdings noch zu kurz, darüber hinaus braucht es eine klare internationale Regel für die Gewinnbesteuerung von Konzernen, und zwar am besten auf Ebene der G 20.

Die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist eine leiden­schaft­liche Kämpferin für den offenen Markt und den Wettbewerb, denn marktfeindliches und monopolistisches Verhalten verzerrt den Markt und schädigt die Konsumenten. Ihre Mission ist es, auch für europäische Konzerne den Boden so aufzubereiten, dass diese im globalen Wettbewerb bestehen können, aber auch eine Rolle finden, die über ihre rein unternehmerische Tätigkeit hinausgeht.

Die Europäische Union hat meines Erachtens die einmalige Chance, Standards zu set­zen, an denen sich die Multis orientieren und damit gleichzeitig gesellschaftspolitische Verantwortung übernehmen. Wir sind als Europäische Union gefordert, eine Balance im Sinne eines demokratischen Miteinanders und Verständnisses zu schaffen, und das geht auch bis tief in den Bereich von Menschenrechten, bis hin zur Gleichstellung von Mann und Frau.

Wie wir alle wissen ist der Binnenmarkt das Herzstück der Europäischen Union. Ge­rade im globalen Wettbewerb muss es der EU ein Anliegen sein, international kon­kurrenzfähig zu bleiben, denn so werden Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen.

Mit Renationalisierungsüberlegungen oder lokalen Autarkiefantasien schaffen wir kein verbindliches Regelwerk für globale Konzerne. Wir müssen das größer und weiter denken: internationale Zusammenarbeit und faire Freihandelsabkommen, um damit einen Raum für Wettbewerb auf der einen Seite und hohe Standards für Konsu­men­tinnen und Konsumenten auf der anderen Seite zu schaffen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. – Hvala lepa! (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Haubner.)

11.15

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.