11.26

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Evelyn Regner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren Natio­nalräte und Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Galerie und vor den Bild­schirmen! Ceta steht wieder auf der Tagesordnung, und ja, Ceta ist das beste Handelsabkommen, das jemals abgeschlossen wurde, aber es ist nicht gut genug (Oje-Rufe bei der FPÖ), und das ist auch der Grund dafür, dass wir SPÖ-Mitglieder des Europäischen Parlaments gegen Ceta gestimmt haben.

Die Frage der Konzernklagerechte muss ausreichend behandelt werden. Die Sozial­demokratie hat dazu klare Prinzipien. Wir sind für fairen Handel! Und ob es inhaltlich jetzt um die Stärkung von Arbeitnehmer- oder Umweltstandards geht oder so wie jetzt um Respekt vor dem rechtsstaatlichen Prozess: Ceta heute durch den Ministerrat zu peitschen, ohne Not und während wir noch auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes warten, ist verantwortungslos (Beifall bei der SPÖ), ist symptomatisch für das Politikverständnis dieser Regierung.

Wir in der SPÖ stehen für eine andere Politik, für ein Europa für die Menschen und nicht für die großen Konzerne, für eine Politik im Interesse jener, die ihre Vertreter gewählt haben, für die Menschen, die einen Staat ausmachen, für die Menschen, ohne die keinen Markt und schon gar keinen Binnenmarkt gibt.

Wir in der Politik stellen uns der Wahl, wir können abgewählt werden, Konzerne kön­nen nicht abgewählt werden, dabei ist doch ihr Handeln hochpolitisch. Die Politik, wir alle haben, wie es zu sein scheint, immer weniger mitzureden, und dieser Entwicklung stelle ich mich mit aller Kraft entgegen. Wir müssen das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass Eigentum nicht nur berech­tigt, sondern dass Eigentum auch verpflichtet. Wir brauchen klare Regeln, deren Durch­setzung und Kontrolle, um Konzerne zu bändigen und gleichzeitig die Schwäche­ren zu schützen und zu stärken. Die Konzerne können es sich ohnehin richten, wie sie wollen, sie suchen sich im Großen und Ganzen die Rechtsordnung aus. Die Ge­schäfts­leitung und die Betriebe sind in Österreich, Briefkästen sind in Panama, die Arbeiter und Arbeiterinnen in diesen Konzernen kommen aus Osteuropa, und die Steuern werden in den Niederlanden oder in Irland gezahlt. Das heißt, Konzerne bedienen sich dieses Flickenteppichs an nationalen Rechtsordnungen, weil es diesbezüglich eben einen Mangel an gemeinsamen europäischen Regeln gibt.

Mir geht es jetzt nicht darum, mit dem Finger auf die Konzerne zu zeigen, sondern mir geht es um Fairness. Es ist nicht fair, wenn Frauen im Handel 10 Prozent Lohnsteuer zahlen, Facebook aber exakt 0 Prozent. Es ist nicht fair, wenn die Voest 25 Prozent Körperschaftsteuer zahlt und Google 0,27 Prozent. Da muss sich etwas ändern, national und europäisch! (Beifall bei der SPÖ.)

Macht man es aber so wie die Kurz/Strache-Regierung, dann macht man Politik, die mit riesigen Wahlspenden gekauft wurde. Dabei gäbe es unendlich viel zu tun. Vor der EU-Fahne zu stehen, sehr geehrter Herr abwesender Bundeskanzler, und zu lächeln, reicht nicht aus! Sobald es um Regeln für Konzerne geht, blockiert diese Kurz/Strache-Regierung. Sie kann sich auch nicht weiter an der bösen EU abputzen, denn es liegt sehr viel auf dem Tisch. Auch die Kommission hat aufgrund von großem Druck, vor allem der Sozialdemokratie, gelernt und Vorschläge vorgelegt. Es liegt jetzt vor der Ratsprä­sidentschaft eine ganze Latte auf dem Tisch: europaweite Sammelklagen; der Schutz der Whistleblower, also jener Hinweisgeber, die so wertvoll sind, um zu erfahren, welche Machenschaften in Konzernen passieren; die Besteuerung der digita­len Konzerne Face­book, Google und Co; die EU-weite Körperschaftsteuer; die öffent­liche Konzernsteuer­erklärung. Ich zähle jetzt schon einmal eine ganze Latte davon auf, was an Vorschlä­gen auf dem Tisch liegt, die europaweit wichtig sind und die jetzt abge­handelt und ab­gearbeitet werden müssen, was ich mir von der österreichischen Ratspräsi­dent­schaft auch erwarte. (Beifall bei der SPÖ. – Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Europa – und das ist mir wichtig – wird sozial sein oder es wird nicht sein! – Ich sage das immer wieder, denn das ist keine leere Floskel, das ist ein Auftrag an die Regierung, ein Auftrag an uns alle im Europäischen Parlament, an Sie als Nationalräte. Unser Ziel ist klar: Wir wollen kein Gruseleuropa à la Orbán, keine Schmalspurvariante der Kurz/Strache-Regierung, wir wollen ein soziales Europa, ein Europa, das Menschen auffängt und ein Sicherheitsnetz bietet, ein Europa zum Verlieben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.32

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bösch. – Bitte.