11.52

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Zitat be­ginnen:

Die Wissenschaft weiß, dass es nicht hilft, Kinder lange in eigenen Klassen unter sich zu lassen, ohne Kontakt zu ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, sondern dass es notwendig ist, sie schnellstmöglich und frühestmöglich, und wenn nur in Teilen, in den Regelunterricht zu integrieren, damit sie mit den anderen in Kontakt kommen, damit das fachliche Lernen nicht zu kurz kommt, damit sie aber auch durch den Fachunter­richt, durch ihre Mitschüler den nötigen sprachlichen Input haben, damit sie auch im Zusammenhang Deutsch lernen können. – Ein Zitat des von der ÖVP in den Unter­richtsausschuss nominierten Experten Professor Becker-Mrotzek von der Universität Köln.

Herr Minister Faßmann! Ihr eigener Experte hat Ihnen da den Spiegel vorgehalten. Warum hören Sie nicht auf Ihren eigenen Experten? (Beifall bei der SPÖ.)

Seine Einschätzung – die von Professor Becker und auch die fast aller anderen Exper­tinnen und Experten aus der Bildungs- und Sprachwissenschaft und aus der Praxis – hat im Gesetz faktisch keinen Niederschlag gefunden. Ganz im Gegenteil: Es geht wei­terhin um separierende Klassen, um große Klassengrößen – 25 Schülerinnen und Schüler, die in diesen Deutschförderklassen Deutsch lernen sollen; bis jetzt waren es maximal 15 in Kleingruppen –, ein noch nicht definiertes Testungsverfahren zur Sprach­standsfeststellung – und während alle Experten sagen, die Entwicklung eines wirklich seriösen Tests dauert zwei bis drei Jahre, soll dieser Test schon nächstes Jahr in Kraft sein!

Damit noch nicht genug: Das Ausmaß der Sprachförderung jener, die bereits jetzt in den Regelklassen sind und die diese Sprachförderung noch ganz besonders nötig hät­ten, wird von elf Stunden auf sechs Stunden zurückgefahren.

Zudem hat sich im Ausschuss einmal mehr bestätigt, dass die Organisation und die Planung noch lange nicht geklärt sein werden – und das, obwohl die Schuleinschrei­bung an den Schulen ja längst abgeschlossen sein wird und ist –, denn die berechtig­ten Nachfragen der Direktorinnen und Direktoren, der Bildungsdirektoren, aus den Lan­desschulräten heraus nach der Anzahl von Klassen, nach den Ressourcengrößen, nach den Einteilungsmodi wurden widersprüchlich oder gar nicht behandelt und beantwortet.

Deshalb wundert es mich auch nicht, dass die Bundesländer da die Notbremse gezo­gen und den Konsultationsmechanismus ausgelöst haben. (Abg. Mölzer: Welche denn? Sind das zufällig die rot geführten Bundesländer?) Erst heute sind 100 Fragen der Stadt Wien an das Ministerium übermittelt worden.

Herr Bundesminister! Genügt dieses Gesetz wirklich Ihren Ansprüchen an Qualität, nämlich Ihren Ansprüchen als Wissenschafter – Sie als Wissenschafter frage ich das – und auch als Bildungsminister? (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie der Abg. Cox.)

Sie nehmen den Schulen dann auch noch den Integrationstopf weg. 80 Millionen Euro für 400 Sprachpädagoginnen und -pädagogen, 250 IntegrationspädagogInnen, 85 So­zialarbeiter und für die Menschen aus den mobilen Teams – die werden den Schulen einfach weggenommen, obwohl Sie wissen, dass Integration ein Mehrjahresprojekt ist und dass Integration nicht mit Sprachkompetenzerwerb abgeschlossen ist. Das ist viel­schichtig und braucht viel Unterstützung!

Fazit: Wollen wir heute wirklich über einen Gesetzentwurf abstimmen, der sich auf fol­gende Formel reduzieren lässt: Besser Deutsch lernen mit der Hälfte an Deutschpäda­goginnen und -pädagogen, mit separierenden Maßnahmen und null Ressourcen für unterstützende Maßnahmen!? – Ich meine, das ist fahrlässige Politik auf den Rücken der Schülerinnen und Schüler und vor allem auch der Pädagoginnen und Pädagogen.

Und ihnen, den Pädagoginnen und Pädagogen, möchte ich an dieser Stelle wirklich danken (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff), denn sie haben in den letzten Monaten und Jahren Unglaubliches geleistet. Sie haben diese Sprach­startgruppen, Sprachfördergruppen so gestaltet, wie es die Schulen brauchen, wie es die Kinder brauchen (Abg. Wurm: 25 Prozent Analphabeten, Frau Ex-Minister!) – auto­nom, weil jede Schule anders ist, weil jede Schule eine andere Zusammensetzung von Schülerinnen und Schülern aufweist. (Abg. Wurm: 25 Prozent Analphabeten!) Ich glaube, darin sind wir uns ja einig: Es braucht in diesem Bereich maßgeschneiderte Maßnahmen.

Herr Minister, ich bitte Sie wirklich: Schätzen Sie die Leistungen unserer Pädagoginnen und Pädagogen nicht gering, die an diesen Schulen wirklich viele tolle Maßnahmen erarbeitet haben, die gut funktionieren und die Sie nicht einfach vom Tisch wischen sollten – ohne Evaluierung, ohne Überprüfung, die im Jänner nächsten Jahres hätte stattfinden sollen! Und dann argumentieren Sie auch noch mit Zahlen, die aus dem Jahre 2015 und vorher stammen. Das heißt, diese reflektieren gar nicht auf die Sprach­fördergruppen und auf die Sprachstartgruppen. Das ist Irreführung, wie ich meine.

Meiner Meinung nach geht das so überhaupt nicht, und deshalb stelle ich gemeinsam mit den NEOS und der Liste Pilz einen Rückverweisungsantrag an den Unterrichts­ausschuss. Ich bitte Sie wirklich: Zurück an den Start! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von NEOS und Liste Pilz.)

11.57

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Rudolf Taschner, Sie sind der nächs­te Redner. – Bitte.