9.24

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Es hätte mich ja sehr gewundert, wenn ich ohne freiheitliche Zwischenrufe den Weg bis zu diesem Mikrofon geschafft hätte. Ich muss mich nicht wundern (in Richtung FPÖ deutend), es geht eh schon wieder los. (Abg. Höbart: Na no na ned! Die Pension hätte Ihnen sehr gutgetan! – Abg. Hafenecker: Mit Butter am Kopf soll man nicht in der Sonne stehen!)

Nur zwei ganz kurze Bemerkungen. Erstens: Vonseiten der Freiheitlichen Partei und auch vonseiten der Österreichischen Volkspartei hat ein Wort vollkommen gefehlt, das ist das Wort Entschuldigung. – Entschuldigung bei Alma Zadić (Heiterkeit und Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ), Entschuldigung bei Alma Zadić - - (Weitere Zwischen­rufe bei ÖVP und FPÖ sowie Gegenrufe bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, die Diskussion so zu führen, dass man den Sprecher ausreden lässt!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Aber ich möchte nicht nur der Fairness halber sagen, dass mir Alma Zadić mitgeteilt hat, dass sich Abgeordneter Zanger bei ihr persönlich entschuldigt hat – und das ist zumindest ein Signal in die richtige Rich­tung. (Beifall bei der Liste Pilz sowie der Abg. Margreiter.)

Das Zweite ist: Herr Präsident, hier im Hause sollte es schon möglich sein, dass Sie, wenn Abgeordnete auf sehr persönliche Art und Weise angegriffen und in manchen Fällen auch diffamiert werden, nicht zwei Tage lang darüber nachdenken, ob es hier eines klaren Wortes von Ihrer Seite bedarf, sondern in der Lage sind, den in der Ge­schäftsordnung vorgesehenen Schutz der Abgeordneten und auch der Würde des Hauses sofort wahrzunehmen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, das merke ich nur in aller Ruhe zu diesem Punkt an. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Ich komme jetzt zum Thema dieser Aktuellen Stunde und möchte Sie einfach in aller Ruhe mit ein paar Fakten konfrontieren. Es geht darum, nach einem halben Jahr ein­mal eine erste Bilanz der Regierungsarbeit zu versuchen und ein erstes Mal zu ver­suchen, klarzustellen und auszuleuchten, wo diese Regierung steht, wo die Öster­reichi­sche Volkspartei steht, wo die Freiheitliche Partei steht und welche Interessen sie vertreten.

Das ist eine ganz einfach Frage, da insbesondere im Fall der Freiheitlichen Partei ja viele Wählerinnen und Wähler aus Protest gegen ein bestehendes politisches System gesagt haben: Jetzt wollen wir es den Großen zeigen, wir wollen, dass endlich die Interessen der Kleinen vertreten werden! – Na dann reden wir einmal darüber, wie das Ganze passiert.

Es ist sinnvoll, da einen sachlichen Zugang zu wählen, und ein sachlicher Zugang ist zum Beispiel eine Parteispende, die Parteispende von Stefan Pierer, dem Eigentümer und Chef des großen österreichischen Industriebetriebs KTM. Das ist ein erfolgreicher Industriebetrieb, der meines Wissens auch ausgezeichnet geführt wird, wo Steuern bezahlt werden, in dem etwa 4 000 Mitarbeiter beschäftigt werden. (Abg. Rosenkranz: Was hat denn der der FPÖ gespendet?) Herr Pierer hat der Österreichischen Volkspartei 436 563 Euro für den Wahlkampf gespendet.

Wenn man sich die Geschäftsgebarung und die geschäftlichen Interessen des Herrn Pierer anschaut, dann wird man feststellen, dass er erst lange Zeit in seinen Indus­triebetrieb investiert hat. In einem Industriebetrieb, der gut geht, wie KTM, erwirt­schaftet man in einem durchschnittlichen Jahr Renditen in der Größenordnung von einigen wenigen Prozent. Das ist für die Industrie in Zeiten wie diesen schon ganz beachtlich. Seit kurzer Zeit hat sich Herr Pierer insbesondere im Großraum Wels dem Immobiliengeschäft zugewendet. Er investiert in Immobilien, und da schaut es schon ein bisserl anders aus.

Herr Pierer hat dann im letzten Jahr ein neues Geschäftsfeld entdeckt, und dieses Ge­schäftsfeld heißt Österreichische Volkspartei. Er hat ein erstes Mal massiv in die Österreichische Volkspartei investiert. Jetzt besteht die Möglichkeit, einmal nachzu­rechnen: Zahlt sich das aus? War das ein gutes Geschäft?

Herr Pierer beschäftigt bei KTM 4 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Österreich. Er zahlt als Unternehmer 1,3 Prozent von der Lohnsumme als Unfallversicherung. Wenn das jetzt gekürzt wird, wenn jetzt der Unternehmerbeitrag zur Unfallversicherung von 1,3 auf 0,8 Prozent heruntergesetzt wird, dann erspart sich Herr Pierer mit seinen 4 000 Beschäftigten in Österreich pro Monat rund 45 000 Euro. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Abg. Kassegger: Was zahlt ein Arbeitsloser Versicherung?) Das heißt, er sitzt da, muss nur kurz nachrechnen und sieht: In elf Monaten habe ich meine Parteispende nur durch die Ersparnisse bei der Unfallversicherung schon wieder herinnen. In elf Monaten ist die Parteispende schon wieder herinnen, aber dann kommen in diesen fünf Jahren noch 49 Monate, in denen Herr Pierer nur kassiert, in denen er seine ÖVP-Dividende kassiert und nichts dafür leisten muss. (Beifall bei der Liste Pilz. – Zwi­schenruf des Abg. Loacker.) In diesen 49 Monaten kassiert der Parteispender Pierer eine Dividende auf Kosten der Unfallversicherten von 2,2 Millionen Euro. – Das ist der Punkt, um den es geht.

Wissen Sie, was das für eine Verzinsung ist? – Nicht 3 Prozent wie bei Industrieinves­titionen, nicht 10 Prozent wie bei Immobilieninvestitionen, sondern eine Verzinsung von 618 Prozent über eine Legislaturperiode. (Zwischenruf der Abg. Steinacker.) So schaut es mit der Österreichischen Volkspartei aus.

Es geht um Folgendes: Was will diese Partei und was will diese Bundesregierung? – Bundeskanzler Kurz ist als Parteivorsitzender mit dem Satz angetreten: Wir sind für die da, die etwas leisten! Heute ist eines klar: Die ÖVP ist für die da, die sich etwas leisten können! Das ist der große Unterschied. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Jarolim.)

Die ÖVP ist heute – das klingt ja fast schablonenhaft – die Partei der großen Ver­mögen, der großen Investitionen, der großen Einkommen und der großen Konzerne. – Na was ist mit dem Finanzminister, wenn er nach Brüssel fährt und versucht, die Besteuerung der internationalen Konzerne zu verhindern? (Abg. Belakowitsch: Der Pilz ist ...!)

Wir kämpfen hier in diesem Parlament darum, dass endlich Apple, Google und Ama­zon in Österreich Steuern zahlen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Wir könnten schon längst Gesetze haben, in denen steht: Es gibt eine elektronische Betriebsstätte. Wir könnten schon längst Gesetze haben, in denen wir sagen, wir besteuern im Inland, was im Ausland an österreichischen Steuerleistungen verschwindet. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir könnten diese ganzen Gesetze längst haben, aber da gibt es einen Finanzminister, der nach Brüssel fährt und sagt: Auch wenn alle in der Europäischen Union die großen Konzerne besteuern wollen, Österreich nicht – wir nicht! Wer sich etwas leisten kann, darf sich alles leisten! – Das ist das Motto der Österreichischen Volkspartei, des Finanzministers und des Bundeskanzlers.

Jetzt kann man sagen: Das alles ist ja keine Überraschung, das haben wir eh immer gewusst! – Das ist auch keine Überraschung, wir haben es wirklich immer gewusst, von Schwarz auf Türkis hat sich da im Grunde nichts geändert. Es ist etwas offener, etwas klarer und etwas geschwinder geworden.

Aber das Entscheidende ist: Was ist mit der Freiheitlichen Partei? (Ruf bei der ÖVP: Was ist mit der Liste Pilz?) Das frage ich mich! Das war einmal die Partei der soge­nannten kleinen Leute. Was ist denn eigentlich mit Ihnen passiert? (Zwischenruf des Abg. Hafenecker. – Ruf bei der ÖVP: Für was stehen Sie?)

Im Zusammenhang mit dem Sozialbetrug, meine Damen und Herren von der Frei­heitlichen Partei, haben Sie erklärt, Ihr heutiger Minister Hofer noch vor einem Jahr: Den Sozialbetrügern muss es an den Kragen gehen. Jetzt wird das Kumulationsprinzip abgeschafft, ist schon abgeschafft. Wenn Sie bei 1 000 Mitarbeitern Sozialbetrug orga­ni­sieren, zahlen Sie eine Bagatellstrafe von 844 Euro – eine Einladung der Frei­heit­lichen Partei, auf Kosten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Sozialbetrug zu organi­sieren. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das ist falsch!)

Was ist mit den Lehrlingen? (Abg. Kassegger: Was ist mit den Arbeitslosenzahlen und den Beschäftigungszahlen, Herr Pilz?) – Die Lehrlingsentschädigungen, die Berufs­aus­bildungsentschädigungen bei überbetrieblicher Ausbildung werden um mehr als die Hälfte gekürzt – die Freiheitliche Partei gegen die Lehrlinge. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Was ist mit den sonstigen großen Versprechen: kein Zugriff auf Abgaben, kein Zugriff auf die Jobsuchenden bei Jobsuche!? (Abg. Hauser: Ich würde einmal vor der eigenen Türe kehren!) Was ist passiert? – Die werden bestraft, wenn sie arbeitslos sind, Job suchen, und zwar von der Freiheitlichen Partei, von der ÖVP.

Und was ist mit den sonstigen Versprechen? 12-Stunden-Tag? (Abg. Gudenus: Fra­gen Sie den Kern!) Zum 12-Stunden-Tag hat es von H.-C. Strache noch geheißen: asozial, leistungsfeindlich! – Und heute: Freiheitliche Partei für den 12-Stunden-Tag, mit dem Ziel, dass es anstelle von Familien, die sich mit ihren Kindern untertags noch regelmäßig treffen können, jetzt Tagesrandfamilien gibt. (Abg. Belakowitsch: Was wissen Sie schon von Familien?) Die Familienpartei FPÖ: die Partei der 12-Stunden-Arbeitstag-Tagesrandfamilien. (Beifall bei der Liste Pilz. – Abg. Kitzmüller: Alles falsch! Komplett falsch!)

Reden wir doch über Volksabstimmungen, reden wir über Ceta, reden wir über gebrochene Wahlversprechen! (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Wenn es etwas gibt, worauf sich die Österreicherinnen und Österreicher verlassen können, dann ist das Folgendes: Ein Versprechen der Freiheitlichen Partei ist die Garantie, dass dieses Versprechen gebrochen wird! – Und das ist das Entscheidende. (Beifall bei der Liste Pilz sowie des Abg. Jarolim. – Abg. Belakowitsch: Jetzt müssen Sie schon selber lachen!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte um den Schlusssatz!

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Gerne. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Die Österreichische Volkspartei hat ihre Versprechen nicht gebrochen, sondern gehalten, weil sie jetzt denen, die gespendet haben, das zurückzahlt. Die Einzigen, die jedes einzelne ihrer Versprechen gebrochen haben, das sind die Damen und Herren der Frei­heitlichen Partei.

Danke für die Zwischenrufe und danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gudenus: Großes Kabarett! – Abg. Wurm: Mea culpa würde da einmal gescheiter sein! – Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

9.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Blümel. – Bitte.