10.38

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! (Der Redner stellt eine Tafel, auf der Heinz-Christian Strache zu sehen und der Text „Weil es um Österreich geht: Verbindliche Volksab­stimmung zu Ceta und TTIP – Jetzt“ zu lesen ist, vor sich auf das Rednerpult.) Für das, was heute hier in diesem Haus geschieht, gibt es ein einfaches und leicht ver­ständ­liches Wort: das Wort heißt Verrat, geschätzte Damen und Herren (Zwischenruf des Abg. Brückl) – und zwar dreifacher Verrat, den Sie als Regierung, Sie als Regierungs­mehrheit zu verantworten haben: Verrat an den Wählerinnen und Wählern der FPÖ, Verrat an denen, die ein gerechtes Österreich wollen, Verrat an der parlamentarischen Demokratie, und das zur Unzeit! (Abg. Neubauer: Herr Präsident!)

Lassen Sie mich die historischen Standpunkte der Parteien in diesem Haus zu Ceta rekapitulieren! Die NEOS: so schnell wie möglich, so neoliberal wie möglich; die ÖVP: Handelsabkommen ja, Schiedsgerichte ja, immer der Standpunkt gewesen; die Sozial­demokratie: Ja zum freien Handel, Ja zu Handelsabkommen, Ja zur Senkung von Zöllen, Ja zu Erleichterungen für unsere Industrie, aber Nein zu Schiedsgerichten – das hat sich auch nie geändert – (Abg. Kassegger: Deshalb haben Sie ja auch meh­rere Dutzend ... unterschrieben, weil das so klar ist, Nein zu Schiedsgerichten!); und die Freiheitlichen: Handelsabkommen nie und nimmer, Schiedsgerichte nie und nim­mer – das war die Position der Freiheitlichen Partei, geschätzte Damen und Herren –; und außer bei einer Partei hat sich an diesen Standpunkten nichts geändert.

Was ist mit der Freiheitlichen Partei? Was ist mit der Aussage Ihres Parteivor­sit­zen­den: Nein zu Ceta, verbindliche Volksabstimmung!? (Ruf bei der FPÖ: ... Sie ver­wechseln da was!) – Dieses Credo, geschätzte Damen und Herren, haben Sie vor sich hergetragen. Wo ist Herr Strache heute, wenn es darum geht, sich zu rechtfertigen? (Rufe bei der FPÖ: Na geh!) Wo ist er? – Herr Strache ist mit dieser Haltung so krachend umgefallen, geschätzte Damen und Herren, dass der ganze 1. Bezirk heute wackeln wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Es war eindeutig der größte Umfaller in der Geschichte des österreichischen Parla­mentarismus (Heiterkeit bei der FPÖ Abg. Haider: Das sagt ein Roter!), denn seit diesem Zeitpunkt, geschätzte Damen und Herren, als Herr Strache gesagt hat: Ver­bindliche Volksabstimmung! (Abg. Neubauer: Was ihr verhindert habt!), ist nichts bes­ser geworden, sind keine Giftzähne gezogen worden, hat sich überhaupt nichts geän­dert. Diesen Umfaller, geschätzte Damen und Herren, werden sich Ihre Wählerinnen und Wähler merken. Das war ein Verrat, um in die Regierung einzutreten, und dieser Verrat war es wahrscheinlich nicht wert, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Wir springen aber für Sie ein. (Rufe bei der ÖVP: Oje! Das ist eine Drohung!) Wir ermöglichen es Ihren Wählerinnen und Wählern, geschätzte Damen und Herren, das Versprechen, das Herr Strache gegeben hat, zu erfüllen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Das sind wir bereit zu tun, und da könnten Sie auch einmal applaudieren, nicht? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Wöginger. Die Abgeordneten der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen „Volksabstimmung“, „Ceta“ und „Jetzt“ zu lesen ist.)

Wir stellen daher folgenden Antrag (Abg. Belakowitsch: Warum habt ihr das nicht schon vorher gemacht?):

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Bruno Rossmann, Kolle­gin­nen und Kollegen betreffend „Volksabstimmung über CETA“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, um CETA einer Volksabstimmung zuzuführen.“

*****

Geschätzte Damen und Herren, ich denke, diesem Antrag könnten Sie genauso zu­stimmen. (Ruf bei der FPÖ: Wo ist denn der Applaus? Abg. Wöginger: Was ist jetzt? Jetzt wird ’poscht! Jetzt müsst ihr klatschen! Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. Abg. Wöginger: Ihr braucht den Günter Tolar!)

Es ist aber auch so, dass dieser Vertrag ein Verrat am gerechten Österreich ist, denn was bewirken diese Privatgerichte, für die Sie heute stimmen werden? Was bewirken diese Tribunale, für die Sie stimmen werden? Was bewirkt vielleicht in Zukunft irgend­wann einmal ein Handelsgerichtshof, für den Sie heute noch nicht stimmen, weil es ihn noch nicht gibt?

Sie schaffen zweierlei Art von Recht, geschätzte Damen und Herren, und das ist unge­recht. (Abg. Wöginger: Wie in der SPÖ, da gibt es mehrere Rechte!) Was Sie mit dieser Ratifizierung tun, ist, Sonderrechte für investierende Konzerne zu schaffen. Sie ermöglichen es, dass internationale Großbanken in Zukunft gegen österreichische Steuergesetzgebung klagen können, wenn diese verhindert, dass sie in Steueroasen Geld waschen.

Sie ermöglichen es, dass internationale Tabakkonzerne gegen Nichtraucher­bestim­mun­gen klagen können – ich weiß, das ist Ihnen von der FPÖ egal, aber das ist vielen Menschen in Österreich nicht egal, geschätzte Damen und Herren ‑, und Sie ermög­lichen es, dass internationale Waffenexporteure vielleicht gegen Ausfuhrverbote Öster­reichs stimmen, und so desavouieren Sie die Neutralität unseres Landes. Das haben Sie mit dieser Entscheidung auf dem Gewissen, geschätzte Damen und Herren! (Abg. Rosenkranz: Als ob Ihnen das jemals ein Anliegen war ...!)

Und auf der anderen Seite: Was kann der österreichische Pensionist dagegen tun, wenn Sie keine entsprechenden Regelungen zu Bankomatgebühren treffen? (Abg. Winzig: Ohhh!)

Was kann eine Mutter tun, die nicht will, dass ihre Kinder sich in einer Umgebung aufhalten, in der geraucht wird? Was kann ein Pflegebedürftiger tun, wenn Sie viel­leicht wieder den Regress einführen und er seine Wohnung verliert? Nichts können diese Menschen tun, geschätzte Damen und Herren, im Gegensatz zu den Konzernen; sie können höchstens zum Salzamt gehen. – Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Wöginger: Jössas Maria!)

Was heute hier ebenfalls geschieht, ist Ihr Verrat an der parlamentarischen Demo­kra­tie, geschätzte Damen und Herren! Es hat in unserer Geschichte einmal etwas gegeben, was von einigen die Selbstausschaltung des Parlaments genannt wurde. Ich möchte jetzt ganz dezidiert sagen, dass das natürlich nicht vergleichbar ist (Abg. Stefan: Aber! Alles, was vor aber gesagt wird, ist gelogen! Wann kommt das Aber?), aber ich habe mich mit diesem Thema lange befasst und habe überlegt: Wie können Abgeordnete beginnen, ihre eigenen Kompetenzen einzuschränken und sich selbst schwach zu machen? – Geschätzte Damen und Herren, das passiert jetzt hier!

Ich kann mich gut erinnern, wie die FPÖ in der Zeit ihrer Opposition immer wieder ganz vehement parlamentarische Verantwortung eingefordert hat. Da haben Sie recht gehabt! Ich kann mich gut erinnern, wie Kurz und Blümel in diesen letzten sechs Mo­naten das Prinzip der Subsidiarität hochgehalten haben und damit eine Renatio­nalisierung gemeint haben. Geschätzte Damen und Herren! Das ist jetzt aber alles Schall und Rauch. Sie sind dafür, dass allfällige zukünftige Veränderungen bei Ceta nicht mehr diesem Parlament vorgelegt werden. Damit schwächen Sie sich selbst und uns alle, geschätzte Damen und Herren! Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass Sie das tun. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Und Sie tun das noch dazu zum falschen Zeitpunkt: Sie wissen ganz genau, dass der Europäische Gerichtshof relativ rasch über Ceta entscheiden wird und klarlegen wird, ob es überhaupt europarechtlich geht, so etwas zu beschließen. Sie wissen ganz ge­nau, dass das derzeit am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Thema ist und dass auch nicht klar ist, ob das mit deutschem Verfassungsrecht übereinstimmt. Sie wissen ganz genau, dass diese Privattribunale, diese Schiedsgerichte erst verhandelt werden, und Sie wollen jetzt schon zustimmen. Warum machen Sie das?

Ich glaube, dafür gibt es nur ein ehrliches Motiv: Sie wissen, dass in Österreich kaum jemand dieses Abkommen möchte. Sie wissen, dass es ungerecht ist. Sie wissen, dass Ihre Wählerinnen und Wähler das schon überhaupt nicht möchten. Der einzige Grund dafür, dass Sie das jetzt so schnell umsetzen, ist Ihre Hoffnung, dass es bis zur nächsten Wahl vergessen ist – aber da täuschen Sie sich, geschätzte Damen und Herren, das wird nicht vergessen werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. Abg. Klinger: Warum habt ihr es dann unterschrieben? Abg. Gudenus: Der Kern hat es unterschrieben!)

Das, was die FPÖ da macht, kann man relativ klar zeigen: Ein leichter Schupfer, und Sie sind umgefallen. (Der Redner wirft die Tafel um, die vor ihm auf dem Rednerpult steht.) Das war es. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Cornelia Ecker, Bruno Rossmann, Kolle­gin­nen und Kollegen

betreffend Volksabstimmung über CETA

eingebracht im Zuge der Debatte zum und im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regie­rungs­vorlage (152 d.B.): Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kanada an­de­rerseits samt Gemeinsamer Auslegungserklärung (178 d.B.)

Begründung

Noch vor der Wahl bekundete die FPÖ vehement ihre Ablehnung von CETA und Konzernklagerechten.

Strache ließ sich mit seiner Ablehnung von CETA sogar plakatieren:

Einige weitere Beispiele für Aussagen zur Notwendigkeit einer CETA-Volksab­stim­mung:

•           „Eine Volksabstimmung über CETA ist Koalitionsbedingung.“ - Heinz-Christian Strache in "Österreich", September 2017.

•           „Sollte die FPÖ in Regierungsverantwortung kommen, wird der Ausbau der direkten Demokratie absolute Koalitionsvoraussetzung sein“, versicherte Hofer, „denn die Österreicher müssen über Inhalte selbst entscheiden können, wenn sie das wollen.“ – Norbert Hofer per OTS, September 2017.

•           Den Teil von CETA, der im Parlament zur Abstimmung kommt, wollen wir unbedingt einer Volksabstimmung unterziehen, weil es hier um eine starke Ein­schränkung der Souveränität Österreichs geht."  - FPÖ-Abg. Harald Stefan im ORF, November 2017.

Auch 562.379 ÖsterreicherInnen haben im Zuge des Volksbegehrens „Gegen TTIP/CETA“ ihre Kritik an den Abkommen kundgetan und ein Verfassungsgesetz gefordert, das eine Genehmigung von CETA und TTIP nur auf Grundlage einer eige­nen verfassungsrechtlichen Ermächtigung erfolgen darf.

Nunmehr soll aber alles anders sein. Die FPÖ stimmte bereits im Regierungs­programm der Ratifikation von CETA bedingungslos zu und enttäuscht dadurch nicht nur die 562.379 UnterstützerInnen des Volksbegehrens. Sie hat geradezu kapituliert. Als Trost erhielt sie scheinbar die vorübergehende Aufhebung des Rauchverbots. Die Bedrohung durch Konzernklagen gilt mit Zustimmung der FPÖ jedoch für alle Zukunft unbefristet.

Mit dem vorliegenden Antrag erhalten die FPÖ-Abgeordneten eine letzte Chance, zur Vernunft zu kommen und das von ihnen geleistete Wahlversprechen doch noch einzu­lösen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, um CETA einer Volksabstimmung zuzuführen.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag, der eingebracht wurde, ist ordnungs­gemäß eingebracht, hat die nötige Unterstützung und steht somit mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.