11.17

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Ratifizierung von Ceta ist ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit. Gerade wenn man sieht, was in der Welt vorgeht, in Zeiten von Strafzöllen, von G-7-Treffen, die katastrophal in die Hose gehen, kann man eigentlich nur mit modernen Freihandelsabkommen wie Ceta antworten, um ein Zeichen zu setzen (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der ÖVP) – ein Zeichen in Richtung proaktives Setzen globaler Standards, was nur geht, indem man freien Han­del mit Ländern betreibt, die hohe Standards haben, wie Kanada. Es geht auch darum, ein Zeichen für KMUs zu setzen, dass man eben ein System des Freihandels haben möchte, das auch Klein- und Mittelbetrieben durch den Abbau von nichttarifären Handels­hemmnissen den Zugang zu Märkten in der Welt erleichtert.

Die Gegner des Welthandels haben es im Moment eigentlich nicht so leicht – wenn man ein so prominentes Beispiel wie Donald Trump hat, der zeigt, welche verheeren­den Konsequenzen es für die europäische Wirtschaft haben kann, wenn man zum Protektionismus zurückkehrt.

Ich möchte in diesem Fall aber – gerade wenn man sich die populistischen Reden vonseiten der Sozialdemokratie anhört – einem letzten Mythos den Raum geben, hier aufgeklärt zu werden, nämlich einem Mythos zum Investitionsschutz. Der Rest von Ceta ist ja schon länger in Kraft, und ich habe nicht das Gefühl, dass unsere Standards seither gesenkt wurden; wenn es doch so ist, hätte ich gerne, dass jemand mit einem Fantasiehormonrindfleischstück an das Rednerpult kommt, so wie Leo Steinbichler das vielleicht gemacht hätte, um uns zu beweisen, was da passiert ist. Das kann man aber nicht machen, weil es einfach nicht stimmt. Die Standards sind nicht gesenkt worden, weil das in Ceta auch nicht so vorgesehen ist.

Ceta ist ein Vertrag, der gewährleistet, dass die europäischen Standards auch in Kanada und auch für kanadische Produkte, die nach Europa kommen, sichergestellt sind. Österreich hat 62 solcher Investitionsschutzabkommen, die europäischen Mit­glied­staaten haben über 1 400. Mythos Nummer eins: Es ist ein Privileg der Kon­zerne. – Nein. Es wird beharrlich ignoriert, dass das für den Besitzer eines Stau­damms genauso Schutz bedeutet wie für den Besitzer eines Würstelstands – sollte der denn Lust haben (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), ein Franchise­unterneh­men in Kanada aufzumachen.

Es wurde auch nachverhandelt, ganz besonders im Bereich des Investitionsschutzes, in dem es jetzt ein Investitionsschutzsystem gibt, ein Gerichtssystem – ICS statt ISDS –, und damit komme ich zum zweiten Mythos: dass das Ganze unglaublich geheim ist. ICS hat neue Transparenzregeln, also Bestimmungen betreffend die Öf­fent­lichkeit, die man in nationalen Gerichten eigentlich vergeblich sucht, zum Beispiel, dass alle Schriftstücke öffentlich sein müssen, dass die Verhandlungen öffentlich geführt werden, dass jeder eine Stellungnahme abgeben kann, die dann auch berück­sichtigt wird. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das ist etwas, was man im öster­reichischen Verfahrensrecht nicht hat – beim ICS gibt es das zum Beispiel.

Drittens: Warum brauchen wir das überhaupt? Oder – wie die SPÖ sagt –: Reichen Ihnen denn unsere Gerichte nicht? Die sind doch so gut! – Aber ist das in der ganzen Welt so? Kann man in der ganzen Welt darauf vertrauen, dass die Gerichte unab­hängig, unparteiisch, nicht von Korruption beeinflussbar sind? (Abg. Schieder: In Kanada schon! – Zwischenruf der Abg. Ecker.) – Nein, das kann man nicht. (Abg. Schieder: Aber Kanada ...!)

Genau deshalb – damit kommen wir zum nächsten Punkt – hoffe ich auch betreffend diese Bundesregierung, dass sie sich dafür verwenden wird, dass der Vorschlag der EU-Kommission, einen multilateralen Handelsgerichtshof einzusetzen, ganz klar unterstützt wird, und das ein Projekt ist, das auch während der Ratspräsidentschaft von dieser Bundesregierung weitergeführt wird. Das ist etwas, was ich mir erwarte, vor allem im Hinblick darauf, wie jetzt hier auch über dieses Thema gesprochen wird.

Um noch einmal darauf zurückzukommen: Nein, das ist in Kanada kein Problem, aber wissen Sie, was in Kanada ein Problem ist? – In vielen Staaten, zum Beispiel in Kanada, kann das Einhalten von Schutzstandards, die in völkerrechtlichen Verträgen festgehalten sind, vor nationalen Gerichten nicht eingeklagt werden, bei Schieds­ge­richten aber schon. Das heißt, es ist grundsätzlich notwendig, solch ein Schiedsge­richtssystem zu haben, denn sonst ist ganz Ceta quasi für die Fisch, weil man es dort nicht einklagen kann.

Das ist einfach nicht möglich, weil das dort vor nationalen Gerichten nicht geht, und das ist ganz genau der Punkt, warum man es braucht. (Abg. Schieder hält eine über­dimensionale Schaumgummihand in die Höhe, auf deren ausgestrecktem Zeigefinger steht: „Wir sagen Stopp!“) Es ist auch eine Erklärung dafür, wo diese 62 anderen Abkommen, die wir bisher abgeschlossen haben, eigentlich hergekommen sind. (Abg. Schieder: Aber irgendwann ist es genug!) Warum eigentlich haben wir die vorher gebraucht?

Natürlich geht es auch darum, dass im Unterschied zu Schiedssprüchen innerstaat­liche Urteile im Ausland zumeist nicht vollstreckbar sind. Es wäre doch schade, wenn unsere Gerichte, die ja so gut arbeiten, Urteile fällen, mit denen wir nachher nichts anfangen können. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Das sind drei Punkte, anhand derer man erläutern kann, dass diese Mythen einfach nicht stimmen und Unwahrheiten sind.

Und wenn wir schon von Kniefällen reden: Es hat von uns nie einen Kniefall vor irgend­jemandem gegeben. Wir haben uns immer klar dazu bekannt, dass wir zum globalen Freihandel stehen. Wir sind der Meinung, dass das die Grundlage unseres Wohlstan­des ist, aber die SPÖ genauso wie vorher im Parlament die Grünen und auch jetzt die Liste Pilz machen einen Kniefall vor der populistischen Lobby, die versucht, zurück zur Steinzeit zu kommen, was die Handelspolitik betrifft. (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Das ist ein Kniefall! Das hat nichts mit verantwor­tungs­voller Politik zu tun, das ist verantwortungslos gegenüber der europäischen Bevölke­rung.

Im Übrigen handelt es sich quasi um ein Allparteiending, denn der Auftrag, das Ver­handlungsmandat, ist von einem SPÖ-Bundeskanzler gekommen, jetzt sind NEOS, ÖVP und FPÖ dafür, und ein grüner Bundespräsident wird die Unterschrift darunter setzen. – Wie schön! (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie des Abg. Kumpitsch.)

11.22

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr.in Schramböck zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.