10.35

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen auf der Ministerbank! Wenn wir heute Schülerin­nen und Schüler in diesem Haus begrüßen, dann sind das junge Österreicherinnen und Österreicher, die das Leben außerhalb der Europäischen Union nicht mehr ken­nen. Es ist dies eine neue Generation in Österreich, der vollkommen klar ist, dass es unsere Aufgabe in der Politik ist, an dieser positiven Entwicklung der Europäischen Union aktiv mitzuwirken.

Europa steht für Freiheit, für Demokratie, für Chancen und ist in dieser Zusammenset­zung eine Wirtschaftsgemeinschaft. Es war ja die Idee der Gründer der Europäischen Union, dass Staaten, die miteinander wirtschaftlich in engem Kontakt stehen, nicht Krieg gegeneinander führen. Wir sehen es auch bei anderen Projekten, wie zum Beispiel beim Projekt Seidenstraße hinsichtlich Breitspurbahn, dass die Ukraine und Russland in diesen Bereichen keine Differenzen haben, sondern dass es da eine Zu­sammenarbeit gibt.

Europa ist aber mehr oder muss mehr sein, es kann nicht nur um wirtschaftliche In­teressen gehen. Europa ist auch eine Wertegemeinschaft. Wir alle miteinander haben sehr oft betont, dass die Art und Weise, wie wir die Gesellschaft gestalten wollen und wie wir in Zukunft leben wollen, auch eine Wertegemeinschaft ist. (Ruf bei der SPÖ: Eine Sozialgemeinschaft!) Wenn Sie von Sozialgemeinschaft sprechen, dann sage ich: Soziales und soziale Gerechtigkeit sind auch ein wichtiger Wert für uns innerhalb der Europäischen Union.

Am 1. Juli 2018 übernimmt Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union und hat für die anschließenden sechs Monate die große Aufgabe, die Herausforderungen in der Europäischen Union zum Wohle der Union selbst, zum Wohle der Mitgliedstaaten und zum Wohle der Bürger zu meistern.

Wir werden zwei wichtige Aufgabenstellungen zu bewältigen haben, nämlich erstens den Austritt der Briten aus der Europäischen Union. – Bedenken wir dabei aber bitte immer Folgendes: Es ist kein Austritt aus Europa, und es wird notwendig sein, dass wir mit den Freunden aus dem United Kingdom eng zusammenarbeiten, nicht nur im Si­cherheitsbereich, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich, und dass dieser enge Kon­takt bestehen bleibt. Es ist dies kein Austritt aus Europa! Nicht alle im Vereinigten Königreich sind glücklich über die Entscheidung, die getroffen worden ist, und viele würden sich heute wahrscheinlich auch anders entscheiden.

Die zweite große Aufgabe ist der mehrjährige Finanzrahmen. Die Verhandlungen darü­ber werden alles andere als einfach sein. Die Briten waren Nettozahler, es fehlt ein er­heblicher Betrag. Wir dürfen aber bei den Begehrlichkeiten, in allen möglichen Berei­chen weiterhin sehr viel zu investieren, nie vergessen, dass wir auch auf dieser Ebene nach den Maßstäben der Sparsamkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit arbeiten müssen und wir uns sehr genau ansehen müssen, in welchen Bereichen In­vestitionen sinnvoll sind und wo man vielleicht in Zukunft auch sparen kann.

Die Europäische Union war in den letzten Jahren mit vielen Krisen konfrontiert. Sie war mit einer Finanzkrise konfrontiert – die ihren Ausgangspunkt nicht innerhalb Europas hatte –, die nicht nur die Europäische Union erschüttert hat. Weiters war sie mit einer Migrationskrise konfrontiert: Wir waren im Jahr 2015 nicht in der Lage, die großen Migrationsströme so zu organisieren und so zu bewältigen, dass wir sicherstellen konn­ten, dass nicht jene über die Grenze kommen, die in Wirklichkeit gar keine Schutzsu­chenden sind, sondern bei denen andere Interessen im Mittelpunkt stehen.

Daher kam auch die Idee, das Motto: ein Europa, das schützt in den Vordergrund die­ser Präsidentschaft zu stellen, und zwar nicht nur, was die Grenzen und den Grenz­schutz anbelangt, wie der Herr Bundeskanzler schon betont hat, sondern um auch in allen anderen Bereichen Sicherheit zu geben, soziale Sicherheit – und auch in meinem Bereich: Sicherheit, wenn es darum geht, Fahrzeuge sicherer zu machen, aktive und passive Sicherheit zu gewährleisten, im Straßenbau Maßnahmen zu setzen, damit, wenn es Unfälle gibt, diese nicht letal enden. – All das sind Ziele, die wir uns gesetzt haben.

Wir wollen auch, dass sich die Europäische Union nicht in Kleinigkeiten verliert, son­dern im Sinne der Subsidiarität wirklich die großen und wichtigen Themen gemeinsam anpackt.

Wir müssen auch neue Akzente im Bereich der organisierten Kriminalität und deren Verbindungen zum Terrorismus und im Bereich der digitalen Sicherheit setzen. Die di­gitale Sicherheit ist etwas ganz Wesentliches. Wir waren in den letzten Jahrzehnten gewöhnt, sehr viel in den Bereich der klassischen Landesverteidigung zu investieren, doch wir werden auch Investitionen brauchen, wenn es darum geht, unsere Systeme im digitalen Bereich zu sichern.

Wenn wir – auch das hat der Herr Bundeskanzler angesprochen – in den nächsten Jahren sehr viel in den Bereich des digitalen Europas, in den Ausbau des 5G-Netzes investieren – da haben wir uns sehr viel vorgenommen –, bedenken Sie, was das dann eigentlich für uns bedeutet, wenn es einen Angriff auf diese Netze gibt! Es wird nicht so sein wie jetzt, dass man sagt: Na gut, ich kann nicht telefonieren, ich kann nicht ins Internet!, in Zukunft werden im Internet der Dinge alle Dinge miteinander verbunden sein.

Wir werden im 5G-Bereich 10 Gigabit pro Sekunde mobil herunterladen können. Das sind Geschwindigkeiten, die man sich heute gar nicht vorstellen kann. Werden diese Netze aber angegriffen, dann steht alles: dann steht der Verkehr, die Industrie 4.0, die Smart Cities. Das heißt, wir brauchen redundante Systeme, die uns garantieren, dass solche Angriffe, die wir erleben können, nicht auch zum schweren Schaden der Euro­päischen Union passieren können.

Maßstab unseres Handelns ist, dass wir einen Vorsitz führen, bei dem wir faire Makler sind. Natürlich stehen die Interessen Österreichs für uns immer im Vordergrund. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.) Bei der Vorsitzführung sind wir um Ausgleich bemüht. Es ist oftmals sehr, sehr schwierig, zwischen den einzelnen Gruppen zu vermitteln.

Man sieht es bei den Fragen der sozialen Sicherheit im Transportverkehr – einerseits die Road Alliance, auf der anderen Seite die Visegrád-Plus-Staaten, die unterschiedli­che Interessen haben. Wir arbeiten mit unseren gewachsenen Systemen kosteninten­siver, bieten aber auch soziale Sicherheit. Andere, neuere Mitgliedstaaten der Europäi­schen Union arbeiten sehr günstig in diesem Bereich, jedoch sind deren Fahrer viele, viele Wochen unterwegs, ohne jemals nach Hause zu kommen, übernachten im Lkw und sind unter Bedingungen tätig, die wir innerhalb der Europäischen Union nicht ha­ben wollen.

Da müssen wir ausgleichen – ich glaube, das ist auch etwas, das Österreich als neu­trales Land wirklich kann – und ein ehrlicher Vermittler sein. Das Ziel muss sein, Dos­siers abzuschließen, Dinge voranzutreiben, damit es nach diesem halben Jahr heißt: Österreich hat wirklich etwas bewegt. Es muss doch unser gemeinsames Ziel sein, dass wir zeigen, dass dieses Land in der Lage ist, sich positiv in die Europäische Union einzubringen und diese wichtigen Angelegenheiten zum Abschluss zu bringen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In der Vorwoche war die gesamte Bundesregierung in Brüssel und hat dort der EU-Kommission ihre Pläne für die Ratspräsidentschaft präsentiert. Das Gespräch mit Jean-Claude Juncker wird uns noch lange in guter Erinnerung bleiben, es ist sehr offen geführt worden. Es war ein sehr offenes Gespräch, in dem wir klar dargelegt haben, was uns in diesen sechs Monaten wichtig ist, und Jean-Claude Juncker gesagt hat, was seine Wünsche sind.

Ich bin nach diesem Gespräch von einer Journalistin gefragt worden, wie es denn so ist, wenn man jemand ist, der die Europäische Union kritisiert, aber gleichzeitig als Re­gierungsmitglied in den folgenden sechs Monaten große Verantwortung für diese Euro­päische Union übernimmt. Ich habe gesagt: Meine größte Kritikerin ist meine eigene Frau, aber wir vertragen uns trotzdem oder vielleicht sogar deswegen gut. Wir finden immer gute Lösungen für unsere Familie, und genauso soll es auch in der Europäi­schen Union sein. Ich denke, wenn man es mit der Europäischen Union und mit der Zukunft der EU gut meint und man der Meinung ist, dass etwas anders organisiert sein sollte, dann soll es auch möglich sein, dies auszusprechen, denn wir leben in einer freien Gesellschaft. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Unser Motto lautet aber auch: weniger und effizienter. Dazu steht auch diese Bundes­regierung. Was wir nicht wollen, ist ein Zuviel an Bürokratie. Wer auf dieser Ebene aktiv war, weiß, wie schwierig es oft ist, zu Entscheidungsprozessen zu kommen, wie viele Abläufe es gibt, die im diplomatischen Korsett gefangen sind. Wissen Sie, wenn man sich zum Beispiel im Rat bei dieser oder jener Person für die hervorragende Arbeit bedankt, da man das eben so macht und es üblich ist, und man dann vor die Tür geht und hört, wie schlimm die Arbeit dieser Person war und diese wirklich kritisiert wird, so sind das Abläufe, die sich zwar so verfestigt haben, die aber die Gemeinschaft nicht weiterbringen. Wir brauchen auch bei den Sitzungen offene Worte, sonst weiß man nicht, welchen Weg und welche Richtung man einschlagen soll.

Auch bei uns hat bezüglich Bürokratie ein Umdenkprozess eingesetzt. Wir als Bundes­regierung treten gemeinsam für eine Eindämmung der Gesetzesflut und für eine Re­duzierung des Gold Plating, also der Übererfüllung von EU-Richtlinien, ein. Es ist aber auch wichtig, im Sinne der Subsidiarität darauf einzuwirken, dass sich die EU auf die wesentlichen Themen fokussiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich freue mich auf dieses zweite Halbjahr 2018, es wird eine sehr arbeitsreiche und intensive Zeit werden. Sehe ich auf mein eigenes Ressort, so werden es mehr als 150 Ratsarbeitssitzungen sein. Sie werden mich zum Jahreswechsel schlanker und grauer sehen. Es werden herausfordernde Monate. (Abg. Strolz: Mit Bart?) – Den Bart werde ich mir dieses Mal nicht wachsen lassen, Herr Klubobmann, das hat das letzte Mal zu Irritationen geführt. (Allgemeine Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, was wird in meinem Bereich noch wichtig sein? – Wichtig wird sein, die Mobilitätspakete voranzubringen – ich habe vorhin schon den Interessen­ausgleich zwischen den Visegrád-Plus-Staaten und der Road Alliance erwähnt –, die Sicherheit im Straßenverkehr, die Frage der E-Privacy-Verordnung. Es gibt da völlig unterschiedliche Interessen in den Ländern, aber auch eine große Kluft zwischen Industrie einerseits und Datenschutz andererseits. Da gibt es Dinge, auf die man sehr achten muss, etwa die Frage der Cookies und wie diese in Zukunft zu verwenden sind. Bedenken Sie, dass unsere heimische Medienlandschaft sehr abhängig davon ist, dass man darstellen kann, wie viele Personen die Seiten besucht haben. Ist das nicht mehr möglich, dann wird es auch nicht möglich sein, Geldgeber für diese digitalen Me­dien zu finden. Die Gewinner werden dann die ganz großen internationalen Konzerne wie Google, Facebook und so weiter sein. Wir müssen also schon darauf achten, dass auch kleinere Medien in den Mitgliedsländern weiterhin ihre Chancen haben.

Autonomes Fahren wird ein riesiges Thema werden. Autonomes Fahren wird alles ver­ändern, auch die Frage, ob man ein eigenes Fahrzeug braucht oder nicht. Elektromobi­lität, alternative Treibstoffe – all das werden Themen sein, die wir in den Vordergrund stellen.

Ich glaube, dass die Ratspräsidentschaft bei Österreich in guten Händen ist, da wir alle gemeinsam, egal ob Regierung oder Opposition, den festen Willen haben, einen Bei­trag zu leisten, damit sich die Europäische Union auch im Interesse Österreichs wei­terentwickelt. Denn: Was ist die Europäische Union? – Sie ist die Summe der Mit­gliedstaaten. Ich freue mich sehr auf diese Zeit, und ich freue mich auch sehr auf eine gute Zusammenarbeit. – Besten Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke für die Zeitdisziplin. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) – Wenn Sie sich zu Wort melden wollen, dann kommen Sie bitte heraus, Herr Abgeordneter!

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 74b Abs. 4 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtzeit von 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Kern. – Bitte.