12.01

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als einem Jahr fragen wir NEOS, wann es denn endlich das inhaltliche Programm zur Ratspräsidentschaft geben werde. Wir wur­den mit leeren Phrasen vertröstet. (Abg. Rosenkranz: Seit mehr als einem Jahr?) – Ja, da hat es nämlich die erste Anfrage dazu gegeben. (Abg. Belakowitsch: Aber da war noch eine andere Regierung! – Ruf bei der FPÖ: ... Wahlen dazwischen gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es hat vorher auch eine Regierung gegeben, es war keine Anarchie (Abg. Rosenkranz: Okay! Gut!), aber ich weiß, dass Sie das viel­leicht verwechseln könnten. Im Übrigen war die ÖVP vorher auch in der Regierung, das möchte ich auch erwähnt haben. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

Wir wurden also vertröstet, mit leeren Phrasen konfrontiert – jetzt gibt es endlich das Programm, und es ist auch voll mit leeren Phrasen und PR-Erfindungen, es ist vor al­lem aber eines: vollkommen ambitionslos.

Die Ratspräsidentschaft steht unter dem Motto: „ein Europa, das schützt“. Das steht für durchaus wichtige Themen, aber es ist vor allem eines: defensiv. Warum nicht: ein Europa, das gestaltet, ein Europa, das sich erneuert, ein Europa, das nach vorne schaut? Sie haben sich für die Variante entschieden, die man mit Bedrohung und Ge­fahr assoziiert. Und warum das? – Weil das das ist, was Sie antreibt. Ich bin der Mei­nung, dass Sie ohne Gefahr und Bedrohung politisch gar nicht mehr existieren könn­ten.

Dieses Programm ist auch von EU-Skepsis durchzogen. Ich möchte in diesem Zusam­menhang Folgendes zitieren: „Die EU war in den vergangenen Jahren mit mehreren Krisen konfrontiert, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union als Union, die Sicherheit und Frieden gewährleistet, erschüttert haben.“

Es waren aber nicht die Krisen, die das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institutionen erschüttert haben, es waren die Mitgliedstaaten, die nationale Egoismen nach vorne und das Wohl der gesamten Union hintangestellt haben. Das hat das Ver­trauen in die Institutionen erschüttert. (Beifall bei den NEOS.)

Es ist genau Ihre Art von Politik, die das Vertrauen in die Funktionalität der europäi­schen Institutionen zugrunde richtet. Sie wollen jetzt die Verantwortung für all das, was passiert ist, an Brüssel abschieben, aber wer ein wenig Verständnis dafür hat, wie die europäischen Institutionen funktionieren, weiß, dass diese Entscheidungen nicht ohne die österreichischen Regierungen hätten getroffen werden können. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Neubauer: Sehr erfolgreich sind Sie auch nicht!) Alle, die bisher in der Regierung waren – und da war die ÖVP nicht ganz unbeteiligt –, und auch jetzt die neue Regierung sind an den Entscheidungen, die im Rat gefällt werden, immer mitbe­teiligt.

Sie sprechen immer wieder auch von Szenario 4 des Juncker-Weißbuchs über die Zu­kunft der Union „Weniger, aber effizienter“. Da möchte ich zwei Dinge herausarbeiten: Sie lassen bewusst aus, dass dieses Szenario auch beinhalten würde, dass es eine echte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geben müsste. Das würde bedeuten: keine nationalen Alleingänge mehr in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Ich würde mich zu behaupten trauen, dass Sie im letzten halben Jahr nicht wirklich bewiesen haben, dass Sie dazu überhaupt imstande wären, nämlich sich für eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einzusetzen. Das würde bedeuten, dass man Federica Mogherini vertraut, dass man sie für uns sprechen lässt und dass man Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, nicht konterkariert, indem man eigene Aktionen lanciert. Es gibt Dutzende Beispiele aus dem vergangenen halben Jahr, die man in diesem Zusammenhang aufzählen könnte; wir haben sie auch im Parlament schon öfter ausdiskutiert. Dass das in diesem Szenario genauso mit ge­meint ist, wird immer nett beiseitegelegt und nicht erwähnt.

Zum Aspekt der Subsidiarität: Was wollen Sie denn weniger? Was wollen Sie denn effi­zienter? – Nachdem wir das jetzt ein halbes Jahr lang gehört haben – „Weniger, aber effizienter!“, „Weniger, aber effizienter!“, „Weniger, aber effizienter!“ –, wäre es doch toll, wenn wir einmal darüber diskutieren könnten, was weniger und was effizienter! Es ist einfach an der Zeit, Antworten zu liefern. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Und was bedeutet dieser nichtssagende Stehsatz: „Die Europäische Union soll auf die großen Fragen fokussieren, die einer gemeinsamen Lösung bedürfen, und sich in klei­nen Fragen zurücknehmen [...]“? (Abg. Rosenkranz: Na die Gurkenkrümmung ist kei­ne bedeutende Sache!) Oder, wie Herr Minister Hofer gesagt hat: „die wesentlichen Themen“. (Abg. Rosenkranz: Die Gurkenkrümmung ist keines!)

Welche großen Fragen? Welche wesentlichen Themen? – Na die großen!, das ist Ihre Antwort. Welche großen? (Ruf: Außengrenzschutz!) – Na die großen halt! – Aber das ist keine Antwort auf die Frage.

Kollege Leichtfried von der SPÖ hat unlängst eine Anfrage dazu gestellt, welche EU-Gesetzesvorhaben denn aktuell nicht dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen würden. – Sie werden vermuten, was die Antwort war, die auf diese Frage gegeben wurde: kein einziges. Kein einziges aktuelles Gesetzesvorhaben würde nicht dem Subsidiaritäts­prinzip entsprechen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte zum Schluss noch etwas Lustiges erwähnen: Sie konnten sich nicht einmal darauf einigen, ob jetzt diese wichtige Region, auf die wir uns während des EU-Rats­vorsitzes konzentrieren wollen, Westbalkan oder Südosteuropa heißt; deshalb heißt es im gesamten Programm: Westbalkan/Südosteuropa. Wir wissen, dass die Außenminis­terin den Begriff Westbalkan als Kunstbegriff ablehnt, und deshalb konnte man sich nicht einmal einigen, wie man diese Region benennen will. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Vielleicht ist das ein gutes Beispiel, das zeigt, wie die Kommunikation zwischen den einzelnen zuständigen Ministerien gerade, was die Gestaltung des Programms des EU-Ratsvorsitzes betrifft, abgelaufen ist. (Abg. Hafenecker: Wir sollten sofort in Neu­wahlen gehen!)

Was ist eigentlich Europapolitik? – Europapolitik macht man dann, wenn man nicht nur die Interessen des eigenen Staates in den Vordergrund stellt, sondern für die ganze Union mitdenkt, wenn man Politik macht, die für alle Bürgerinnen und Bürger der Euro­päischen Union etwas Positives bewirken kann, wenn man zum Europäer wird. Die Frage, die man eigentlich stellen muss, ist deshalb: Wann werden Sie anfangen, Euro­papolitik zu machen? (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

12.07

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Ma­ria Theresia Niss. – Bitte. (Abg. Neubauer: ... ist die Frau Mlinar auch gescheitert von den NEOS!)