12.27

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute schon sehr viel dazu gehört, Europa steht vor einer Epoche zahlreicher und signifikan­ter Herausforderungen, sei es der demografische Wandel der Bevölkerung, seien es die Globalisierung, die Migration oder Staatsverschuldungen. All das hat auch mittel- und langfristige Folgen für unser aller Gesundheit, und es ist an der Zeit, Europa wei­terzudenken, auch im Gesundheitsbereich, denn auch bei der Sicherung der Gesund­heit braucht es mehr und nicht weniger an grenzüberschreitenden Lösungen.

Wir haben heute auch schon gehört, sehr geehrte Bundesregierung, dass Sie die künf­tige österreichische Präsidentschaft ganz gezielt – und das ist gut so – mit dem Fokus auf Sicherheit und Schutz abhandeln wollen. Umso mehr wundere ich mich über die Haltung von Bundesminister Blümel, der kürzlich im EU-Unterausschuss im Parlament gesagt hat, dass es im Bereich Gesundheit – und übrigens auch im Bereich Konsu­mentenschutz – künftig weniger EU brauche. Aus meiner Sicht irren Sie in diesem Fall, denn wenn es beispielsweise darum geht, dass wir in Österreich künftig Zugang zu innovativen, neuen und auch leistbaren Medikamenten haben, ganz stark zum Beispiel im Zusammenhang mit der Entwicklung im Bereich der Krebstherapie, dann brauchen wir Europa.

Auch wenn es darum geht, die Bevölkerungen vor grenzüberschreitenden Gesund­heitsbedrohungen, wie kürzlich beispielsweise Ebola, aber auch Bedrohungen wie An­tibiotikaresistenzen zu beschützen, brauchen wir Europa. Und auch wenn es darum geht – und Sie wollen das vielleicht nicht hören –, die Bevölkerungen, auch in Öster­reich, vor den Gefahren des Rauchens zu schützen, brauchen wir Europa, vor allem wenn Regierungen wie Sie, sehr geehrte Damen und Herren, die Nichtraucher im Stich lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wenn es darum geht, die Menschen mit sicheren und nicht gesundheitsschädli­chen Lebensmitteln zu versorgen, brauchen wir Europa, denn, sehr geehrte Damen und Herren, eine hohe Zahl der Lebensmittel, die Sie in heimischen Supermärkten bei uns vorfinden, sind nicht österreichischer Herkunft.

Was bedeutet das für die Bürgerinnen und Bürger? – Das bedeutet, dass sich die Kon­sumentinnen und Konsumenten quasi bei jeder Tomate, bei den Weintrauben und sonstigen Lebensmitteln, die sie einkaufen, fragen müssen, ob und welche Pestizide zum Beispiel im Herkunftsland verwendet werden. Da braucht es auch endlich einheitli­che, EU-weite Qualitätsstandards und Regelungen, und zwar auf höchstem Niveau. Es braucht da die EU als starken Partner. Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „für eine Gemeinsame Agrarpolitik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nachhaltigkeitskriterien und einem Verbot für gefährliche Pestizide“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzuset­zen,

- dass es zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in der EU-Agrarpolitik kommt und daher ei­ne absolute Obergrenze der Direktzahlungen bei 25.000 Euro eingeführt wird,

- dass wirksame und messbare Nachhaltigkeitskriterien als Voraussetzung für die Ab­rufbarkeit von EU-Agrarfördermitteln definiert werden,

- dass nur jene Betriebe Agrarfördermittel erhalten können, die sich zu einer messba­ren Pestizidreduktion verpflichten, sowie,

- dass Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Genossinnen und Genossen

in Zusammenhang mit TOP 1 EU-Erklärung(en) gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Ge­schäftsordnung des Nationalrates betreffend österreichischen Ratsvorsitz

für eine Gemeinsame Agrarpolitik mit mehr Verteilungsgerechtigkeit, messbaren Nach­haltigkeitskriterien und einem Verbot für gefährliche Pestizide

Laut Europäischer Kommission (Mitteilung vom 29.11.2017, S.17) erhalten nach wie vor derzeit 20% der Beihilfenempfänger 80% der Direktzahlungen. Auch in Österreich erhalten die Betriebe mit den höchsten Einkommen laut Grünem Bericht 2017 die höchsten Subventionen (Daten Grüner Bericht 2017, S 175). Dies liegt vor allem auch am flächenbezogenen Fördersystem der EU.

Die österreichische Bundesregierung muss sich für eine Begrenzung der Direktzahlun­gen für die Landwirtschaft mit 25.000 Euro aussprechen. Solch eine Begrenzung der Direktzahlungen in der Landwirtschaft bei 25.000 Euro würde bedeuten, dass 97 Pro­zent der österreichischen Landwirte davon nicht betroffen wären. Sie hätten keine finanziellen Einbußen und die Förderungen für 110.000 Bäuerinnen und Bauern wäre gesichert. Lediglich drei Prozent der größten Agrarbetriebe in Österreich wären davon betroffen. Unionsweit wären rund 6% der Betriebe erfasst.

Das Bienen- und Insektensterben ist eines der brennendsten Umwelt- und Agrarpro­bleme der Gegenwart und ein wichtiger Indikator, dass die Nachhaltigkeitsziele in der Landwirtschaft mit der bisherigen Agrarpolitik und ihren Maßnahmen nicht bzw. nur sehr unzureichend erreicht wurden.

Im Herbst 2017 wurde durch eine Studie der Universität Nijmegen auf der Grundlage von Datensammlungen in Deutschland ein allgemeines Insektensterben aufgezeigt. Im Druck auf die Insekten- bzw. Nützlingspopulationen spielt die großflächige Anwendung von Pestiziden aller Art eine zentrale Rolle. Pestizidreduktionsprogramme und Agrar­umweltprogramme mit garantierter Pestizidfreiheit sind deshalb dringend geboten.

Vor einer Woche wurde in Wien durch die Stiftung „Blühendes Österreich“ und GLO­BAL 2000 der dritte Teil der Studie „Ausgeflattert“ zum alarmierenden Status Quo der heimischen Schmetterlinge in Vorarlberg und Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Kärn­ten präsentiert. Es wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass von den rund 4.070 in Österreich registrierten Schmetterlingsarten mehr als die Hälfte der Tiere bedroht ist. Vor allem in Tälern gibt es laut Studie einen großen Rückgang zu verzeichnen.

Als Gründe für diesen Rückgang wurden auch hier intensive Landwirtschaft, Bodenver­brauch und Klimaerwärmung angeführt. Zunehmend industrielle Landwirtschaft mit Düngung, Pestizideinsatz, Abholzung der Wälder und die damit in Zusammenhang ste­hende Verbauung der Flächen sind laut Bericht in den westlichen Bundesländern die Ursachen für das Verschwinden der Tiere.

In diesem Zusammenhang ist aufzuzeigen, dass, obwohl in Österreich der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen zunimmt und der Anteil der insgesamt bewirtschaf­teten Flächen abnimmt, die Menge der ausgebrachten Pestizide sich nicht eindeutig verringert.

Anhand der Statistiken aus den diversen Grünen Berichten ergibt sich, dass seit An­fang der 90er Jahre der Trend der in Verkehr gebrachten Wirkstoffmengen mehr oder weniger konstant blieb. Im Durchschnitt der Jahre 1994 bis 1996 wurden 3.529 Ton­nen, von 2014 bis 2016 durchschnittlich ca. 3.587 Tonnen in Verkehr gebracht (ohne insektizide Lagerbegasung). Im gleichen Zeitraum nahm aber die Intensität des Einsat­zes pro Hektar Ackerfläche von 2,51 kg Wirkstoff / ha auf 2,67 kg Wirkstoff / ha zu, obwohl immer wieder beteuert wurde, dass der Pflanzenschutzmittel-Einsatz „gezielter“ und damit effizienter erfolge. Zudem gab es parallel dazu eine Ausdehnung der biolo­gisch bewirtschafteten Flächen von ca. 150.000 ha auf ca. 550.000 ha; sodass es ein­deutig ist, dass im konventionellen Anbau immer größere Mengen an Pestizidwirkstof­fen eingesetzt werden, und obwohl seit den 90er Jahren in jeder Periode der Gemein­samen Agrarpolitik Förderungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen stattfinden.

Wir erlebten in den letzten 20 Jahren somit trotz der Agrarumweltprogramme und trotz des „Greening“, welches über einen Teil der Direktzahlungen Einfluss auf eine umwelt­gerechtere Bewirtschaftung nehmen sollte, keine nachhaltige Entwicklung, sondern ei­ne gefährliche Intensivierung in Österreichs Landwirtschaft.

In Österreich kommen neben Pestiziden mit hormoneller Wirkung (endokrine Disrupto­ren), wie z.B. Thiacloprid, auch weiterhin Organophosphat-Insektizide wie Chlorpyrifos zum Einsatz, welches in Deutschland bereits seit Längerem verboten ist. Es ist zudem ein Nervengift, das fortpflanzungsschädigend beim Menschen wirkt und hochgiftig für Vögel, Bienen und Fische ist. Es steht auch in Verdacht, bereits in geringen Dosen das Hormonsystem zu stören und das Aufmerksamkeitsstörungssyndrom ADHS zu för­dern.

Im österreichischen Pflanzenschutzmittelregister finden sich noch immer 6 Chlorpyri­fos- und 4 Chlorpyrifos-Methyl-Produkte mit zahlreichen Indikationen.

Die gefertigten Abgeordneten stellen daher den

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene dafür einzuset­zen,

-           dass es zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in der EU-Agrarpolitik kommt und da­her eine absolute Obergrenze der Direktzahlungen bei 25.000 Euro eingeführt wird,

-           dass wirksame und messbare Nachhaltigkeitskriterien als Voraussetzung für die Abrufbarkeit von EU-Agrarfördermitteln definiert werden,

-           dass nur jene Betriebe Agrarfördermittel erhalten können, die sich zu einer messbaren Pestizidreduktion verpflichten, sowie,

-           dass Agrarfördermittel, die im Rahmen eines Umweltprogrammes abrufbar sind, nur dann beansprucht werden dürfen, wenn auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet wird.

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Präsidentin Doris Bures: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser. – Bitte.